Paul Klee
Wer war Paul Klee?
Der Grafiker und Maler Paul Klee (Bern 18.12.1879–29.6.1940 Bern) steuerte Essentielles zur Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ bei und stellte seine Grafiken auf der zweiten Ausstellung 1912 aus. Im Jahr 1911 hatte er seinen Schwabinger Nachbarn Wassily Kandinsky kennengelernt, mit dem ihm eine dreißigjährige Freundschaft verband. Der in seinem Frühwerk als Symbolist arbeitende Grafiker fand erst während einer Tunisreise 1914 zur Farbe und damit zum Expressionismus. Seinen Durchbruch als Künstler feierte er im Jahr 1916 und mit Hilfe der „Sturm“-Galerie in Berlin.
Nach dem Ersten Weltkrieg, den er als Kanzleimitarbeiter in Augsburg überstand, berief Walter Gropius Paul Klee 1920 an das Bauhaus in Weimar. Zehn Jahre lang lehrte er eine Form der Kunstproduktion, in der der Prozess der Entstehung des Werks, Balance und Harmonie der Komposition im Zentrum standen. Klee kündigte im Jahr 1931 und nahm eine Professur an der Kunstakademie in Düsseldorf an. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers wurde der inzwischen international berühmte Künstler entlassen, worauf dieser in die Schweiz zurückkehrte. Obwohl Paul Klee in der Nähe von Bern geboren worden war, hatte er wegen seines deutschen Vaters eine deutsche Staatsbürgerschaft. Klees Einbürgerungsverfahren zog sich bis zum Tod des Künstlers 1940 hin. Während der 1930er Jahre schuf Paul Klee ein quantitativ und künstlerisch beachtliches Spätwerk. Am 29. Juni 1940 erlag er einer Autoimmunerkrankung und hinterließ ein Werk von nahezu 10.000 Arbeiten, das zu den bekanntesten des 20. Jahrhunderts gezählt werden darf.
Kindheit und Ausbildung
Paul Klee kam am 18. Dezember 1879 als Sohn eines Musikerehepaars in Münchenbuchsee zur Welt und wuchs in Bern auf. Seine künstlerische Ausbildung begann bereits in früher Kindheit in seinem Berner Elternhaus, wo er von der Großmutter im Zeichnen und vom Vater Hans, einem Musiklehrer, im Geigenspiel unterrichtet wurde (→ Paul Klee: Lebenslauf (Steckbrief / Biografie)). Das fantasiebegabte Kind entpuppte sich als überaus begabter Geiger und begann mit elf Jahren als außerordentliches Orchestermitglied der Bernischen Musikgesellschaft zu musizieren. Darüber hinaus bildete sich Paul Klee in Kunstgeschichte, wobei er sich besonders für das Werk des Schweizer Symbolisten Arnold Böcklin (1828–1901) begeisterte. Während seiner Schulzeit zeichnete und karikierte er viel, obwohl er darin nicht extra gefördert wurde. Die schulischen Leistungen sanken in dem Grad, in dem er sich für die Natur und das Zeichnen interessierte. Den Schulabschluss bestand der dichtende und zeichnende Knabe im September 1898 mit Ach und Krach. Gegen eine Laufbahn als Musiker sprachen seine zurückhaltende Art und, dass er sich „zu wenig virtuos“ fühlte. So wählte er die Malerei und München als Studienort.
Im Oktober 1898 übersiedelte Paul Klee nach München, wo ihm Ludwig von Löfftz empfahl, als Vorbereitung auf die Königliche Bayerische Akademie der Bildenden Künste, die private Zeichenschule des Malers Heinrich Knirr (1862–1944) mit Schwerpunkt auf Akt- und Porträtzeichnen zu besuchen. Die Hauptstadt Bayerns bot dem 18-jährigen aber auch, seiner musikalischen Leidenschaft weiter zu frönen. Ab Oktober 1900 studierte Paul Klee in der Klasse des „Malerfürsten“ Franz von Stuck (1863–1928 → Franz von Stuck. Sünde und Secession) – zumindest für fünf Monate bis März 1901. Wie auch Wassily Kandinsky (1866–1944), der gleichzeitig bei Stuck studierte und den Paul Klee erst später kennenlernte, kritisierte er die Lehrmethoden Stucks. Klees Selbstzweifel in Bezug auf das Malen führten ihn dazu, sich als satirischer Zeichner und Illustrator zu betätigen. Stuck wollte Klees Arbeiten an die Zeitschrift „Jugend“ vermitteln, doch zeigte sich die Redaktion nicht daran interessiert.
Paul Klee verließ nach nur fünf Monaten die Klasse von Franz von Stuck, um in der Bildhauerklasse von Wilhelm von Rümann (1850–1906) zu studieren. Der Zeichner hatte bei Stuck seine Freude am plastischen Gestalten mit Plastilin und Ton entdeckt. Da der Professor Klee zur Aufnahmeprüfung schickte, zog sich dieser beleidigt zurück. Zur selben Zeit verlobte er sich heimlich mit der Münchner Pianistin Lily Stumpf (1876–1946), deren Vater nichts von der Verbindung seiner Töchter mit dem mittellosen Künstler hielt.
Italien und Frühwerk in Bern
Vom 22. Oktober 1901 bis 2. Mai 1902 reiste Paul Klee gemeinsam mit seinem Jugendfreund Hermann Haller (1880–1950) nach Italien: Sie besuchten Mailand, Genua, Pisa, Rom (Ausflüge nach Neapel, Pompeij, Sorrent, Amalfi) und Florenz. Zu den beeindruckendsten Erfahrungen zählte er die Renaissance-Architektur von Florenz, das Aquarium von Neapel aber auch die „spielerische Sensibilität der gotischen Tafelmalerei aus Siena“. Aus diesen Monaten sind nur wenige Arbeiten erhalten, da Paul Klee sich einerseits mit Kunstgeschichte beschäftigte und nur weniges gut genug hielt, um es aufzubehalten.
Die folgenden Jahre verbrachte Klee in Bern bei seinen Eltern und bildete sich selbständig weiter. Dazu zählten Besuche von Vorlesungen über „Plastische Anatomie“, Aktzeichnen, das Lesen des Romans „L’Œuvre“ von Zola. Gleichzeitig musizierte Paul Klee im Orchester und spielte Kammermusik, um Geld zu verdienen. Nachdem er 1905 bei der Bernischen Musikgesellschaft aufgehört hatte, begann er Musikkritiken für das „Berner Fremdenblatt“ zu schreiben.
Ein zweiwöchiger Aufenthalt in Paris (Ende Mai 1905) führte ihn mit zwei Freunden – Bloesch und Louis-René Moilliet (1880–1962) – in den Louvre, die Oper, ins Kabarett Folies-Bergère und die Taverne d’Olympia, aber auch nach Versailles. Neben seiner neu entdeckten Begeisterung für Werke des Impressionismus und des Rokoko irritierten die Pariser Lebensverhältnisse den angehenden Künstler am meisten.
Symbolistisch-satirisches Frühwerk
Bis 1914 ist das Werk von Paul Klee ausschließlich grafisch: Zeichnungen und Radierungen zeigen ihn als Anhänger des Symbolismus aber auch als Avantgardisten, ließ er sich doch von Kinderkunst und Georg Kerchensteiners Publikation „Die Entwicklung der zeichnerischen Begabung“ (München 1905) anregen.
Der erste wichtige Werk-Zyklus von Paul Klee entstand ab Juli 1903. „Inventionen“ (Juli 1903–Frühling 1905) versammelt elf Radierungen, die gänzlich seiner Fantasie entsprangen. Die Technik des Radierens hatte er ab 1899 bei Walter Ziegler in München gelernt. Klee konzentrierte sich bewusst auf die Figuren, jede Komposition besteht aus nur einer Person und die Landschaften steigern deren Bedeutung.
„Der Held mit dem Flügel, ein tragikomischer Held, vielleicht ein antiker Don Quijote … Dieser Mensch, im Gegensatz zu göttlichen Wesen mit nur einem Engelsflügel geboren, macht unentwegte Flugversuche. Dabei bricht er Arm und Bein, hält aber trotzdem unter dem Banner seiner Idee aus. Der Kontrast seiner monumental feierlichen Haltung zu seinem bereits ruinösen Zustand war besonders festzuhalten, als Sinnbild der Tragikomik.“ (Paul Klee über den Zyklus „Inventionen“, 1905)
Wieder zurück aus Paris widmete sich Paul Klee im Herbst 1905 der Hinterglasmalerei. Schon im Frühling des Jahres hatte er sich mit einer Kratztechnik beschäftigt, für die er eine Glasscheibe schwarz anmalte und Linien in die Farbe kratzte. Er malte knapp 50 Hinterglasbilder bzw. nutze seine Ritzzeichnungen als Negative für Fotogramme (so genannte Cliché verre). Mit diesen Arbeiten kam erstmals wieder Farbe in das Werk Klees, und er erweiterte sein Spektrum von realistischen Landschaften zu abstrahierten Strukturen.
Kreativität der Kinderzeichnung
Die Hochzeit mit Lily wurde am 15. September 1906 in Bern gefeiert. Der Künstler stellte sich unter Ehe eine Basis vor, die einzig dazu dient, „die Arbeitsfähigkeit zu steigern“. Zwei Wochen später zog das frisch vermählte Paar nach München in eine kleine Dreizimmerwohnung im Künstlerviertel Schwabing. Da Paul Klee kaum Einnahmen hatte, konnte er sich erst im Dezember 1908 die Miete eines Dachateliers leisten, und Lily gab bis zu zehn Klavierstunden am Tag. Diese unkonventionelle Familienstruktur fand in der Geburt des einzigen Sohnes Felix am 30. November 1907 noch eine Steigerung, denn der leidenschaftliche Koch Paul Klee übernahm Haushalt und Kindererziehung. Der Vater Klee beobachtete, ja studierte die Entwicklung seines Sohnes bis ins Detail und ließ sich von dessen Kinderzeichnungen inspirieren.
„Es gibt nämlich auch noch Uranfänge von Kunst, wie man sie eher im ethnografischen Museum findet oder daheim in der Kinderstube (lach‘ nicht, Leser), die Kinder können’s auch, und das ist durchaus nicht vernichtend für die jüngsten Bestrebungen, sondern es steckt positive Weisheit in diesem Umstand. Je hilfloser diese Kinder sind, desto lehrreichere Kunst bieten sie […] Parallele Erscheinungen sind die Zeichnungen Geisteskranker, und es ist also auch Verrücktheit kein treffendes Schimpfwort. Alles das ist in Wahrheit viel ernster zu nahmen als sämtliche Kunstmuseen, wenn es gilt, die heutige Kunst zu reformieren.“1 (Paul Klee über Kinderkunst)
Klee adaptierte die Stileigentümlichkeiten der Kinderkunst als symbolische Form, um den Ursprung der Kunst im Kind zu evoziieren. Seine künstlerische Sprache ist daher nicht generell mit der Kinderzeichnung gleichzusetzen.
Zu den von Klee bewunderten Künstlern zählten Francisco de Goya, Edouard Manet („Der Absinthtrinker“), Claude Monet, James Ensor und Vincent van Gogh, dessen in der Zwischenzeit veröffentlichte Briefe er begeistert las. Wie dem Holländer ging es auch Paul Klee um die Verbindung zwischen Erfindung und Natur. Seine zunehmend abstrakteren Studien sollten subjektive Assoziationen vermitteln, vor allem die Perspektive umging er mit verschiedenen Mitteln. Seine so genannten „Schwarzaquarelle“ bilden eine Summe seiner Studien zu Tonwerten, Licht und Schatten. Die „Linie als selbständiges bildnerisches Element“ (Paul Klee) sollte ihm über den Naturalismus und das Ornamentale hinweghelfen. Erst die Begegnung mit Illustrationen von Gustave Doré (1832–1883) zu Honoré de Balzac sowie ein Besuch in der Münchner Secession 1909, wo acht Gemälde von Paul Cézanne (1839–1906) ausgestellt waren, erweiterten den Horizont in Richtung Buchillustration und zeitgenössische Kunst. Cézanne, den Klee als „das größte malerische Ereignis“ bewunderte, übernahm im Pantheon des jungen Grafikers fortan die Führungsrolle. Zwei Jahre später war es Henri Matisses Rückkehr zu den „kindlichen Stadien der Kunst“, die ihn maßgeblich prägte.
„Übrigens sah ich in der Sezession acht Bilder von Cézanne. Das ist mir der Lehrmeister par excellence, viel mehr Lehrer als van Gogh.“2 (Paul Klee, Tagebucheintrag Nr. 857, 1909)
In den Jahren 1911/12 beschäftigte sich Paul Klee mit Illustrationen zu Voltaires Roman „Candide“ (Jänner 1795). Klees parallel zum Text entwickelten Bilder fanden jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg einen Verleger (1920). Schon 1910 hatte er seine erste Einzelausstellung in der Schweiz, wo der Berner Bauunternehmer Alfred Bürgi und dessen Frau Hanni zu den ersten Sammlern und Förderern des Künstlers wurden. Diese ersten Verkäufe und die zunehmende Reputation des Grafikers mögen ihn dazu bewogen haben, ab Februar 1911 einen Werkkatalog anzulegen. Gleichzeitig bedeutete diese Aufarbeitung seines bisherigen Werks auch, sich mit dem Erreichten kritisch auseinanderzusetzen.
Paul Klee und Der Blaue Reiter
Die Bekanntheit von Paul Klee – zumindest in Künstlerkreisen – begann 1911 zuzunehmen und löste die frühe Zeit der Einsamkeit ab: Im Jahr 1911 lernte er den österreichischen Grafiker und Schriftsteller Alfred Kubin (1877–1959) kennen. Im Sommer traf Klee während einer Reise in die Schweiz seinen alten Freund, den Maler Louis Moilliet, der gerade August Macke (1887–1914) aus Bonn zu Besuch hatte. Einige Jahre später traten sie gemeinsam die inzwischen berühmte Tunisreise an, die für Paul Klee zur Offenbarung wurde. Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky wie auch das Ehepaar Maria und Franz Marc lernte Paul Klee ebenfalls 1911/12 kennen. Maria Marc nahm sogar Klavierunterricht bei Lily Klee.
Seine Nachbarn Wassily Kandinsky (1866–1940) und Gabriele Münter (1877–1962) traf Klee erstmals 1911 (→ Klee & Kandinsky). Kandinsky arbeitete gerade an seinem Manifest „Über das Geistige in der Kunst“ (1911) und focht einen Kampf mit den anderen Mitgliedern der Neuen Künstlervereinigung München (NKVM) aus, da diese ihm die Präsentation seines abstrakten Gemäldes „Komposition V“ verweigerten. Nachdem Kandinsky, Münter und Franz Marc aus der NKVM ausgetreten waren, gründeten Kandinsky und Marc die Redaktion „Der Blaue Reiter“, um gemeinsam ein Jahrbuch herauszugeben. Paul Klee verfasste über die erste Ausstellung des Blauen Reiter3 in der Galerie Thannhauser im Dezember 1911 eine Kritik, als Grafiker nahm er an der zweiten Ausstellung beim Buch- und Kunsthändler Hans Goltz im Februar 1912 teil. Hier zeigten die Münchner Avantgardisten unter dem Titel „schwarz-weiß“ Arbeiten auf Papier, darunter 17 Werke von Paul Klee.4 Seiner Schweizer Leserschaft erklärte der Grafiker die Ziele des bald erscheinenden „Almanachs des Blauen Reiter“ wie folgt:
„Die Neuheit des heute Gefühlten und Geschaffenen soll in ihrem Zusammenhang mit früheren Zeiten und Stadien aufgedeckt werden, Volkskunst, Kinderkunst wird versprochen, Gotik bei uns und im Orient, Afrika.“
Wenn auch Paul Klee seinen Lesern eine Erklärung des Kubismus schuldig blieb, so veranlasste ihn die Begegnung mit den Werken der Pariser Kollegen, im April 1912 mehrere Wochen nach Paris zu reisen. Er besuchte Robert Delaunay in dessen Atelier, wo ihn dieser in seine Theorie zu Farbe und Licht einführte. Paul Klee übersetzte in der Folge Delaunays Text „Über das Licht“, was 1913 in der Zeitschrift „Der Sturm“ publiziert wurde. Er gestand Alfred Kubin wenig später, dass er zwar diese Bestrebungen schätzte, dennoch seinen eigenen Weg fortgehen wollte. Er befand, dass der Kubismus sich nicht eignete, Menschen und Tiere darzustellen, da sie für ihn dadurch ihre „Lebensfähigkeit“ verlieren würden. Die völlige Auflösung des Bildgegenstandes, wie es Pablo Picasso und Georges Braque in ihren avanciertesten Gemälden erprobten, lehnte er ab.
Seine neue Stellung in der Kunstszene zeigte sich, als Paul Klee im Herbst 1912 auf die Internationale Ausstellung des Sonderbundes in Köln eingeladen wurde. Er war mit 59 Werken im privaten Ausstellungsforum Gereonsclub präsent. Ein halbes Jahr später zeigte die Galerie Tannhauser seine bisher größte Einzelausstellung; Herwarth Walden organisierte den „Ersten Deutschen Herbstsalon“ in der Berliner Galerie „Sturm“ (20. September–1. Dezember 1913) und förderte damit den Blauen Reiter und Paul Klee im Besonderen.
Paul Klee: Expressionismus, Tunis und Blauer Reiter
Im Herbst 1911 kam Paul Klee in Kontakt mit seinem Schwabinger Nachbarn Wassily Kandinsky, mit dem Klee eine lebenslange Freundschaft verband. Die erste Ausstellung des „Blauen Reiter“ kommentierte Klee euphorisch, an der zweiten Ausstellung 1912 nahm er selbst teil. In dieser Phase fand der Grafiker in den farbigen Fensterbildern von Robert Delaunay eine wichtige Inspirationsquelle und besuchte den Maler in Paris. In Pariser Galerien entdeckte er zudem den Kubismus von Pablo Picasso und Georges Braque im Original.
Tunisreise 1914
Erst im April 1914 gelang Klee während einer Tunisreise, die er zusammen mit August Macke und Louis Moilliet unternahm, für sich selbst zur Farbe. Ab dem 7. April 1914 verbrachte die Gruppe elf intensive Tage, die Paul Klee enthusiastisch in seinem Tagebuch kommentiert und dabei sich selbst, die Natur und Tunis zu einer Einheit zusammenschweißte. Das Werk Delaunays hatte ihn zwar schon in München zunehmend zur Arbeit mit Kolorierung angeregt, die Beherrschung derselben, so war zeigt sich der Künstler überzeugt, wäre ihm aber erst - und ausschließlich - während des Aufenthalts in Nordafrika gelungen. Weiteres wichtiges Faktum ist der neuartige Bildaufbau, den Paul Klee angesichts des Siedlungsbaus in der Wüste entwickelte. Er begann, Gebäude und Kuppeln zu flächigen Quadraten, Rechtecken und Kreisen zu reduzieren und aus ihnen, quasi schichtweise, die Bildarchitektur aufzubauen. In unterschiedlichen Farben bemalte Farbfelder werden aufeinandergesetzt und füllen so die Bildflächen.
„Die Leibhaftigkeit des Märchens, nur noch nicht greifbar, sondern fern, ziemlich fern, und doch sehr klar … Die Sonne von einer finsteren Kraft. Die farbige Klarheit am Lande verheißungsvoll. Macke spürt das auch. Wir wissen beide, dass wir hier gut arbeiten werden.“5 (Paul Klee, Tagebuch, 7.4.1914)
Von 3. bis 22. April 1914 reiste Paul Klee gemeinsam mit Moilliet und August Macke nach Tunis. Zwei Tage nach ihrer Abreise erreichten sie über Marseille (5.4.) Tunesien. Das Trio wohnte im Stadthaus des Schweizer Arztes Dr. Ernst Jäggi und auch im Landhaus am Meer. Von der Küste aus unternahmen die Maler Ausflüge nach Sidi Bou Said, zur Bucht von Karthago. Paul Klee wählte als sein Ziel eine „Synthese Städtebauarchitektur – Bildarchitektur“ zu erschaffen. Aber auch die Landschaft inspirierte ihn zu freien Kompositionen, in denen er auch immer freier mit der Farbe umging.
Über St. Germain bei Tunis führen Klee, Moilliet und Macke am 14. April weiter nach Hammamet, wo einige der berühmtesten frühen Aquarelle Paul Klees entstanden, und weiter nach Kairouan. Das Erlebnis des Orients, des südlichen Lichts und der Farbe muss einen überwältigenden Eindruck auf Klee gehabt haben, weigerte er sich doch weiterzureisen und fuhr früher als geplant wieder nach Tunis zurück. In den abstrakten bzw. abstrahierten Farbflächen zeigt sich die Kenntnis der Gemälde von Robert Delaunay. Klee legte über ein Netz von geometrischen Formen durchscheinende Farbschleier, die einander wiederum überlagerten. Kleinere und größere Rechtecker, ergänzt durch einige Kreise bilden die Grunstruktur, in die Klee leuchtende, reine Farbwerte einfüllte. Die Erfahrung des Orients erlöste ihn von seiner jahrelangen Suche nach Formen und Farben. Im Vergleich zu den Aquarellen Mackes zeigen die Werke Paul Klees einen größeren Abstraktionsgrad. Überwältigt von dem Gefühl, endlich die Farbe gefunden zu haben, reiste er umgehend alleine über Palermo und Bern wieder nach München zurück.
„Zum Überfluss geht auch noch der Vollmond
auf. Louis reizt mich: ich sollte es malen. Ich sage: Es wird höchstens eine
Übung. Natürlich versage ich dieser Natur gegenüber. Aber ich weiss doch
etwas mehr, als zuvor. Ich weiss die Strecke von meinem Versagen bis
zur Natur. […] Der Abend ist tief in mir drin für immer.
[…] Ich […] / bin der Mondaufgang des Südens.“
(Paul Klee in St. Germain (heute: Ezzahra), 12. April 1914)
Die Identifikation Paul Klees mit dem südlichen Licht, der Natur findet in der häufig zitierten Selbststilisierung einen Höhepunkt:
„Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihre zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“ (Paul Klee, Tagebucheintrag, 16. April 1914 in Kairuan)
Paul Klee nutzte seine abstrahierten Aquarelle auch als Ausgangspunkte für weitere Forschungen zur Abstraktion, wie aus seinen persönlichen Aufzeichnungen hervorgeht (→ Paul Klee und die Abstraktion). Zurück in München beschäftigten die nordafrikanischen Motive den Künstler weiter, sodass eine Reihe von Aquarellen die Ansichten in leuchtenden Farbfeldern weiterspinnen. Sie wurden ergänzt durch völlig abstrakte Kompositionen, in denen sich der Künstler mit geometrischen Formen und ihren kontrastreichen Farben auseinandersetzte.
„Abstrakt? Als Maler abstrakt sein heißt nicht etwa gleich ein Abstrahieren von natürlichen gegenständlichen Vergleichsmöglichkeiten, sondern beruht, von diesen Vergleichsmöglichkeiten unabhängig, auf dem Herauslösen bildnerisch reiner Beziehungen. […] Bildnerisch reine Beziehungen: Hell zu Dunkel, Farbe zu Hell und Dunkel, Farbe zu Farbe, lang zu kurz, breit zu schmal, scharf zu stumpf, links rechts – oben unten – hinten vorn, Kreis zu Quadrat zu Dreieck.“ (Paul Klee)
Die Tunisreise brachte Paul Klee aber nicht nur die Beherrschung der Farbe, an der er so lange gearbeitet hatte, sondern auch die in den folgenden Jahren so charakteristische Kompositionsweise: Ein Netz von geometrischen Formen wurde durch einige wenige Zusätze als Architektur- oder Landschaftsformen kenntlich gemacht. Abstraktion gepaart mit Formgefühl und leuchtendem Kolorit waren die Ingredienzien jener Werke, die bis heute zu den Inkunabeln der Kleeschen Malkunst gehören. Es verwundert heute kaum, dass ab 1916 auch der wirtschaftliche Erfolg des Künstlers nicht mehr auf sich warten ließ und 1920 eine erste Retrospektive und zwei Monographien das Ansehen steigern halfen.
Paul Klee im Ersten Weltkrieg
Während des Ersten Weltkriegs diente Paul Klee in zwischen 1917 und 1919 in der Königlich Bayerischen Fliegerschule V in Gersthofen-Gablingen bei Augsburg und ab 1917 in der Fliegerschule Gersthofen. Hier bemalte er Flugzeuge und führte Tätigkeiten in der Schreibstube aus. Der Maler konnte sich erfolgreich dem „Gespenst Schützengraben“ (Paul Klee über die Westfront) entziehen. Da er vom Fronteinsatz verschont bleibt, gelang es ihm, seine Kunst weiterzuentwickeln und die Jahre 1914 bis 1918 überraschend fruchtbar zu nutzen (→ Paul Klee. Bilder aus dem Ersten Weltkrieg). Die Grafiken aus diesen Jahren zeigen abstrahierte Flugzeuge bzw. Flugobjekte, Blitze und andere Symbole - aber auch Buchstaben, die er mi Hilfe von Schablonen anbrachte. Gleichzeitig experimentierte er mit Assemblagen aus Flusssteinen, die er auch bemalte, und entdeckte neue Materialien wie das Leinen der Flugzeugflügel als Bildträger.
In diesen ungefähr 380 Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken aus dem Krieg beschäftigte sich Klee mit dem Alltag auf dem Flugplatz, dem Fliegen, dem Krieg, der Dualität von Himmel und Erde, von Abstraktion und Figuration. Auf seinen Spaziergängen durch die Lechauen sammelte er Flusssteine, die er Jahre später zu Assemblagen verbinden sollte. Abstraktion, so der Künstler, wäre in Kriegszeiten die einzig adäquate Bildsprache. Steil ansteigende Zick-Zack-Linien, Fluggeräte (u. a. Vogel-Flugzeug) und Pfeile symbolisierten für ihn Angst, Zerstörung und Tod. Mit diesen symbolisch aufgeladenen Werken fand der Künstler Klee zunehmend Akzeptanz am Kunstmarkt.6
„In einer Zeit der Kolosse verliebte er sich in ein grünes Blatt, in ein Sternchen, in einen Schmetterlingsflügel, und da sich der Himmel und alle Unendlichkeit darin spiegeln, malt er sie mit hinein.“ (Hugo Ball über Paul Klee, 1917)
Klee am Bauhaus (1921–1930)
In der Weimarer Republik (1918-1933) stieg Paul Klee zu den bekanntesten Künstlern Europas auf. Der Münchner Avantgarde-Galerist Hans Goltz übernahm Paul Klees Vertretung, gleichzeitig erschienen drei Monografien über Klee und seine Kunst. Ab 1919 konnte er sich erneut der Malerei widmen, sah sich jedoch auch nach einer Lehrstelle um, um seine finanzielle Situation zu verbessern. am 29. Oktober 1920 berief ihn Walter Gropius an das Bauhaus in Weimar, wo er zwischen 1921 und 1931 theoretischen Formunterricht gab (ab 1925 in Dessau).
Der Berufung von Paul Klee an das Bauhaus in Weimar ging eine Diskussion über die Lehrqualitäten des Künstlers im Rahmen der Nachbesetzung der Professur von Adolf Hölzel (1853–1934) in Stuttgart voraus. Obwohl sich Oskar Schlemmer für Klee einsetzte, überwogen im Sommer 1919 noch die kritischen Stimmen aus dem Kollegium, Klees Kunst wäre „feminin“, „spielerisch“ sowie „erdfern-verträumt“. Ein Dreijahresvertrag mit dem Galeristen Goltz in München tröstete Klee über die Geringschätzung in Stuttgart hinweg, seine erste große Werkschau mit 371 Werken in den Räumen von Goltz und die erste Monografie folgten noch im Oktober 1919.
„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ (Paul Klee, in: Kasimir Edschmid (Hg.), Schöpferische Konfessionen, 1920)
Mit seiner Überzeugung, dass die sichtbare Welt nur ein Gleichnis für die eigentliche, dahinterliegende geistige Welt wäre, trug der zurückhaltende Künstler nicht nur Maßgebliches zur Kunsttheorie des Blauen Reiter bei, sondern bereitete auch den Surrealismus der 1920er Jahre vor. Es wäre ein Missverständnis die Kunst von Paul Klee als Fantastische Kunst zu bezeichnen, stattdessen ging es ihm um ein (visionäres) Schauen in geistige Welten. Dahinter stand auch die Anthroposophie von Rudolf Steiner (1861–1925). Nicht das Resultat (die Form), sondern der Prozess der bildhaften Gestaltung wären Weg und Ziel der Kunst.
Das Berufungstelegramm des Bauhausgründers Walter Gropius (1883–1969), mitunterzeichnet von den Bauhausmeistern, dem Maler Lyonel Feininger (1871–1956), dem Maler Georg Muche (1895–1987), dem Bildhauer und Grafiker Gerhard Marcks (1889–1981) sowie dem Maler und Pädagogen Johannes Itten (1888–1967), erreichte den Künstler während eines Besuchs bei Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin im Schweizerischen Ascona. Freudig sagte Paul Klee in Weimar zu, denn, obwohl er über kaum didaktische Erfahrung besaß, hatte er sich nach dem Ersten Weltkrieg eine zeitgemäße, anti-akademische Ausbildung gewünscht. Im Jänner 1921 trat Paul Klee seine neue Stelle am Bauhaus in Weimar an – zuerst als Formmeister in der Buchbindereiwerkstatt, dann als Formmeister in der Metallwerkstatt. Im Oktober des Jahres zogen auch Lily und Felix nach.
„Gut ist Formung. Schlecht ist Form; Form ist Ende ist Tod. Formung ist Bewegung ist Tat. Formung ist Leben.“ (Paul Klee, Beiträgen zur bildnerischen Formlehre)
Zwischen Januar 1921 und Herbst 1930 unterrichtete Klee zehn Jahre, leitete die Buchbinderwerkstatt sowie später die Textilwerkstatt und auch das Atelier für Glasmalerei. Theoretischer Unterricht - wie Farbtheorie und Formenlehre - sollte den Schülern zusätzlich ein Gefühl für die Organisation von Flächen vermitteln. Als der im Frühjahr an das Bauhaus berufene László Moholy-Nagy bis Oktober 1923 die Metallwerkstatt modernisierte und den Vorkurs reformierte, unterstützt von Jungmeister Josef Albers, machte der Ungar Klees Unterricht „Formenlehre“ zum festen Bestandteil der künstlerischen Grundausbildung. Gegen Ende seiner Lehrtätigkeit fand Paul Klee immer weniger Zeit für seine eigene künstlerische Tätigkeit, sodass er sich 1930 vom Bauhaus zurückzog, um an der Düsseldorfer Akademie zu lehren.
Zum Jahreswechsel 1928/29 hatte Paul Klee eine vierwöchige Ägyptenreise angetreten, die in den Jahren um 1930 zu einer Reihe von neuen Bildern führte. Wenn er sich in seinem Tagebuch der ägyptischen Kultur gegenüber kritisch positionierte (da Tunis in seiner Erinnerung alles überstrahlte!), wandte er sich der geometrisch-mathematischen Streifenkomposition zu. Erneut ist es ein Netzwerk von Linien, das in geometrischen Formen mündet, die abstrahiert Felder, Dörfer, überkuppelte Moscheen andeuten. Auch die spätere Aufnahme von Hieroglyphen bzw. glyphischen Zeichen wurzelt in den Eindrücken, die Paul Klee während dieses Monats im Land am Nil empfing bzw. verarbeitete.
Im Gegensatz zu seinem Freund Wassily Kandinsky, mit dem er sich auch in Dessau ein Doppelhaus bewohnte, klärte der Bauhaus-Meister Paul Klee während der 1920er Jahre sein künstlerisches Konzept: Bildende Kunst öffnet, nach Klee, ein geheimnisvolles Zwischenreich zwischen der realen Erscheinung und dem Wesen der Dinge.
„Dies [der Sinn] kommt nun schrittweise so zum Ausdruck, dass in der Auffassung des natürlichen Gegenstandes eine Totalisierung eintritt, sei dieser Gegenstand Pflanze, Tier oder Mensch, sei es im Raum des Hauses, der Landschaft oder im Raum der Welt und so, dass zunächst eine räumlichere Auffassung des Gegenstandes an sich einsetzt.“ (Paul Klee, Wege des Naturstudiums, 1923)
Professur in Düsseldorf
1931 quittierte Paul Klee seine Professur an der Kunstgewerbeschule und trat ab April eine Professur an der Düsseldorfer Akademie an. Die gestiegene Anzahl von Lehrveranstaltungen und die zahlreichen Sitzungen unter dem Direktorat von Hannes Meyer (seit 1928), darüber hinaus die zeitraubende Organisation im Zusammenhang mit seinen Ausstellungen und Verkäufen ließen Klee kaum mehr Zeit für seine eigene künstlerische Arbeit. Direktor Walter Kaesbach bot Paul Klee m März 1929 einer Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie an. Nach zweijährigen Verhandlungen um einen Atelierneubau und sein Gehalt trat Klee seine Stelle in Düsseldorf zum Oktober 1931 an.
Im Rheinland entwickelte Klee einen neuen Stil, den er im Zusammenhang mit dem Grundieren und Lasieren als „sogenannte[s] Pointillieren“ bezeichnete (→ Seurat, Signac, Van Gogh – Wege des Pointillismus). In 70 Aquarellen und Gemälden (1931/1932) nutzte er einen raster- oder mosaikartige Auftrag von Farbpunkten, mit dem Klee spezifische Farb-Licht-Räume konstruierte und seine zehnjährige Auseinandersetzung mit der Farbenlehre am Bauhaus kuliminierte. Bei der Umsetzung der Motive bediente er sich einem spannungsreichen Wechselspiel von Punkt und Linie.
Im Gegensatz zu den Pointillisten, die jeden Punkt in die Spektralfarbe zerlegten und präzise malten (→ Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus), stempelte Klee diese Bilder. Auf dem ersten Blick wirken diese Gemälde wie Mosaike oder bunte Farbteppiche. Mit Hilfe von Linien führt der Maler einzelne Punktflächen zu Figuren zusammen. Damit war er seinem Ziel, reine Farben als Mittel der bildnerischen Flächen und Raumgestaltung zueinander in Beziehung zu setzen, wieder einen Schitt nähergekommen. Zu den berühmtesten Bildern Klees aus dieser Zeit zählt „Ad Parnassum“ (1932, 274, Kunstmuseum Bern)
Spätwerk: Hieroglyphen und Engel
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und ihre ablehnende Haltung Klees Kunst gegenüber führten jedoch zur baldigen Entlassung des Künstlers und seiner Emigration in die Schweiz (Dezember 1933). Bereits im März 1933 hatte die SA ohne Beisein der Klees eine Hausdurchsuchung bei dem als „galizischen Juden“ diffamierten Künstler durchgeführt und Dokumente entfernt. Paul Klees Kunst wurde als „entartet“ eingestuft und siebzehn Werke auf der gleichnamigen Ausstellung in München 1937 der Öffentlichkeit präsentiert. In den folgenden Jahren entfernten Nationalsozialisten 102 Arbeiten aus öffentlichen Sammlungen und verkauften sie am internationalen Kunstmarkt.
Das in der Schweiz geschaffene Spätwerk des Künstlers ist geprägt von der politischen Erfahrung aber auch dem Ausbruch der seltenen Autoimmunerkrankung Sklerodermie. Die Erkrankung zwang sie den Maler monatelang ins Bett, weshalb er in dieser Phase nur 25 Werke schuf (1935/36). Sein Stil änderte sich entschieden: keine feinen Linien, sondern körperhafte, balkenartige Zeichen und Hieroglyphen bevölkern nun seine Bildflächen. Weiters finden sich mit der Pyramide und der Schlange weitere Reminiszenzen an die Ägyptenreise. Leuchtende Bildgründe lassen die Kontraste besonders hervortreten.
Ab 1937 wandte sich Paul Klee wieder verstärkt der Figuration zu. Er durchlebte von 1937 bis zu seinem Tod 1940 noch einmal eine intensive Schaffensperiode, in der er mehr als 2.000 Werke malte. Allerdings verfestigen sich die zarten Linien der früheren Bilder zu festen, schwarzen und undurchbrechbaren Balken. Die rasante Produktion, darunter die berühmten Engelbilder und die runen- bzw. hieroglyphenhaften Schriftbilder, entstand angesichts des wachsenden Zerfalls der körperlichen Kräfte Klees.
Klee war sich in den letzten Jahren seines Lebens der Vergänglichkeit stark bewusst und reagierte mit ungebrochenem Schöpfungswillen darauf. 1939 entstanden 1.253 Zeichnungen und farbige Blätter (aufgrund seiner Erkrankung dominieren die kleinen Formate); es ist das produktivste Jahr in Klees Gesamtwerk. Der Spätstil Klees ist durch schwarze Zeichen und schwebende, reduzierte Formen gekennzeichnet. Mit Werken wie diesen sollte der in Deutschland verfolgte Künstler vor allem in den USA bekannt werden und dort in den 1940er Jahren die Avantgarde beeinflussen (→ Paul Klee und die amerikanische Avantgarde).
Engel
Die Vergeistigung des späten Paul Klee ist auch inhaltlich im Werk nachweisbar, allein im Jahr 1939 schuf er 29 Werke mit Darstellungen von Engeln. Für Paul Klee waren Engel Zwischenwesen, die Titel verraten ihre kleinen Tugenden aber auch Untugenden. Einige von ihnen sind rührig, andere melancholisch, wieder andere sogar altklug oder gar „noch hässlich“.
Schon seit seinem Frühwerk setzte sich Paul Klee mit dem Aufstieg, dem Schweben und dem Fliegen auseinander. Damit sind die Engel keineswegs voraussetzungslos. Indem er ihnen vielfach heitere Züge des Unvollkommenen und Komischen verlieh, zeigte Klee sie als menschliche Identifikationsfiguren für den Übergang von Diesseits zum Jenseits – als Wesen einer Zwischenwelt, die im Kontakt mit der menschlichen Sphäre steht.7
Noch am 2. Januar 1940 schrieb er an den Kunsthistoriker und Freund Will Grohmann:
„Natürlich komme ich nicht von ungefähr ins tragische Gleis, viele meiner Blätter weisen darauf hin und sagen: Es ist an der Zeit.“ (Paul Klee)
Tod und Nachruhm
Am 24. April 1939 stellte Paul Klee ein Gesuch für den Erwerb der Schweizer Staatsbürgerschaft - als Sohn eines Deutschen hatte er diese nie erhalten. Dessen Erhalt sollte der Künstler jedoch nicht mehr erleben. Im Dezember feierte er noch seinen 60. Geburtstag. Das Kunsthaus Zürich richtete eine Jubiläumsausstellung aus, bei der auf ausdrücklichen Wunsch Paul Klees nur "Neue Werke" der Jahre 1935 bis 1940 gezeigt wurden.
Im Mai 1940 trat Paul Klee einen Kuraufenthalt im Tessin an. Im Juni verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Paul Klee starb am 29. Juni 1940 in der Klinik Sant'Agnese in Locarno an Herzversagen.
Klee hinterließ er ein Œuvre von etwa 9.000 Werken, 1.000 davon schuf er in den letzten fünf Lebensjahren. Seine Kompositionen haben in der breiten Öffentlichkeit erstaunliche Popularität erlangt, obwohl sie sich einer einfachen Deutung entziehen. Die erzählerischen Titel laden den Betrachter immer wieder ein, die Bilderfindung mit phantastischen Geschichten zu „erklären“, denn – so einer der bekanntesten Aussprüche des Künstlers: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“
Literatur
- Oliver Kase, »mit Verbindung nach dort oben« – Paul Klees Verteidigung des Metaphysischen, in: Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses, hg. v. Oliver Kase (Ausst.-Kat. Pinakothek der Moderne, München, 1.3.–10.6.2018) München 2018.
- Paul Klee. Mythos Fliegen, hg. v. Ch. Trepesch und Sh. Sangestan (Ausst.-Kat. H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg 23.11.2013–23.2.2014), Berlin / München 2013.
- Paul Klee. Formenspiele, hg. v. Klaus Albrecht Schröder und Susanne Berchtold (Ausst.-Kat. Albertina, Wien, 9.5.-10.8.2008), Ostfildern 2008.
Tod und Nachruhm
Am 24. April 1939 stellte Paul Klee ein Gesuch für den Erwerb der Schweizer Staatsbürgerschaft - als Sohn eines Deutschen hatte er diese nie erhalten. Dessen Erhalt sollte der Künstler jedoch nicht mehr erleben. Im Dezember feierte er noch seinen 60. Geburtstag. Das Kunsthaus Zürich richtete eine Jubiläumsausstellung aus, bei der auf ausdrücklichen Wunsch Paul Klees nur "Neue Werke" der Jahre 1935 bis 1940 gezeigt wurden.
Im Mai 1940 trat Paul Klee einen Kuraufenthalt im Tessin an. Im Juni verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Paul Klee starb am 29. Juni 1940 in der Klinik Sant'Agnese in Locarno an Herzversagen.
Klee hinterließ er ein Œuvre von etwa 9.000 Werken, 1.000 davon schuf er in den letzten fünf Lebensjahren. Seine Kompositionen haben in der breiten Öffentlichkeit erstaunliche Popularität erlangt, obwohl sie sich einer einfachen Deutung entziehen. Die erzählerischen Titel laden den Betrachter immer wieder ein, die Bilderfindung mit phantastischen Geschichten zu „erklären“, denn – so einer der bekanntesten Aussprüche des Künstlers: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“
Literatur zu Paul Klee
- Oliver Kase, »mit Verbindung nach dort oben« – Paul Klees Verteidigung des Metaphysischen, in: Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses, hg. v. Oliver Kase (Ausst.-Kat. Pinakothek der Moderne, München, 1.3.–10.6.2018) München 2018.
- Paul Klee. Mythos Fliegen, hg. v. Ch. Trepesch und Sh. Sangestan (Ausst.-Kat. H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg 23.11.2013–23.2.2014), Berlin / München 2013.
- Paul Klee. Formenspiele, hg. v. Klaus Albrecht Schröder und Susanne Berchtold (Ausst.-Kat. Albertina, Wien, 9.5.-10.8.2008), Ostfildern 2008.
Weitere Beiträge zu Paul Klee
- Zitiert nach Boris Friedwald, Paul Klee, S. 10.
- Paul Klee, Nr. 857 (1909), in: Tagebücher von Paul Klee (1898-1918), hg. v. Felix Klee, Köln 1957, S. 248.
- Werke von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, August Macke, Arnold Schönberg, Robert Delaunay, Henri Rousseau waren zu sehen.
- Zudem waren die Künstler der Brücke, Kasimir Malewitsch, Georges Braque, Pablo Picasso, André Derain zu sehen.
- Zitiert nach Boris Friedwald, S. 84.
- Siehe: Ch. Trepesch, Sh. Sangestan (Hg.), Paul Klee. Mythos Fliegen (Ausst.-Kat. H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg 23.11.2013–23.2.2014), Berlin / München 2013.
- Oliver Kase, »mit Verbindung nach dort oben« – Paul Klees Verteidigung des Metaphysischen, in: Oliver Kase (Hg.), Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses (Ausst.-Kat.Pinakothek der Moderne, München, 1.3.–10.6.2018) München 2018, S. 44.
- Zitiert nach Boris Friedwald, Paul Klee, S. 10.
- Paul Klee, Nr. 857 (1909), in: Tagebücher von Paul Klee (1898-1918), hg. v. Felix Klee, Köln 1957, S. 248.
- Werke von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, August Macke, Arnold Schönberg, Robert Delaunay, Henri Rousseau waren zu sehen.
- Zudem waren die Künstler der Brücke, Kasimir Malewitsch, Georges Braque, Pablo Picasso, André Derain zu sehen.
- Zitiert nach Boris Friedwald, S. 84.
- Siehe: Ch. Trepesch, Sh. Sangestan (Hg.), Paul Klee. Mythos Fliegen (Ausst.-Kat. H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg 23.11.2013–23.2.2014), Berlin / München 2013.
- Oliver Kase, »mit Verbindung nach dort oben« – Paul Klees Verteidigung des Metaphysischen, in: Oliver Kase (Hg.), Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses (Ausst.-Kat.Pinakothek der Moderne, München, 1.3.–10.6.2018) München 2018, S. 44.