Die Geschichte der Pastellmalerei in Europa umfasst fünf Jahrhunderte und reicht vom Frühbarock bis heute. Das Medium Pastell besticht durch die Leuchtkraft der Farben, den Effekt des Verwischens und seinem Charakter zwischen Zeichnung und Malerei. Die Fondation de l’Hermitage in Lausanne besitzt Edgar Degas’ Pastell „Danseuses au repos“. Weitere 150 fragile Pastelle aus öffentlichen und privaten Sammlungen der Schweiz ergänzen die Präsentation.
Schweiz | Lausanne: Fondation de l’Hermitage
2.2. – 21.5.2017
Der deutsche Begriff Pastell leitet sich vom italienischen Wort „pasta“ für Paste ab. Damit wurde schon im 16. Jahrhundert ein einfarbiger Zeichenstift aus gepresstem Farbstaub bezeichnet. Als Bindemittel wird etwa das wasserlösliche Gummi arabicum eingesetzt, die runde oder quadratische Form ist bis heute gleichgeblieben. Das Zeichenpapier sollte eine raue Oberfläche haben, damit die Farbpartikel daran haften können. Anfangs nutzten Künstler nur wenige Farben – Schwarz aus Ruß, Rot aus Rötel, Zinnober oder Mennige, Gelb aus Ocker. Im 17. Jahrhundert kamen noch Blau und Rosa hinzu. Ab dem 19. Jahrhundert sind auch Grüntöne in reicher Verwendung, womit sich das Pastell auch für Landschaftsdarstellungen eignete. Heute werden über 400 verschiedene Farbnuancen hergestellt. Der Eindruck eines Pastells hängt auch maßgeblich von der Farbe des Papiers ab, das bezeichnet wird. Hier bieten sich u.a. farbige Papiere an, die der Darstellung einen Grundton geben.
Im Vergleich zur Zeichnung ist es mit Pastellstiften möglich, die Farben zu verwischen bzw. miteinander zu mischen, wodurch das „Malen in trockenen Farben“ entstand. Vor allem die Porträtisten des 18. Jahrhunderts – allen voran Rosalba Carriera und Jean-Etienne Liotard – verstanden es den Effekt eines Gemäldes zu evozieren.
Die Entstehung des Pastells ist in die Renaissance zu datieren, allen voran französische Künstler dürften sich, wie Leonardo da Vinci im „Codex Atlanticus“ festhält, schon vor 1500 darin geübt haben. Leonardo selbst soll sich in die Technik geübt haben, die frühesten Werke sind von Leonardos Schülern überliefert. In der Folge setzte sich die Technik in Florenz jedoch nicht durch. Stattdessen sind Maler in Oberitalien am Gestalten mittels Wischen interessiert: Anfangs höhten sie ihre Zeichnungen mit weißer sowie farbiger Kreide. Bassano, Barocci und die Carracci zeichneten mit Pastell.
Einen ersten Höhepunkt finden Material und Technik im Barock. Das „goldene Zeitalter“ des Porträts im 18. Jahrhundert wurde von Künstlerinnen und Künstlern wie Rosalba Carriera, Jean-Etienne Liotard (vor allem Das Schokoladenmädchen von Liotard), Georges de La Tour, Perronneau, Tiepolo geprägt.
Auf die erneute Blüte des Pastells in der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in den Werken von Eugène Boudin und Alfred Sisley folgt die Virtuosität impressionistischer Figuren. Hier zählen Edgar Degas, Edouard Manet und dessen Schülerin Berthe Morisot zu den herausragenden Meistern in der Pastellmalerei. Vor allem Edgar Degas‘ Pastelle von Balletttänzerinnen bezeugen die mannigfaltigen Möglichkeiten dieser Technik (→ Edgar Degas: Ballerina in Pastell). Die Begeisterung, die das Medium um 1900 weckt, wird durch Werke der Nabis (Maurice Denis, Edouard Vuillard), mondäne Porträts (Helleu, Tissot) und die visionären Experimente Odilon Redons und der Symbolisten (Fernand Khnopff, Lévy-Dhurmer, Delville) veranschaulicht.
Auch in der Schweiz fand die Pastellmalerei zur gleichen Zeit bedeutende Anhänger: Cuno Amiet, Giovanni Giacometti, Grasset, Segantini, Steinlen sind hier zuvorderst zu nennen. Schließlich beleuchtet die Ausstellung die Avantgarden des 20. Jahrhunderts auf ihrer Suche nach Abstraktion und Modernität: Alberto Giacometti, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, František Kupka, Joan Miró und sogar Pablo Picasso setzten das Pastell ein, um reine Farbwerte auf ihre Qualitäten zu überprüfen.
Den Abschluss bildet das zeitgenössische Schaffen von Chamberlain, Samaras, Sandback, Stämpfli, Mangold, Nemours, Szafran, Scully mit einem speziell für die Ausstellung kreierten Wandbild des jungen Schweizer Künstlers Nicolas Party.
Kuratiert von Sylvie Wuhrmann, Direktorin der Fondation de l’Hermitage, und Aurélie Couvreur, Konservatorin der Fondation de l’Hermitage