Jean-Baptiste Greuze
Wer war Jean-Baptiste Greuze?
Jean-Baptiste Greuze (Tournus 21.8.1725–21.3.1805 Paris) war ein französischer Maler des Rokoko. Er malte Porträts, Genreszenen und Historien, für die er in den 1760er und 1770er Jahren die höchsten Preise erzielte. Zu den Charakteristika von Greuzes Werk gehört eine neue „Sensibilität“ in der Malerei.
Kindheit & Ausbildung
Jean-Baptiste Greuze wurde am 21. August 1725 in Tournus, Saône-et-Loire (Burgund), als sechster Sohn eines Fliesenlegermeisters geboren.
Der Legende nach überzeugte der junge Greuze seinen Vater von seiner natürlichen Begabung für die Malerei, als er ihm eine Federzeichnung des Heiligen Jakobus zeigte, die sein Vater für einen Kupferstich hielt. Greuze wurde nach Lyon geschickt, um bei dem kommerziell erfolgreichen Porträtisten Charles Grandon (1691–1762) zu studieren. Irgendwann vor 1755 verließ Greuze Lyon und ging nach Paris, wo er sein Studium an der Académie royale de peinture et de sculpture fortsetzte.
Über Greuzes frühe Jahre in Paris ist sehr wenig bekannt. Zunächst studierte er Zeichnen an der École Royale de Peinture et de Sculpture bei Charles Joseph Natoire (1700–1777), obwohl dieser Meister des Rokoko wenig Einfluss auf Greuzes stilistische Entwicklung gehabt zu haben scheint. Greuzes erste Unterstützung kam von zwei etablierten Akademikern – Louis de Silvestre (1675–1760, 1752 zum Direktor der Académie ernannt) und dem Bildhauer Jean-Baptiste Pigalle (1714–1785). Vergeblich versuchte Greuze über Silvestre, den Zeichenlehrer bei Hofe, dort ebenfalls eine Anstellung zu bekommen.
Greuze und die Académie
Die Geschichte seiner erfolgreichen Aufnahme in die Reihen der Académie lässt den späteren Widerstand des Malers gegen das akademische Protokoll erahnen. Verärgert über seine ungünstige Stellung im Zeichenstudio verlangte Greuze einen besseren Platz, obwohl er nicht an jenen Wettbewerben teilgenommen hatte, durch die normalerweise die Rangfolge der Platzierung bestimmt wurde. Er wurde aufgefordert, eine Reihe seiner Werke zur Bewertung vorzulegen. Silvestre, der damalige Direktor, fand Greuzes Werke so perfekt, dass er auf der Stelle angenommen und am 28. Juni 1755 zum assoziierten Mitglied ernannt wurde. Im selben Jahr waren Greuzes erste Salon-Erfolge zu sehen:
- „Ein Vater liest seiner Familie aus der Bibel vor“ (Frankreich, Privatsammlung),
- „Der betrogene Blinde“ (Moskau, Staatliches Puschkin-Museum der Schönen Künste),
- „Ein Kind, das auf seinem Buch eingeschlafen ist“ (Montpellier, Musée Fabre) und
- „Porträt von Louis de Silvestre“ (München, Alte Pinakothek).
Über Pigalle wurde Greuze Louis Gougenot, Abbé de Chezal-Benôit (1719–1767), vorgestellt, der für seine Bemühungen, den jungen Künstler zu fördern, mit dem Titel eines Ehrenmitglieds belohnt wurde. Von Ende 1755 bis 1757 reiste Greuze in Begleitung von Gougenot durch Italien. Er hielt sich in Florenz und Rom auf, um antike Kunstwerke zu studieren. In Rom erhielt er dank des Wohlwollens des Marquis de Marigny (1727–1781) und Natoire, dem damaligen Direktor der Académie de France, das Privileg, im Palazzo Mancini, dem Sitz der Académie de France, zu wohnen. Beide Städte fand er jedoch nach eigenen Angaben uninteressant. Deshalb ließ er sich für einige Monate in Neapel nieder. Nach seiner Rückkehr nach Paris wuchs Greuzes Popularität mit jedem Salon weiter.
Im Jahr 1767 ermahnte die Académie royale Greuze, weil er sein lang erwartetes „Morceau de Réception [Aufnahmewerk]“ noch nicht abgeliefert hatte. Zwei Jahre später reichte er „Septimius Severus und Caracalla“ unter dem ausführlichen Titel „Kaiser Septimus Severus wirft seinem Sohn Caracalla vor, ihn in den Gebirgsengen habe ermorden lassen wollen und sagt zu ihm: Wenn du meinen Tod wünschst, so befiehl Papinian, mich mit diesem Schwert umzubringen“ (Musée du Louvre) ein. Greuze wollte damit in der angesehenen Kategorie Historienmalerei an der Académie aufgenommen werden. Er scheiterte jedoch, und der darauffolgende Streit zwischen dem empörten Greuze und seinen Kollegen über die Ablehnung dieses höchst experimentellen Versuchs eines Historiengemäldes im Stil von Nicolas Poussin Stil trübte das Verhältnis des Malers zur Académie unter dem Ancien Régime für immer.
Etwa zu dieser Zeit begann sich auch Greuzes Verhältnis zu einflussreichen Unterstützern wie Denis Diderot (1713–1784) und Pigalle abzuschwächen. Danach weigerte sich der Künstler, im Salon auszustellen, und entschied sich stattdessen dafür, während der Salonsaison private Präsentationen seiner Werke in seinem Atelier zu organisieren.
Trotz Greuzes Schwierigkeiten mit der Académie blühte seine Karriere weiter auf. Er konnte sich so hochrangiger Förderer wie Ange Laurent de La Live de Jully (1725–1779), dem Schwager der Madame d'Epinay , der russischen Kaiserin Katharina II. (reg. 1762–1796) und der Marquise de Pompadour (1721–1764) rühmen. Sein Widerstand gegen die Académie trug wesentlich dazu bei, seinen Ruf als rebellisches Genie zu festigen, was ihm als Marketingtaktik zugutekam.
Greuzes Ehe
Ein Misserfolg, der Greuzes Karriere noch mehr schadete als sein abgelehntes Aufnahmewerk, war seine Ehe. Am 3. Februar 1759, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, heiratete der Maler Anne Marie Babuty, die Tochter des Buchhändlers vom Quai des Augustins, François Babuty, dessen Porträt er 1761 ausstellte. Das Paar hatte zwei Töchter, die spätere Malerin Anna Greuze (16.4.1760–6.11.1842) und Louise Gabrielle Greuze (gestorben am 10.4.1812).
Madame Greuze sollte sich als rachsüchtige und verräterische Partnerin erweisen. Ihre Affären mit Greuzes Modellen und Schülern bedeuteten für ihn sowohl Demütigung als auch Einkommenseinbußen. Greuze reichte am 4. August 1793 die Scheidung ein, die am 4. August 1793 ausgesprochen wurde, und Madame Greuze eine beträchtliche Abfindung zusprach. Greuze rächte sich dafür, indem er eine lavierte Zeichnung mit dem Titel „Die wütende Frau“ schuf, in der Anne-Gabrielle wie eine Furie aussieht (Metropolitan Museum of Art, New York).
Werke
Frühe Werke
Unter der Anleitung von Charles Joseph Natoire entstand 1755 das wohl berühmteste Frühwerk Greuzes, „Le Père de famille expliquant la Bible a ses enfants [Familienvater, seinen Kindern die Bibel auslegend]“.
Eines seiner berühmtesten Werke ist „Der Ehevertrag“ (Musée du Louvre), das im Salon von 1761 ausgestellt und vom Marquis de Marigny gekauft wurde. Das Bild sicherte dem Maler den Platz als Wegbereiter der sensibilité-Malerei des 18. Jahrhunderts.
Späte Werke
Als Greuze 1800 beschloss, seine Werke noch einmal im Pariser Salon auszustellen, war sein Stern schon lange verblasst. Jüngere Nachahmer wie sein ehemaliger Schüler Pierre Alexandre Wille (1748–1821) und Nicolas Bernard Lépicié (1705–1784) hatten Greuze in den Augen der Öffentlichkeit als Maler der Sensibilität abgelöst. 1781 hatte Jacques Louis David (1748–1825) Greuzes gescheiterte Mischung aus Genre- und poussinischer Historienmalerei durch eine kraftvollere Version ersetzt, als er seinen „Belisarius“ (Lille, Musée des Beaux-Arts) ausstellte und von der Kritik gefeiert wurde.
Im letzten Jahrzehnt von Greuzes Leben hatte sich der Geschmack endgültig in Richtung des Klassizismus verschoben. Finanzielle Misswirtschaft, der Zusammenbruch des Ancien Régime und eine kostspielige Scheidung machten Greuze fast mittellos. Um zu überleben, wandte er sich jener Art zuckersüßer „Têtes de Jeunes Filles [Köpfen kleiner Kinder]“ zu, die sein Ansehen bei den Kritiker:innen seither trüben. 1804/05 versuchte Greuze vergeblich, sich mit dem Bild „Der erste Konsul Napoleon“ der neuen Regierung anzudienen. Tragischerweise war der Maler, der in den 1760er und 1770er Jahren in Frankreich und im Ausland einige der höchsten Preise erzielt hatte, bei seinem Tod im Jahr 1805 im Alter von 80 Jahren nahezu mittellos.
Jean-Baptiste Greuze und die Französische Revolution
Von der Französischen Revolution war Jean-Baptiste Greuze anfangs begeistert, bis er durch die politischen Umstände alles Hab und Gut verlor. Nachdem er sein Vermögen in Renten für das Hôtel de Ville investiert hatte, ruinierte die Revolution es völlig. Wie viele seiner Zeitgenoss:innen, hatte der Maler mit Assignaten spekuliert und das Wenige, das er hatte, verloren. Zu dieser Zeit verdiente Greuze seinen Lebensunterhalt fast ausschließlich mit Mal- und Zeichenunterricht. Eine seiner bekanntesten Schülerinnen war Constance Mayer, aber um 1800 wechselte diese in das Atelier von Pierre Paul Prud’hon, einem seiner ewigen Konkurrenten.
Tod
Jean-Baptiste Greuze starb am 21. März 1805 in seinem Haus in der Rue des Fossés Saint Denis, Paris, die entlang des Boulevard de Bonne-Nouvelle verlief. Jacques Dumont und Jean Simon Berthelemy erwiesen ihm als einzige Freunde die letzte Ehre. Jean-Baptiste Greuze ist auf dem Friedhof Montmartre beerdigt.
Literatur zu Jean Baptiste Greuze
- Philip Conisbee, Jean Baptiste Greuze, in: French Paintings of the Fifteenth through the Eighteenth Century, The Collections of the National Gallery of Art Systematic Catalogue, Washington, D.C. 2009, S. 246.
- Emma Barker, Greuze and the painting of sentiment, Cambridge 2005.
- James Thompson, Jean Baptiste Greuze (Ausst.-Kat. MOMA), New York 1990.
- Friedrich Sieburg, Greuze und Diderot, Zürich 1989.
- Angelika Euchner, Untersuchung zum Werk Jean Baptiste Greuzes (1725–1805), insbesondere zu seinen Todesmotiven, Dissertation, Freiburg/B. 1989.
- Anita Brookner, Greuze: The Rise and Fall of an Eighteenth-Century Phenomenon, 1972.
- Camille Mauclair, Greuze et son temps, Paris 1935.