Raffael, Platon und Aristoteles aus dem Karton der Schule von Athen (Pinacoteca Ambrosiana, Mailand © Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Mondadori Portfolio)
Raffaels „Schule von Athen“ (1508–1511) gehört zu seinen berühmtesten Werken – der Karton zu dem Werk in der Stanza della Segnatura im Vatikan befindet sich seit dem Jahr 1610 in der Mailänder Pinacoteca Ambrosiana. Die jüngst restaurierte, monumentale Kohlezeichnung, mit der Raffael das Fresko im Größenverhältnis von 1:1 vorbereitete, ist wieder permanent ausgestellt
Italien / Mailand: Pinacoteca Ambrosiana
ab 27.3.2019
Raffael arbeitete an den Fresken der Stanza della Segnatura zwischen 1508 und 1511. Bramantes jüngerer Landsmann kam Ende 1508 nach Rom und wurde neben Michelangelo Buonarroti, der an der Decke der Sixtinischen Kapelle arbeitete, mit der Ausstattung der Repräsentationsräume von Papst Julius II. beauftragt (→ Raffael: Biografie (Lebenslauf)). Die Stanza della Segnatura sollte die Bibliothek des Papstes aufnehmen und stellte für den jungen Maler eine neue intellektuelle Herausforderung dar. Das gelehrte Programm basiert auf Schriften Euklids und Inghirami über menschliches Wissen, Theologie, Philosophie, Poesie und Gesetzgebung. Dargestellt sind die „Disputation über das hl. Sakrament“ oder „Disputa“ (eigentlich Theologie), die „Schule von Athen“ (eigentlich Philosophie), der „Parnass“ (Poesie) und „Jurisprudenz“ (eigentlich Tugenden). Giorgio Vasari zufolge soll die „Schule von Athen“ als erstes entstanden sein und Bramante seinem Protegé bei dem Entwurf der Architektur im Hintergrund beraten haben. Von der bis dahin in der römischen Renaissancearchitektur nicht vorhandenen schlichten Monumentalität der Halle ist im Karton allerdings nichts zu sehen. Hier konzentrierte sich Raffael auf die Affekte der Protagonisten. Im ausgeführten Gemälde sind die Personen durch Inschriften und Attribute kenntlich gemacht, was die Bedeutung ihrer Präsenz unterstreicht.
Nach vier Jahren Restaurierung ist der Karton zu Raffaels „Schule von Athen“ seit März 2019 in einer neuen Vitrine zu bestaunen. Die neue Präsentation ermöglicht ein noch besseres Studium des mit der Größe von 2,85 x 8,04 Metern größten Kartons der Renaissance. Die Kohlezeichnung ist ein eigenhändiges Werk von Raffael. Obwohl es sich um eine lebensgroße Werkzeichnung handelt, ist sie in ihrer Gänze erhalten. Der Karton wurde nicht für die Übertragung der Komposition verwendet, sondern sollte Papst Julius II. den Gesamteindruck des Werks vermitteln. Zu den markantesten Unterschieden zwischen dem Karton und dem ausgeführten Fresko gehört das Fehlen der Figur des Pensieroso, des nachdenklichen Heraklit. Dieser wurde erst nach Vollendung des Freskos eingefügt, indem die Wand an dieser Stelle abgeschlagen und durch die neue Figur ersetzt wurde.
Das in zwei Stücke zerschnittene Meisterwerk gelangt als Leihgabe des Grafen Fabio II. Visconti di Brebba in die Ambrosiana. Im Jahr 1626 verkaufte dessen Witwe Bianca Spinola Borromeo den Karton der „Schule von Athen“ für die unglaubliche Summer von 600 kaiserlichen Lire. Während der Napoleonischen Ära wurde das Werk im Mai 1796 konfisziert und nach Paris gebracht. Am 30. September 1815 gab der Generaldirektor des Louvre der österreichischen Kommission zurück. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde der Karton nach Rom bzw. in den Tresor der Cassa di Risparmio delle Province Lombarde gebracht.
Im Jahr 2014 begann die Restaurierung des Kartons in der Veneranda Biblioteca Ambrosiana. Maurizio Michelozzi leitete das Projekt. Die Glasfläche der neuen Vitrine von der Firma Goppion SpA hat eine Größe von 24 m². Die Neugestaltung des Raffael-Raums war ein Projekt von Stefano Boeri. Im Zentrum von Mailand befinden sich nun wieder einige der Meisterwerke des italienischen Hochrenaissance: „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci in Santa Maria delle Grazie, die „Pietà Rondanini“ von Michelangelo Buonarroti im Castello Sforzesco und der Karton der „Schule von Athen“ von Raffael in der Pinacoteca Ambrosiana.