Chaim Soutine: Leben und Werke | ARTinWORDS

Chaim Soutine

Wer war Chaim Soutine?

Chaim Soutine (Smilovitchi 13.1.1893–9.8.1943 Paris) war ein französischer Maler des Expressionismus mit weißrussisch-jüdischen Wurzeln, der 1913 nach Paris ging. Während des Ersten Weltkriegs zählte er zur Avantgarde rund um Amedeo Modigliani und Maurice Utrillo. Gefördert vom Kunsthändler Léopold Zborowski und dem amerikanischen Sammler Albert C. Barnes, avancierte Soutine in den frühen 1920er Jahren zu einem der gefragtesten Maler der École de Paris [Schule von Paris]. Seine expressiven Gemälde zeigen verzerrte Landschaften, übersteigerte Porträts und an Alten Meistern geschulte Stillleben. Die Biografie des Einzelgängers Soutine wurde so oft umgeschrieben und neu erzählt, dass man besser vom „Mythos Soutine“ sprechen sollte.

Kindheit

Chaim Soutine wurde als Chaim-Iche Solomonowitsch Sutin vermutlich am 13. Januar 1893 in Smilovitchi (auch: Smilawitschy, ehem. Kaiserreich Russland, heute: Belarus) geboren.1 Er war das zehnte (oder achte2) von elf Kindern des armen jüdischen Flickschneiders Zalman (Salomon). Das Stetl Smilovitchi liegt 20 Kilometer von Minsk entfernt, hatte 4.000 Einwohner:innen und bestand aus einer Ansammlung baufälliger Holzhäuser. Seine Mutter war früh gealtert, immer voller Sorgen und schweigsam, und ging nicht besonders liebevoll mit ihren zahlreichen Kindern um.

Um 1900 zeichnete Soutine gern und machte auf jedem verfügbaren Fetzen Papier Skizzen oder bemalte die Wände mit Holzkohle. Auf Wunsch seines Vaters sollte er Schuster oder Schneider werden. Da im Judentum das Darstellen von Menschen verboten ist, wurde der junge Soutine von seinen streng religiösen Eltern oft für seine Zeichnungen bestraft. Wie sich seine Bekannten später erinnerten, äußerte er sich immer mit Verbitterung über seine Kindheit.

Im Alter von zehn Jahren kam Chaim Soutine zu seiner älteren Schwester und ihrem Mann, der Schneider war (1903). Um 1906 brachte ihn sein Vater bei einem Fotografen unter, bei dem Soutine einige Retuschierarbeiten erledigte. Soutine liebte es, Fotografien zu kopieren. Häufig fertigte er Vergrößerungen von Fotografien an, welche die Bewohner:innen der Stadt ob der Ähnlichkeit mit den Dargestellten erstaunte. Dennoch:

„Bei ihm [Soutine] zu Hause wurde seine Angewohnheit, zu malen, für etwas Nutzloses gehalten, ein Unheil. Sein Vater hätte ihn lieber als Rabbi gesehen“3

Ausbildung in Minsk und Vilnius

Weil Soutine einen orthodoxen Juden (Rabbiner?) malen wollte/gemalt hatte und damit heilige Gebote verletzte, wurde er von dessen Söhnen schwer misshandelt.4 Mit dem Bußgeld von 25 Rubeln übersiedelte Soutine nach Minsk, „der erste Schritt in eine größere Welt“. Dort machte er eine Fotografenlehre und besuchte die Malschule von Jakov Kruger, wo er Michel Kikoïne (Michail Kikóin, 1892–1968)  kennenlernte.

Mit Kikoïne fuhr Chaim Soutine 1909 nach Vilnius (Litauen), auch in der Hoffnung, an der Kunstakademie studieren zu können. Eine erste Bewerbung blieb erfolglos, doch im zweiten Anlauf wurde er 1910 von der Kunstakademie für ein dreijähriges Studium angenommen, das er 1913 abschloss. Soutine war von der Dynamik und Weltoffenheit der Universitätsstadt beeindruckt. In Vilnius lernte Soutine Pinchus Krémègne (Pinkus Kremen 1890–1981) kennen, der bald darauf nach Paris übersiedelte.

Paris

Während seines Studiums in Vilnius sparte Chaim Soutine genügend Geld für eine Zugfahrkarte nach Frankreich. Dank der finanziellen Unterstützung einer Privatperson gelang es auch Soutine, mit Kikoïne nach Paris zu reisen. Er kam am 9. Juni 1913 in Paris an. Bereits ein Jahr zuvor war Krémègne dorthin übersiedelt:

„Am 14. Juli saßen wir beide um vier Uhr morgens auf dem Bürgersteig vor der Oper […] und Soutine war wie verzaubert; alles beglückte ihn: der Platz, die Skulpturen dieses Bauwerks, das Dekor und die Gesänge […] und er verkündete, dass wir wirklich unfähig wären, wenn wir in einer Stadt wie Paris nichts zustande brächten.“5

Soutine fand Unterschlupf bei Künstlerfreunden in „La Ruche [Bienenstock]“, einem ehemaligen Ausstellungsgebäude am Montparnasse, 15. Arrondissement, in dem viele Ateliers untergebracht waren. Dort hausten auch Marc Chagall (1887–1985), Fernand Léger (1881–1955), Jacques Lipchitz (1891–1973), Ossip Zadkine (1888–1967), Moise Kisling, Henri Laurens und Alexander Archipenko in bitterster Armut. Pinchus Krémègne nahm Soutine bei sich auf.

Im Sommer 1913 wurde Soutine als Schüler an der École des Beaux-Arts aufgenommen und besuchte zwei Jahre lang die Klasse von Fernand Cormon (1845–1924). Soutine ging häufig in den Louvre und bewunderte dort die Werke der Alten Meister. Vorbilder fand er in El GrecoDiego Velázquez und Rembrandt van Rijn. Darüber hinaus begeisterte er sich für Jean Fouquet, Jacopo Tintoretto, Francisco de Goya, Raffael, Ingres, Jean Siméon Chardin, Jean-Baptiste Camille Corot, Gustave Courbet. Am stärksten beeinflusst wurde er jedoch durch Paul CézanneVincent van Gogh und Pierre Bonnard. Trotz seiner Schwierigkeiten mit der französischen Sprache begeisterte er sich auch für die Poesie von Charles Baudelaire (1821–1867).

„Jacques Lipchitz erinnert sich, Soutine eines Sonntagnachmittags beim Verlassen des Louvre getroffen zu haben. Soutine ging enthusiastisch auf ihn zu und zeigte eine Reproduktion, die er im Museum gekauft hatte. ‚Hier‘, sagte er, ‚ist das großartigste Gemälde des Louvre. Lipchitz schaute auf das Bild: Es handelte sich um Fouquets Porträt von Charles VII.“6

Am 4. August, am Tag der Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Frankreich, wurde Soutine im Stadtteil Saint-Lambert eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Sein Status als russischer Immigrant ermöglichte es ihm, der Mobilmachung zu entgehen. Soutine und Kikoïne meldeten sich jedoch als Freiwillige in der französischen Armee. Aufgrund seiner Magenbeschwerden wurde Soutine aber wieder aus dem Militärdienst entlassen. Wie Picasso, Modigliani und andere ausländische Künstler blieb er in Paris, während Künstler und Literaten wie Léger, Braque, André Derain (1880–1954) und Guillaume Apollinaire (1880–1918) an der Front kämpften. Soutine zog in die Cité Falguière, eine weitere Künstlersiedlung im 15. Arrondissement, und teilte sich ein Atelier mit dem Bildhauer Oscar Miestchaninoff (1886–1956).

Soutine und die Pariser Avantgarde

Im Jahr 1915 stellte der Bildhauer Jacques Lipchitz (1891–1973) Chaim Soutine den aus Italien stammenden Maler Amedeo Modigliani (1884–1920) vor. Beide verband rasch eine enge Freundschaft. Modigliani wurde ein früher Förderer Soutines und stellte ihn 1916 seinem Mäzen und Kunsthändler Leopold Zborowski vor. Bis zu seinem Tod 1920 schuf Modigliani unter anderem vier Porträts von Soutine. Ob Modigliani seinen Freund zum Alkoholkonsum gebracht hat, ist schwer nachzuweisen. Bereits früh litt Soutine an Magenschmerzen, die vermutlich durch die schlechte Ernährung in seiner Jugend ausgelöst worden waren. Daher musste der Maler häufig Diät halten und auf das Trinken verzichten.

Mit Gelegenheitsjobs besserte sich Soutine 1916 seine prekäre finanziellen Einkünfte ein wenig auf. Er arbeitete als Gepäcksträger am Bahnhof, als Arbeiter bei Renault und als Dekorateur für den Salon d’Automobildes im Grand Palais. Während des Krieges meldete er sich für die Arbeitsbrigade und hob Schützengräben aus. Aus Gesundheitsgründen wurde er aber bald wieder entlassen. Soutine übersiedelte in die Cité Falguière. Seine Nachbarn waren die Bildhauer Jacques Lipchitz und Modigliani. Obwohl er sich regelmäßig mit Archipenko und Lipchitz austauschte, konnte Soutine dem Kubismus nichts abgewinnen. Seine Lebensumstände blieben weiterhin trist, auch wenn der polnische Dichter und Kunsthändler Léopold Zborowski sein Agent wurde und ihm 5 Franc für das Vorkaufsrecht seiner Bilder bot.

Chaim Soutine malte 1916/17 eine Reihe von Stillleben, in denen er dürftige Mahlzeiten in dunklen Farben darstellte. Zunehmend sprach er der Farbe Eigenständigkeit zu und löste sich von der mimetischen Darstellung des Gesehenen. Die verflachten und verzerrten Formen unterscheiden sich jedoch grundlegend von Paul Cézannes Umgang mit Volumen.

Anfang 1918 schuf Soutine einige Bildern, in denen der Einfluss Bonnards deutlich wird. Er lernte vom Spätimpressionisten, wie man Farbe noch „nass“ und in dichtstrukturierter Malweise verarbeitete. Dem Bombardement von Paris entkam er 1918, indem er in den Süden Frankreichs floh - gemeinsam mit Modigliani, Zborowski und dessen Freundin Hanka.

Blumen in Cagnes

Der Maler verließ 1918 zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Frankreich Paris und fuhr zusammen mit Modigliani nach Vence und Cagnes-sur-Mer in Südfrankreich. In diesen Jahren lebte Soutine in äußerster materieller Not und musste oft hungern, was eine chronische Magenerkrankung zur Folge hatte.

Chaim Soutine wandte sich 1918/19 dem Blumen-Stillleben zu und stellte Gladiolen, Rosen und blühenden Flieder dar. In dieser Phase wandte sich der Maler gänzlich der malerischen Behandlung der Motive zu und unterdrückte die Zeichnung. Obschon er sich der Flora widmete, nutzte Soutine weiterhin dunkle Farbtöne, die er zu einer dichten Farbkruste aufschichtete.

Céret-Periode (1919–Ende 1922)

Zborowski schickte Soutine 1919 nach Céret in der Region Languedoc-Roussillon nahe den französischen Pyrenäen und der spanischen Grenze. Céret galt lange als Malerstadt und „Mekka des Kubismus“ (André Salmon), da Pablo PicassoGeorges Braque und Juan Gris dort zwischen 1910 und 1913 gelebt und gearbeitet hatten. Der Maler übersiedelte für etwa drei Jahre dorthin. Die niederschmetternde Nachricht vom Tod Modiglianis am 24. Januar 1920 erreichte Chaim Soutine in Cagnes. Zborowski  erinnerte sich:

„Ich zahlte ihm monatliche Vorschüsse. Zwei Jahre lang bekam ich nichts dafür. Schließlich suchte ich ihn auf. In einer Behausung, deren Fenster er, um seine Bilder zu schonen, nie geöffnet hatte, fand ich etwa dreihundert Bilder, aufeinandergestapelt […] Während ich ihm Essen besorgte, zündete er sie an, angeblich, weil sie ihm nicht mehr gefielen. Nach einem Handgemenge mit ihm habe ich noch einige retten können.“7

In Céret malte Soutine hauptsächlich hochexpressive Landschaften. Aber vor allem die wenigen Porträts der Bewohner:innen der Stadt nehmen in seinem Gesamtwerk einen besonderen Platz ein. Soutines stilistische Entwicklung in Céret zeigt sich am deutlichsten in seinen Landschaften und Bildnissen, darunter die Serie „Betender Männer“. Er arbeitete wie besessen vor dem Motiv und entwickelte seinen ganz persönlichen Stil, gekennzeichnet von Verzerrung und einer dynamischen Pinselführung.

Neben den Landschaften entstand auch eine Reihe von wichtigen Porträts - im Werk Soutines sind erst seit 1917 Bildnisse überhaupt nachweisbar. Seine Modelle fand er in Ceret in der Nachbarschaft und auf der Straße. Möglicherweise fühlte sich Soutine den Menschen aus den unteren Schichten der Gesellschaft besonders verbunden, vielleicht hatten sie aber auch am einfachsten Zeit für das Modellstehen. Sie sind nicht nur Hauptdarsteller:innen der Bilder, sondern teilen sich mit ihm auch den Status: Kinder, Heranwachsende, betenden Männer (1919 bis 1922 entstanden), psychisch kranke Menschen.
Meist stellte sie Soutine als sitzende Personen im Halb- oder Dreiviertelporträt dar. Die Gesicht sind den Betrachtenden zugewandt, die Hände liegen auf dem Schoß, die Umgebung ist neutral gehalten. Auf einigen Bildern fällt der rote Hintergrund auf. Soutine hatte sich vom örtlichen Schlachter einen Vorhang besorgt, den dieser zum Schutz des Fleisches verwendete.

Bereits 1921 zeigte er erste Werke auf zwei Gruppenausstellungen im Café Parnasse sowie der Galerie Devambez in Paris. Ende 1922 kehrte Soutine mit etwa 200 Gemälden nach Paris zurück, welche viele Kritiker als die besten seiner Karriere bezeichneten.

Internationaler Durchbruch

Im Januar 1923 erwarb der US-amerikanischen Arzt, Pharmaunternehmer und Kunstsammler Albert C. Barnes (1872–1951) insgesamt 52 Werke des bis dahin völlig unbekannten Soutine. Sein Kunsthändler und „Agent“ Paul Guillaume (1891–1934) hatte ein Porträt eines Zuckerbäckers von Soutine, „Le Pâtissier“ (um 1919, Barnes Foundation, Philadelphia), im Atelier von Modigliani entdeckt, und Dr. Barnes begeisterte sich spontan für dessen Kunst. In einer anderen Version soll Barnes das Bild bei dem Händler
Léopold Zborowski verdreckt und beschädigt in einer Ecke des Verkaufsraumsvgefunden haben8, in einer weitern hing es in einem Restaurant. Barnes soll „Mais c’est une pêche! [Aber es ist ein Pfirsich!]“ gerufen haben.9 Barnes zahlte für die 52 Werke an die 60.000 Franc und holte den Künstler gleichsam von der Straße. Im Jahr 1936 kaufte er weitere sechs Gemälde. Die Céret-Bilder, die den Maler über Nacht berühmt und reich machten, entsprachen jedoch nicht den Vorstellungen Soutines und dieser unternahm alles (Tausch, Rückkauf), um sie zerstören zu können.

In dieser Zeit lernte er im Café Rotonde die erfolgreiche Kunsthändlerin und Inneneinrichterin Madeleine Castaing (1894–1992) und ihren Mann, den Kunstkritiker Marcelin Castaing, kennen. Ihr erstes Treffen verlief stürmisch, dennoch wurden sie Soutines Mäzene. Da der Maler ihnen als brotloser, aber talentierter Künstler vorgestellt wurde, boten sie an, ihm ein Werk abzukaufen und 100 Franc als Anzahlung. Soutine verstand diese Geste als Affront, da die Castaings seine Bilder gar nicht gesehen hatten. Erst im Laufe der Zeit entstand eine Freundschaft zwischen den Castaigns und dem Maler. Im Jahr 1928 malte er ein Porträt von Madame Castaign. Nach dem Tod von Léopold Zborowski am 24. März 1932 hatten die Castaigns das Vorkaufsrecht für jedes Soutine-Gemälde zum vollen Preis.

Weitere Ankäufe von Sammlern 1923 riefen eine immense Nachfrage nach Soutines Bildern hervor. Damit hörten seine finanziellen Sorgen auf, und er legte plötzlich extremes Augenmerk auf gute Kleidung, allen voran trug er gerne englische Anzüge in Blau mit Seidenkrawatten. Die neue Reputation führte dazu, dass Guillaume im Oktober-Heft von Les arts à Paris einen ersten Artikel über Chaim Soutine publizierte, dem 1926 ein weiterer von Waldemar George (1893–1970) in L’amour de l’art folgte.

Die Pariser Galerie „Henri Bing“ organisierte im Mai 1927 Chaim Soutines erste Einzelausstellung. Der Künstler weigerte sich an der Eröffnung teilzunehmen. Die beiden kurz darauf publizierten Monografien von Waldemar George (1928) und Élie Faure (1929) sind auch heute noch wichtige Quellen für die Biografie und hellsichtige Analysen von Soutines Werken.

Werke

Le Pâtissier

Soutines berühmtestes Werk ist „Le Pâtissier“ (um 1919, Barnes Foundation). Das Bildnis eines Konditors oder Zurckerbäckers entstand in Céret. Zurückgezogen lebend und arbeitend, beschäftigte sich Soutine mit Werken von Paul Cézanne und vor allem Vincent van Gogh. Wie die gleichzeitig entstandene „Femme assise dans un fauteuil“ (um 1919, Privatsammlung) bezog sich Soutine auf das van Goghs Gemälde „La Berceuse [Wiegenlied]“ (1889, The Metropolitan Museum of Art, New York). Soutine bezog sich formal auf sein Vorbild, das heißt in der Anlage der Komposition, im Sitzen. Die Malweise ist hingegen stark vom Impressionismus beeinflusst, setzte Soutine doch die Farbtöne durch farbiges Licht zusammen.

Die viel zu große Arbeitskleidung des Konditors erstrahlt in Weiß, Violett, Rosa, Gelb, Blau. Auf dem Kopf thront gleichsam die weiße Haube wie eine Krone. Neuartig an Soutines Interpretation ist die Verzerrung der Figur, allen voran am Ohr abzulesen. Ein weiteres Moment der Irritation bilden die ungleichen Augenpaare, die für Soutine charakteristisch sind. Mimik und scheibar geballte Faust stehen im Widerspruch zur fragilen Figur in großem Gewand. Dargestellt ist der siebzehnjährige Rémi Zocchetto,
der damals in Céret als Auszubildender im Hôtel Garetta angestellt war.10

Dieses Auseinanderklaffen von Pose, Person und Profession ermöglichte Chaim Soutine seine Vorstellungen von Unterdrückung und Widerstand ins Bild zu setzen. Diese subtile Mischung von Emotionen, so Susanne Meyer-Büser, ist in vielen Bildnissen Soutines zu entdecken und spricht bis heute die Gefühle vieler Betrachter:innen an.11

Soutines Stillleben

Chaim Soutine pflegte zeitlebens einen nomadischen Lebensstil. Er zog in Paris häufig um und pendelte von 1923 bis 1925 zwischen Cagnes-sur-Mer, wo Pierre-Auguste Renoir bis zu seinem Tod gelebt hatte, oder benachbarten Dörfern und Paris.

Er malte ab 1923 eine Serie von Stillleben mit Rochen, Hühnern und Hasen, aber auch Landschaften und Porträts. Soutine wandte sich, vor allem in Bezug auf seine Stillleben, immer mehr den Alten Meistern zu. Er stellte in seinem Atelier Kompositionen nach, die er zuvor im Louvre gesehen hatte, und malte diese. So lassen sich die Stillleben mit Rochen motivisch auf Jean-Baptiste Chardins „Stillleben mit Rochen“ (um 1728, Louvre) zurückführen.

Soutine traf 1925 Deborah Melnik, eine Jüdin, die er aus Wilna kannte und die seine Lebensgefährtin wurde. Als sie die Tochter Aimée gebar, bestritt Soutine die Vaterschaft und verließ Mutter und Kind. Deborah Melnik brachte eine Klage gegen Soutine ein, die sie jedoch verlor. In diesem Jahr reiste Soutine erstmals nach Amsterdam, wo er im Rijksmuseum die Werke Rembrandts studierte. Kurz darauf zog er in ein Atelier in der rue du Saint-Gothard, wo er seine berühmtesten Stillleben schuf.

Zwischen 1925 und 1929 lebte Soutine großteils in Paris, zog allerdings ständig um, um sich aus seiner Lethargie zu reißen. Seine Bilder aus dieser Zeit thematisierten überwiegend Stillleben; tote Fasane, Truthähne, Kaninchen und Ochsenkadaver. Auch während eines Aufenthalts in Le Blanc, Indre, gemeinsam mit dem Modell Paulette Jourdain, malte er 1926 Stillleben mit toten Tieren, meist Truthähnen, Hühnern und Fasanen, sowie Kaninchen. Es könnten ihn dazu die Jagdstillleben niederländischer und flämischer Maler des Barock inspiriert haben.

„Hier [Le Blanc, Anm. AM] malte er zahlreiche Stillleben: Enten, Perlhühner, Truthähne, Fasane, Herzmuscheln, Hühner, denen er manchmal ein Kaninchen oder einen Hasen hinzufügte, sowie Kohlköpfe und Tomaten – alles Lebensmittel, die er vom Markt mitbrachte. Die Vorbilder für seine Personendarstellungen fand er in der Dorfbevölkerung, insbesondere unter den Jungen.“12

Geschlachtete Ochsen

In Anlehnung an Rembrandt entstanden 1925/26 im Pariser Atelier in der rue du Mont St. Gothard Gemälde von geschlachteten Rindern. Auch hier lehnte sich der Maler an ein Werk im Louvre von 1655 an, wobei er jedoch den narrativen Gehalt der Szene wegließ.
Eine Anekdote vermittelt die Intensität, mit der Soutine sich dem Thema widmete: 1925 und 1926 umgab er sich die meiste Zeit mit verrottendem Fleisch aus dem Schlachthof, um seine berühmten Gemälde von geschlachteten Ochsen zu malen. Soutines Nachbarn hätten die Polizei angerufen, um sich über den ekelhaften Gestank aus seinem Atelier zu beschweren. Soutine gelang es, die Behörden davon zu überzeugen, dass er das rohe Fleisch behalten dürfte, bis er die Gemälde fertiggestellt hätte – allerdings unter der Bedingung, dass er es mit Formaldehyd besprühte. Als Chaim Soutine entdeckte, dass die Chemikalien das Schlachtvieh austrockneten, begann er, frisches Blut über das Fleisch zu spritzen.

„Seit Langem hat er eine Leinwand in der Art des Ochsen von Rembrandt malen wollen, ohne sich dazu zu entschließen. Endlich bat er Zborowski, ihn in die Schlachthäuser zu begleiten und ihm einen gehäuteten Ochsen zu kaufen. Zborowski willigte ein. Man brachte den Ochsen in das Atelier, und Soutine begann zu malen. Der Ochse wurde schwarz; er stank fürchterlich. Das Modell verweste, aber Soutine wollte sich keinen zweiten Ochsen besorgen. Also ging er zu einem Metzger, kaufte dort einige Liter Blut, begoss damit den Ochsen und fuhr fort zu malen.“13 (Chana Orloff)

Einigen Berichten zufolge bemerkte Marc Chagall, wie Blut unter der Ateliertür hervorquoll. Daraufhin rannte er die Straße entlang und schrie: „Soutine wurde getötet!“ Genau diese lebensechten Darstellungen des verrottenden Fleisches, das Ausreizen von Farbe – Farbton wie Farbkörper – ließen Chaim Soutine nach dem Zweiten Weltkrieg zum Vorläufer einer aufgelösten Figuration und haptischen Malerei werden: Francis BaconJackson Pollock und allen voran Willem de Kooning.

Uniformierte

Chaim Soutine begeisterte sich in den Jahren von 1926 bis 1929 in seinem Werk auffallend oft für Uniformen und malte vermehrt Bilder von Zuckerbäckern, Chorknaben in ihren Roben und Hotelangestellten, von Dienern und Pagen. Die Farben Rot, Weiß und Blau gehörten in dieser Phase zu den am häufigsten eingesetzten in Soutines Werk.

Die Stillleben mit toten Tieren bzw. aufgetürmtem Essen und die Protagonisten aus der Arbeiterschicht dürften einander ergänzen. Es wird vermutet, dass Chaim Soutine mit diesen Sujets seine harte Kindheit und von Armut geprägten Anfangsjahre bewältigen und vergessen machen wollte.

Marcellin und Madeleine Castaign

Ab 1928 pflegte Chaim Soutine eine Feundschaft mit Marcellin und Madeleine Castaign. Er verbrachte die Sommermonate der Jahre 1930 bis 1935 auf ihrem Landschloss in der Nähe von Chartres. Seine Mäzene Marcellin und Madeleine Castaing wohnten in Lèves, Eure-et-Loire. Der Einfluss von Rembrandt, Corot und Courbet auf Soutine Kunst wurde immer offenkundiger. Soutine malte vor allem Landschaften, Landhäuser mit ihren Mägden, Dienern und Zofen sowie die Kathedrale von Chartres. Anstellte toter Tiere bevölkern ab dieser Phase immer öfter lebende Tiere seine Bilder.

Internationale Ausstellungserfolge

In den Vereinigten Staaten war Chaim Soutine aufgrund seiner Präsenz in der Foundation Barnes kein Unbekannter. Bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre war er in Galerieausstellungen vertreten; Alfred Barr zeigte Soutine in der Schau „Painting in Paris, from American Collections" im MoMA (18.1.–2.3.1930). Im Jahr 1935 wurden Soutines Werke im Chicago Arts Club ausgestellt (13.–30. Dezember), seine erste US-amerikanische Einzelausstellung. Es folgten Einzelausstellungen in der Valentine Gallery, New York City (3.–22.2.1936), der Mrs. Cornelius J. Sullivan Gallery (ab 24.2.1936) und 1938; „Carstairs“, 1940) und in den Leicester Galleries in London (1937).

Chaim Soutine und Gerda Groth

Chaim Soutine begegnete 1937 Gerda Groth (geb. Michaelis), einer deutsch-jüdischen Emigrantin aus dem nationalsozialistischen Deutschland, der er den Spitznamen „Mademoiselle Garde“ gab. Häufig auftretende und ernsthafte Magenproblemen machten Soutine schwer zu schaffen. Dr. Tennent diagnostizierte Magengeschwüre und gab dem Maler nur mehr fünf bis sechs Jahre zu leben. Er bekam eine neue Therapie verschrieben und erholte sich wieder.

„Die Stimmung in der möblierten Wohnung war sehr bedrückend. Dort deutete nichts auf die Persönlichkeit des Mieters hin. Später fand ich heraus, dass Soutine nicht imstande war, eine bestimmte Atmosphäre in seiner Umgebung zu schaffen. Er bezog eine Wohnung, ohne irgendetwas zu ändern, so als ob er dort nur vorübergehend zelten würde.“14 (Gerda Groth)

Bis 1939 lebte und arbeitete Soutine in der Villa Seurat nahe der rue de la Tombe-Issoire. Garde zog zu ihm ein und gab ihm jene psychische und physische Stabilität, die der Maler offenkundig sehr benötigte. Das Paar besuchte jeden Sonntag den Louvre und begeisterte sich für die ägyptischen und griechisch-antiken Skulpturen. An den Samstagvormittagen ging es auf Flohmärkte, wo Soutine alte Leinwände kaufte, auf die er gerne malte. Am Abend traf man Garde und Soutine bei Ringkämpfen oder im Kino. Salvador Dalí, Henry Miller, Anaïs Nin und die Bildhauerin Chana Orloff waren ihre Nachbarn. Die Maler Grégoire Michonze
(1902–1982), Kostia Téréchkovitch (1902–1978) und Paul Mansouroff (1896–1983) gehörten zu seinem Freundeskreis.

Im Sommer 1939 reisten Soutine und Gerda Groth auf Einladung ihres Freundes Udo Einsidl nach Civry-sur-Seine, einer kleinen Stadt im Departement Yonne (in der Nähe von Auxerre). Soutine malte in Civry hauptsächlich Landschaften, in die er erstmals Kinder einband. Erstmals beschäftigte sich der Künstler auch mit dem Medium Zeichnung.

Zweiter Weltkrieg

Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Soutine und Groth als „Ausländern“ untersagt, Civry zu verlassen. Durch Vermittlung einflussreicher Freunde und Sammler in Regierungspositionen – Albert Sarraut und André Dubois im Innenministerium – erhielt Soutine zwar die Erlaubnis „aus medizinischen Gründen“ nach Paris zurückzukehren – Gerda Groth aber nicht. Nach mehreren Monaten zähen und erfolglosen Verhandlungen kehrten Soutine und Groth Ende April 1940 heimlich nach Paris zurück.

Am 15. Mai 1940 wurden alle in Paris lebenden Deutschen zu feindlichen Ausländern erklärt. Nach Ausbruch der Kampfhandlungen wurde Gerda Groth von den Franzosen in das Internierungslager Camp de Gurs in den Pyrenäen deportiert. Sie wurde nach drei Monaten wieder entlassen und überlebte den Krieg, sie sah aber Soutine nie wieder.

Unter der deutschen Besatzung von Nordfrankreich und Paris ab Juli 1940 war Soutine als registrierter Jude gezwungen, außerhalb von Paris in kleinen Orten Zuflucht zu suchen. Aus unerklärlichen Gründen wies Soutine eine Einladung aus den USA zurück. Er hätte angeführt, dass es in Amerika keine „malbaren Bäume“ geben würde (Alfred Werner). Im Oktober 1940 musste sich Chaim Soutine im Rahmen der Volkszählung als „Jude“ registrieren. Der Aufenthalt in Paris wurde für Soutine immer gefährlicher.

Im November 1940 begann Soutine eine Beziehung mit Marie-Berthe Aurenche (1906–1960), der ehemaligen Frau von Max Ernst. Marie-Berthe war ihm von Madame Castaing und Maurice Sachs einige Monate zuvor im Café vorgestellt worden.

Aus Angst vor den Nazis versteckten sich Soutine und Marie-Berthe Aurenche ab Anfang 1941 beim Maler Marcel Laloé in Paris. Laloé organisierte für die beiden ein Versteck auf dem Lande. Der befreundete Bürgermeister von Richelieu, Fernand Moulin, verhalf ihnen zu falschen Papieren und brachte sie im nahegelegenen Dorf Champigny-sur-Veude unter. Soutine war mit seiner neuen Umgebung unzufrieden, da ihm die Bäume nicht gekrümmt genug erschienen. Dennoch gelang es ihm bald, eine Serie von Landschaften aber auch Mutter-Kind-Bilder zu malen. Da sie wiederholt mit der Denunziation bedroht wurden, wechselte das Paar häufig seine Unterkünfte. Zusehends verschlechterte sich Soutines Gesundheitszustand.

Tod

Anfang August 1943 erlitt Chaim Soutine einen schweren Magendurchbruch und wurde in das Krankenhaus von Chinon gebrachte. Dort verweigerte Marie-Berthe ihre Zustimmung zu einer Operation. In einem Leichenwagen versteckt, fuhren sie über die Normandie nach Paris. Die Fahrt dauerte 24 Stunden. Die Pariser Ärzte diagnostizierten am 7. August einen Magendurchbruch mit inneren Blutungen. Trotz der Notoperation durch den berühmten Arzt Dr. Grosset starb Chaim Soutine am 9. August 1943 an inneren Blutungen.

Am 11. August wurde der Maler Soutine auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt. Unter den wenigen Trauergästen waren angeblich Pablo Picasso, Max Jacob und Jean Cocteau. Nach Soutines plötzlichem Tod verkaufte Marie-Berthe die im Nachlass verbliebenen Werke zu niedrigen Preisen. Soutines Tochter (?) und eine Schwester (wohl in Amerika) erbten nichts.

Künstlerisches Erbe

Chaim Soutine ist ein Künstler-Künstler, beeindruckten seine Gemälde doch eine Reihe von Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts:

Roald Dahl veröffentlichte 1952 die Erzählung „Skin [Haut]“, in der ein junger Maler ein Tattoo auf dem Rücken eines seiner Freunde, einem notorischen Trinker, hinterließ. Jahre später zeigte dieser das Werk einem Galeristen, der es als Werk des heute berühmten Malers erkannten. Sammler boten Millionen für das Tattoo, wobei der Träger jedoch in Stücke geschnitten werden müsste. Nach Roal Dahl war der Name des weltbekannten Künstlers Chaim Soutine.

Francis Bacons Bilder von geschlachteten Ochsen haben genauso viel mit Rembrandt zu tun wie mit Chaim Soutines Interpretationen dieses Sujets.

Auch wenn Jackson Pollock das Malen zugunsten des Schüttens aufgab, stand er u. a. unter dem Eindruck von Chaim Soutine, der für seine Ochsen-Bilder eimerweise frisches Blut über die Tierkörper schüttete.

Der elf Jahre jüngere Willem de Kooning bezeichnete Chaim Soutine als seinen Lieblingsmaler und ließ sich von dessen dynamischer Pinselführung und dem reliefartgien Farbaufbau zu seinen zwischen Figuration und Abstraktion changierenden Bildern inspirieren.

Georg Baselitz entdeckte Soutine im Sommer 1960 im Stedelijk, Amsterdam.

Der Akt des Schüttens erinnerte den Kurator des Jüdischen Museums in New York auch an die Künstler des Wiener Aktionismus und an Performances von Carolee Schneemann.

Damien Hirst hat das tote Tier zum Material und zum Sujet seiner Werke gemacht.

Literatur zu Chaim Soutine

  • Chaim Soutine. Gegen des Strom, hg. v. Susanne Gaensheimer und Susanne Meyer-Büser (Ausst.-Kat. K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2.9.2023-14.1.2024; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, 9.2.-14.7.2024; Kunstmuseum Bern, 16.8.-1.12.2024), Berlin 2023.
  • Soutine / de Kooning: Conversations in Paint (Ausst.-Kat. The Barnes Foundation, Philadelphia, 7.3.–8.8.2021; Musée de l’Orangerie, Paris, 15.9.2021–10.1.2022), Philadelphia 2021.
  • Soutine’s Portraits. Cooks, Waiters & Bellboys, hg. von Karen Serres und Barnaby Wright (Ausst.-Kat. The Courtauld Gallery London), London 2017.
  • Soutine und die Moderne, hg. v. Nina Zimmer (Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel), Köln 2008.
  • Chaim Soutine. Ein französischer Expressionist (Ausst.-Kat. Jüdisches Museum der Stadt Wien, 8.3.–4.6.2000), Wien 2000.
  • An Expressionist in Paris: The Paintings of Chaim Soutine, hg. v. Norman L. Kleeblatt, K. Silver; R. Golan; Donald Kuspit; C. Giraudon; B. Klüver; J. Martin; E. Pratt; E. Dunow; P. Neveux; Mira Goldfarb Berkowitz (Ausst.-Kat. The Jewish Museum, New York) New York 1998.
  • Soutine, hg. v. Maïthé Vallès-Bled (Ausst.-Kat. Musée des Beaux-arts, Chartres), Chartres 1989.
  • Chaim Soutine (1893–1943). Catalogue Raisonné, hg. von Maurice Tuchman, Esti Dunow und Klaus Perls, Band I und II, Köln 1993.
  • C. Soutine, 1893–1943, hg. v. Ernst-Gerhard Güse (Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum Münster für Kunst und Kulturgeschichte), Stuttgart 1981.
  • Pierre Courthion, Soutine, peintre du déchirant, Lausanne 1972.
  • Paul Guillaume, Soutine, in: Les Arts à Paris, Nr. 7, Januar 1923.

Alle Beiträge zu Chaim Soutine

9. Februar 2024
Chaim Soutine, Selbstbildnis, Detail, um 1918, Öl auf Leinwand, 54,6 × 45,7 cm (Princeton University Art Museum, Princeton, The Henry and Rose Pearlman Foundation, on loan since 1976 to the Princeton University Art Museum)

Humlebæk | Louisiana Museum: Chaim Soutine Gegen den Strom | 2024

Dem Louisiana Museum of Modern Art gelingt eine veritable Überblicksausstellung zu Chaim Soutine, die mit einer selten ausgestellten Zimelie einsetzt: Chaim Soutines „Selbstbildnis“, entstanden um 1918, aus dem Princeton University Art Museum. Es ist eines von nur drei Selbstbildnissen.
2. September 2023
Chaim Soutine

Chaim Soutine: Biografie Lebenslauf des Malers der Moderne & Protagonist der Ecole de Paris

Chaim Soutine (1893–1943): Kindheit, Lebenslauf, Umzug nach Paris, Soutine und die Avantgarde der 1910er, Céret, internationaler Durchbruch: Albert C. Barnes, Werke: Stillleben, Landschaften Porträts, Tod
2. September 2023
Chaim Soutine, Le faisan mort, um 1926/27 (Kunstmuseum Basel, Sammlung Im Obersteg)

Düsseldorf | K20: Chaïm Soutine Emigration und Entwurzelung | 2023/24

Chaïm Soutine (1893–1943), ein zentraler Vertreter der klassischen Moderne, malte wankende Landschaften und geschlachtete Tiere. Übergeordnetes Thema der Ausstellung ist die Emigration und die dauerhafte Entwurzelung des Menschen als Folge.
6. Mai 2023
Picasso, Buste d´Homme, 1969, Detail (Horten Collection, Wien)

Wien | Horten Museum: Picasso, Chagall, Klein und ihre Zeit Rendez-vous in Paris und der Côte d’Azur | 2023

Sammlungskünstler:innen und ihre Lebensorte in Frankreich von Paris bis in den Midi. Mit Werken von Picasso, Chagall, Klein, Braque, Dubuffet, Laurencin, Léger, Poliakoff, Renoir, Signac, Soutine, de Saint Phalle uvm. | 2023
16. Februar 2022
André Lhote, Anlaufhafen [L‘Escale], Detail, 1913, Öl/Lw, 210 x 185 cm (Inv. AMVP 1113 © Paris Musées / Musée d’Art Moderne de Paris © André Lhote, VEGAP, Bilbao, 2022)

Bilbao | Guggenheim: Fauvismus – Kubismus – Surrealismus aus dem Musée d’Art Moderne de Paris Meisterwerke der Klassischen Moderne | 2022

Fast 70 Meisterwerke bedeutender Künstler:innen im Guggenheim Museum Bilbao präsentieren die Geschichte der Sammlung des Musée d'Art Moderne de Paris (MAM). Die Auswahl gibt gleichzeitig einen Überblick über die künstlerischen Avantgarde-Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts.
4. August 2021
Chaim Soutine, Le faisan mort, um 1926/27 (Kunstmuseum Basel, Sammlung Im Obersteg)

Basel | Kunstmuseum: Jawlensky und Soutine Zeugen eines zerrissenen Jahrhunderts

Gesellschaftliche Verwerfungen führten zu Brüchen in den Biografien Alexej von Jawlenskys und Chaïm Soutines. Das Kunstmuseum Basel zeigt ihre Werke aus der Sammlung Im Obersteg in einer intimen Kabinettausstellung.
5. April 2020
Chaïm Soutine, Das Dorf, um 1923, Öl/Lw, 73,5 x 92 cm (Musée de l'Orangerie, Paris © RMN-Grand Palais (Musée de l'Orangerie) / Hervé Lewandowski)

Paris | Musée de l’Orangerie: Soutine – De Kooning Französischer und amerikanischer Expressionismus zwischen Figur und Abstraktion

Im Rahmen dieser Ausstellung wird insbesondere die Auswirkung der Malerei von Soutine, einem russischen Maler der Pariser Schule, auf die künstlerische Vision des amerikanischen Malers niederländischer Herkunft beleuchtet.
26. September 2019
Richard Gerstl, Paar im Grünen, Detail, Juli 1908, (Leopold Museum, Wien)

Leopold Museum: Richard Gerstl "Inspiration - Vermächtnis" stellt den österreichischen Frühexpressionist in den Kreis seiner Zeitgenossen und späteren Bewunderer

Von den rund 70 erhaltenen Gemälden Richard Gerstls (1883–1908) besitzt das Leopold Museum 16 Werke! Überblicksschau mit Vorbildern und Bewunderern wie Georg Baselitz.
27. November 2018
Marc Chagall, Le violoniste [Der Geigenspieler], Detail, 1912/13 (© Marc Chagall, c/o Pictoright Amsterdam/Chagall, Collection Stedelijk Museum Amsterdam, on loan from the Cultural Heritage Agency of the Netherlands)

Stedelijk Museum: Chagall, Picasso, Mondrian in Paris Kunst der Migranten in Paris (1900–1950)

Zwischen 1900 und 1950 lebten unzählige Künstlerinnen und Künstler mit Migrationshintergrund in Paris – darunter Marc Chagall, Pablo Picasso und Piet Mondrian. Das kulturelle Klima im kosmopolitischen Paris der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versprach – mit Ausnahme der Kriegszeiten – Freiheit, Offenheit im Kampf gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Das Stedelijk Museum Amsterdam erzählt eine Geschichte des Andersseins, der Verbundenheit aber auch der Suche nach einem Weg durch eine polarisierte Gesellschaft und Kunstwelt.
16. März 2008
Chaim Soutine, Kind mit Spielzeug [L’enfant au jouet], Detail, um 1919, Öl auf Leinwand, 81 x 64.5 cm (Stiftung Im Obersteg, Depositum im Kunstmuseum Basel 2004, Inv. Im 1521)

Basel | Kunstmuseum: Chaim Soutine und die Moderne

Das Kunstmuseum Basel zeigt eine repräsentative Überblicksausstellung Soutines, in der seine malerische Position vor dem Horizont größerer künstlerischer Zusammenhänge des 20. Jahrhunderts neu bewertet wird.
  1. Diese Biografie basiert auf untenstehenden Büchern und Katalogen. Korrigiert und ergänzt mit der aktuellen Publikation von Catherine Frèrejean, Biografie, in: Chaïm Soutine. Gegen den Strom, hg. v. Susanne Gaensheimer und Susanne Meyer-Büser (Ausst.-Kat. K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2.9.2023-14.1.2024; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, 9.2.-14.7.2024; Kunstmuseum Bern, 16.8.-1.12.2024), Berlin 2023, S. 151-163.
  2. Es gibt unterschiedliche Quellen zur Kindheit Soutines, siehe: Pascale Samuel, Soutine – Künstler zweier Welten, in: Chaim Soutine. Gegen den Strom (Düsseldorf 2023), Berlin 2023, S. 28-37, hier S. 31.
  3. Hersh Fenster, Undzere farpaynikte kinstler, Paris 1951.
  4. So überliefert in: Waldemar George, Soutine, Paris 1928. In den Künstlerbiografien von Marc Chagall oder Zadkine findet sich hingegen keine Entsprechung für diese radikale Umsetzung des Bilderverbots. Vielleicht war der Aberglaube in Smilovitchi stärker als in anderen Städten des Kaiserreichs Russland.
  5. Michel Kikoïne, Mes souvenirs sur mon camarade Soutine, in: Soutine, hg. v. Maïthé Vallès-Bled (Ausst.-Kat. Musée des Beaux-arts, Chartres), Chartres 1989, S. 34.
  6. Zitiert nach Chaim Soutine, hg. von Maurice Tuchman (Ausst.-Kat. Los Angeles County Museum of Art) Los Angeles 1968, S. 27.
  7. Michel Georges-Michel, Künstler, die ich kannte. Von Renoir bis Picasso, Mainz und Berlin 1965, S. 115.
  8. David Sylvester, Die Geheimnisse der Natur in den Geheimnissen der Farbmaterie, in: C. Soutine. 1893–1943, hg. von Ernst-Gerhard Güse (Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum Münster), Stuttgart 1981, S. 31–46, hier S. 33.
  9. Paul Guillaume, Soutine, in: Les Arts à Paris, Nr. 7, Januar 1923, S. 5–6, hier S. 6.
  10. Karen Serres, Modern Workers. Soutine’s Sitters in Context, in: Soutine’s Portraits. Cooks, Waiters & Bellboys, hg. von Karen Serres und Barnaby Wright (Ausst.-Kat. The Courtauld Gallery London), London 2017, S. 47–71, hier S. 57.
  11. Susanne Meyer-Büser, Die Entdeckung des Chaïm Soutine, in: Chaim Soutine. Gegen den Strom (Düsseldorf 2023), S. 16-27, hier S. 19.
  12. Pierre Courthion, Soutine, peintre du déchirant, Lausanne 1972, S. 77–78.
  13. Zit. nach Chana Orloff, in: Esti Dunow, Ernst-Gerhard Güse, Biographie, in: C. Soutine, 1893–1943, hg. v. Ernst-Gerhard Güse (Ausst.-Kat. Westfälisches Landesmuseum Münster für Kunst und Kulturgeschichte), Stuttgart 1981, S. 120.
  14. Zitiert nach Siehe Waldemar George, Soutine, in: Art et Style, Nr. 52, 1959.