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Wilhelm Lehmbruck. Werke und Leben Mit überlängten Proportionen und Vergeistigung zur expressionistischen Skulptur

Wilhelm Lehmbruck, Kniende, 1911, Kneeling Woman, Bronze, 174,5 × 67,7 × 140 cm Privatbesitz.

Wilhelm Lehmbruck, Kniende, 1911, Kneeling Woman, Bronze, 174,5 × 67,7 × 140 cm Privatbesitz.

Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) wurde mit überschlanken, vergeistigten Figuren in strenger architektonischer Bauweise berühmt. Als erster europäischer Bildhauer ignorierte er die menschliche Proportion, um von einer idealisierten Bildhauerei zum affektgeladenen Leib zu gelangen. Damit eröffnete er dem Menschenbild in der Skulptur völlig neue Darstellungsmöglichkeiten. Gemeinsam mit dem Lehmbruck Museum in Duisburg stellt das Leopold Museum den Bildhauer in einer umfassenden Gesamtschau vor – und Hans-Peter Wipplinger bringt ihn erstmals in Beziehung zu Egon Schiele (1890–1918).

Ausbildung in Düsseldorf (1895–1906)

Nachdem Wilhelm Lehmbruck zwischen 1895 und 1901 an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf ausgebildet worden war, besuchte er von 1901 bis 1906 die Klasse des Bildhauers Karl Janssen an der Kunstakademie. Aus der Studienzeit stammen ein allererstes „Selbstporträt“ (1898), die „Büste einer jungen Dame“ (1901), die Bronzebüste „Grace“ und vor allem die „Badende“ (1902–1905). Alle frühen Werke zeigen, wie sich Lehmbruck mit dem Stilpluralismus der Gründerzeit und dem Neoklassizismus auseinandersetzte. Die Glätte der Oberflächen, die Idealisierung weiblicher Schönheit, die Proportionen der Figuren, die Posen aber auch die Zeitlosigkeit bezeugen die traditionelle Ausbildung, die Lehmbruck in Düsseldorf erhielt.

 

 

Erste Erfolge in Düsseldorf und Paris (1905–1907)

Im Jahr 1906, seinem letzten Studienjahr, gestaltete Wilhelm Lehmbruck ein erstes Porträt seiner späteren Ehefrau Anita, dem mehrere idyllische Mutter-Kind-Gruppen folgten. Am 6. Juni 1908 heiratete er Anita Kaufmann und zehn Monate später wurde er Vater seines ersten Sohnes Gustav Wilhelm, genannt Guwi. In der monumentalen Gruppe beschäftigte er sich nicht nur mit der bevorstehenden Familiengründung, sondern auch der italienischen Hochrenaissance: Erste Zeichnungen mit dem Mutter-Kind-Motiv tauchen schon 1905 auf, als Lehmbruck erstmals nach Italien reiste. Er besuchte Mailand, Genua, Pisa, Florenz, Rom, Neapel und Capri. Vor allem das bildhauerische Werk von Michelangelo Buonarroti (1475–1564) faszinierte den angehenden Künstler, womit er sich neuerlich der vorherrschenden Meinung seiner Zeit unterwarf. Die Nacktheit von Mutter und Kind steht in der klassischen Tradition und verhindert, dass die soziale und wirtschaftliche Realität thematisiert werden. Hierin zeigt sich auch der größte Unterschied zu Lehmbrucks etwa 14 Jahre älteren Zeitgenossin Käthe Kollwitz (1867–1945). Die Marmorversion wurde 1907 am „Salon der Société nationales des Beaux-Arts“ (14.4.-30.6.) in Paris präsentiert, wo sie Lehmbruck auch selbst sehen konnte. Schon zwei Jahre zuvor erwarb die Düsseldorfer Akademie die „Badende“ für ihre Schülersammlung. Aufträge für Porträts und Grabplastiken, in denen er sich mit der „Stilkunst“ von Symbolismus und Jugendstil beschäftigte, ermöglichten dem angehenden Künstler ein finanzielles Auskommen.

 

 

Stilsuche zwischen Rodin, Maillol und der internationalen Avantgarde (1906–1910)

In den Jahren nach dem Studium suchte Wilhelm Lehmbruck nach einem zeitgemäßen Ausdruck in seinen Skulpturen. Einflüsse von Künstlern wie Constantin Meunier, Adolf von Hildebrand, Donatello und Michelangelo Buonarroti sowie den Franzosen Jean-Baptiste Carpeaux und Auguste Rodin sind zweifelsfrei nachzuvollziehen und in der Ausstellung im Leopold Museum anhand einiger Werke dargestellt. Ab 1906 weilte der Bildhauer aus Duisburg jährlich in Paris, um sich mit den neuesten Trends und Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

 

 

Bereits im Jahr 1904 hatte der Student Wilhelm Lehmbruck Werke von Auguste Rodin (1840–1917) auf einer Ausstellung in Duisburg kennengelernt. Begeistert schrieb er nach dem Ausstellungsbesuch sogar ein Gedicht auf den „Kuss“ des Pariser Bildhauers. Die im Leopold Museum präsentierte „Fliegende Figur“ (um 1890/91, Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Mochary Foundation) bewegt sich charakteristischerweise heftig, hat buckelige Haut und ist extrem fragmentiert. Wenn sich Lehmbruck als angehender Künstler intensiv mit dem Werk Rodins auseinandersetzte, so distanzierte er sich doch im Laufe der folgenden Jahre zunehmend von seinem Vorbild. Zeitgenossen wie Aristide Maillol, Constantin Brancusi oder auch Amedeo Modigliani wurden ab 1907 immer wichtiger für seine Formfindungen. Vor allem Aristide Maillol könnte für die zunehmend massiven Körper mit den eigentümlich kleinen Köpfen mitverantwortlich gewesen sein. Der Pariser Bildhauer ist für üppige, teils erotisch aufgeladene Frauendarstellungen berühmt, die als ruhige Figuren mit geschlossenen Konturen und straffer Haut konzipiert sind.

 

 

Im Vergleich zu Ernst Barlach (1870–1938), der in dieser Ausstellung nicht präsentiert wird, spielt bei Wilhelm Lehmbruck auch weiterhin die Nacktheit eine wichtige Rolle. Während Barlach ab etwa 1906 seine Gewandfiguren einerseits verblockt und andererseits expressiv-dynamisch gestaltet, ist für seinen Duisburger Zeitgenossen der menschliche Leib das einzig legitime Ausdrucksmittel für zunehmend vergeistigte Figuren.

 

Das Bild der Frau

Ab 1908 wandte sich Wilhelm Lehmbruck dem Bild der Frau im Sinne einer entpersönlichten, metaphorischen Figur zu. Das „Mädchen mit aufgestütztem Bein“ (1910, Galerie Schwarzer, Düsseldorf) steht in der Nachfolge der figura serpentinata, der in sich gedrehten Figur in der Hoch- und Spätrenaissance. Im Jahr 1908 hatte Lehmbruck Anita geheiratet, die ihm in den folgenden Jahren für viele Akte Modell stand.

„Alle Kunst ist Maß, Maß gegen Maß, das ist alles. Die Maße, oder bei Figuren die Proportionen, bestimmen den Eindruck, bestimmen die Wirkung, bestimmen den körperlichen Ausdruck, bestimmen die Linie, die Silhouette und alles. Daher muss eine gute Skulptur wie eine gute Komposition gehandhabt werden, wie ein Gebäude, wo Maß gegen Maß spricht, daher kann man auch nicht das Detail negieren, sondern das Detail ist das kleine Maß für das Große.“1 (Wilhelm Lehmbruck)

„Die Stehende“ (1910) ist die erste überlebensgroße Ausführung einer Frauengestalt im Werk Lehmbrucks. Sie ist freistehend und allansichtig, muss also umrundet werden. Ihr strenger Formenaufbau ist Prinzipien der Skulptur seit der Klassischen Antike Griechenlands verpflichtet: Stand- und Spielbein werden unterschieden und festgelegte Proportionen – von Wilhelm Lehmbruck als „Maß“ bezeichnet - bestimmen die Körperformen. Eine leichte Drehung und der gesenkte Kopf brechen die strenge Tektonik des Körpers auf. Mit ihrer rechten Hand greift die jugendliche Schönheit nach dem feinen Tuch, das sich so eng an die Beine anschmiegt, dass es die Körperformen mehr betont als verhüllt.

 

 

Der „Frauenkopf“ (1911) ist ein Ausschnitt der „Großen Stehenden“ von 1910, von der er leicht oval „abgesägt“ wurde. Diese Büste ist das erste wichtige Teilstück aus Lehmbrucks Werk. Er begann sich 1910/11 mit dieser Fragestellung zu beschäftigen, indem er die Büste auf Kopf, Hals und Schulteransatz reduzierte. Darüber hinaus sind von diesem „Geneigten Frauenkopf“ mehrere Varianten in unterschiedlichen Materialien bekannt: Lehmbruck arbeitete in Terracotta, verschieden gefärbtem Steinguss, Bronze und Marmor. Zusätzlich fasste er seine Skulpturen farbig, um ihre Wirkung zu lenken.

 

 

Die Marmorfassung der „Stehenden weiblichen Figur“ stammt aus dem Jahr 1912 und wurde für Frau Geheimrat Theodor von Böninger gefertigt, die sie dem Museumsverein in Duisburg schenkte. Damit war der Grundstein für die Lehmbruck-Sammlung gelegt, die in den 1920er Jahren durch den ersten Direktor des Lehmbruck-Museums, August Hoff, um bedeutende Leihgaben von der Familie und Sammlern erweitert werden konnte. Nach der Diffamierung des reifen Werk von Lehmbruck durch die Nationalsozialisten und dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sammlung in Duisburg wiederbegründet. Heute besitzt das Lehmbruck Museum nahezu das Gesamtwerk des Künstlers.

 

 

Internationaler Durchbruch und Vorkriegsjahre in Paris (1910–1914)

„Ich finde bei einigen jungen Künstlern aus den verschiedensten Ländern dieses allgemeine Gefühl, trotzdem sich ihre Werke untereinander ganz verschieden darbieten, und dieses Gefühl wird sie leiten zu einem neuen zeitgemäßen Ausdruck: zu einem Stil unserer Zeit.“2 (W. Lehmbruck)

Zwischen 1910 und 1914 lebte Wilhelm Lehmbruck in Paris, wo er im Café du Dôme und Künstlerateliers endlos mit Amedeo Modigliani, Constantin Brancusi, Alexander Archipenko aber auch mit Künstlern der deutschen Kolonie (meist in Ausbildung bei Henri Matisse!) über die neue Kunst diskutieren konnte. Ab 1910 entstanden jene expressionistischen Plastiken, die heute als Inbegriff deutscher Skulptur des frühen 20. Jahrhunderts gelten: Überlängte Proportionen spielen neben Vielansichtigkeit eine große Rolle. Wie radikal dieses Menschenbild war, zeigen Vergleiche mit Zeichnungen von Egon Schiele. Wohl auch aus diesem Grund stellte Karl Ernst Osthaus Egon Schiele und Wilhelm Lehmbruck 1913 erstmals gemeinsam aus. Als Gründungsmitglied der Freien Sezession Berlin, verkehrte Lehmbruck auch nach seiner Übersiedlung mit den wichtigsten deutschen Künstlern, war Jurymitglied und stellte regelmäßig in der Hauptstadt aus.

 

„Kniende“ (1911)

Die „Kniende“ (1911) gilt als Lehmbrucks wichtigste Skulptur. Schlanke und überlängte Körperteile, ein instabiles Knien, die kerzengerade Haltung des Körpers, gesenkter Blick - der Abstraktionsgrad der Figur ist noch höher als in den früheren Arbeiten. Die „Knienden“ erzählt nichts mehr, auch wenn bereits viel darüber diskutiert wurden, ob sie den Verkündigungsengel oder die Madonna darstellen würde. Sie wäre „gotisch“, meinte der wichtige deutsche Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe in einer ersten Reaktion. Irritiert durch den radikalen Bruch Lehmbrucks mit seinen antikisch-ruhigen Figuren lehnte Meier-Graefe anfangs die „Kniende“ ab. Der Begriff des „Gotischen“ war auch auf die schmalen Knabendarstellungen von George Minne (1866–1941) angewandt worden.

Die Ausstellungsgeschichte dieser Skulptur bezeugt ihre hohe Bedeutung für das Werk Lehmbrucks: Ein Steinguss-Exemplar wurde bereits im Pariser Herbstsalon 1911 gezeigt, ein weiteres auf der Sonderbundausstellung 1912 in Köln und auf der berühmten Armory Show 1913 in New York, Chicago und Boston. In Amerika wurde Wilhelm Lehmbruck als französischer Künstler wahrgenommen, Besuchere_innen konnten Repro-Fotografien von der Skulptur erwerben. Da die Skulptur nicht verkauft wurde, sandte man sie dem Künstler nach Paris zurück. Während des Transports wurde sie beschädigt, worauf Wilhelm Lehmbruck sie nicht mehr akzeptierte und stattdessen die Kiste im Lager des Transportunternehmens Charles Pottier zurückließ. Erst 1938 ließ der Direktor der Albert-Knox Art Gallery in Buffalo (NY), Gordon B. Washburn, nach ihrem Verbleib suchen. Die „Kniende“ wurde noch an Ort und Stelle bei Pottier gefunden und für den Mietpreis von 2.800 Francs ausgelöst.

Nachdem eine Bronze-Fassung der „Knienden“ Mitte der 1920er Jahre in Duisburg in einem Park aufgestellt worden war, wurde sie von der Bevölkerung heftig abgelehnt und beschädigt. Während des Nationalsozialismus war der expressionistische Lehmbruck als „entartet“ klassifiziert und diese Skulptur in der gleichnamigen Femeausstellung positioniert. Die Rehabilitation Lehmbrucks und mit ihm der Moderne erfolgte in Deutschland mit der ersten Documenta in Kassel 1955. Auf dieser Ausstellung fand die „Kniende“ endgültig als zentrales Werk der Lehmbruck-Präsentation Platz.

Die „Kniende“ ist ein Prototyp für die expressionistische Skulptur: Die Figur wird zur Ausdrucksträgerin für geistig-psychische Vorgänge im Menschen. Dass der Sammler und Museumsgründer Karl Ernst Osthaus im Museum Folkwang 1912 gerade Wilhelm Lehmbruck und Egon Schiele zu einer Doppelausstellung zusammenbrachte, hatte also nicht nur formale Gründe. Beide stellten anhand ihrer asketischen Körperschilderungen ein neues Menschenbild zur Diskussion.

 

 

Wilhelm Lehmbruck als Maler (1910–1919)

Wilhelm Lehmbruck beschäftigte sich wohl seit seiner Studienzeit mit Malerei. Die erhaltenen etwa 80 Gemälde und großformatige Zeichnungen datieren jedoch erst in die Pariser Zeit, also nach 1910. Lehmbruck setzt in den Gemälden biblische Geschichten in dichten Kompositionen um. Die Farbigkeit seines malerischen Werks ist generell sehr gedeckt. Sein Umgang mit dem Bibeltext wie auch der traditionellen Ikonografie ist äußerst frei und eigenwillig. Hans-Peter Wipplinger stellt nur wenige der Gemälde den Skulpturen gegenüber. Hier zeigen sich durchaus formale Dialoge zwischen dem plastischen und dem malerischen Werk.

 

 

„Große Sinnende“ (1913)

Die „Große Sinnende“, ein überlebensgroßer Akt, ist die letzte ganzfigurige Frauendarstellung im Werk Lehmbrucks. Nach 1913 beschäftigte sich der Künstler nur noch mit Fragmenten weiblicher Körper, während Männer- und Jünglingsdarstellungen ganzfigurig blieben. Lehmbruck fügte hier die einzelnen Körperteile wie eine kubistische Konstruktion zusammen. Hals und Kopf sind gelängt, was einmal mehr Lehmbrucks Auseinandersetzung mit Körperproportionen von Amedeo Modigliani und Constantin Brancusi geschuldet ist. Wichtig ist die Differenzierung von Stand- und Spielbein, der die beiden hinter dem Körper verschränkten Arme entgegengehalten werden. Über ihre Körperhaltung strahlt die „Große Sinnende“ Offenheit und Ruhe aus. Aber aufgrund ihrer Größe – die Figur ist mit Sockel 2 Meter 11 groß (!) - nimmt sie keinen Augenkontakt auf, obwohl sie gerade nach vor blickt. Oder vielleicht doch mehr in sich hinein? Wilhelm Lehmbruck erarbeitete oft Figuren, deren Augen gesenkt oder gar geschlossen sind. Dadurch vermittelte er den Eindruck, als ob sie in sich hineinhorchen würden. Die monumentale Größe der „Großen Sinnenden“, die sie ebenso der Sphäre der Betrachter entzieht, lässt diese Frauendarstellung ganz auf sich selbst bezogen und distanziert erscheinen.

 

„Emporsteigender Jüngling“ (1913/14)

Hoch aufgerichtet steht die asketisch ausgezehrte Männerfigur im Raum, seinen linken Fuß hat er auf einen Erdklumpen gesetzt. Er erinnert rudimentär an die „Große Kniende“ und oft wird seine Nähe zur „Großen Sinnenden“ betont, mit der er in Dialog treten könnte, auch wenn der Künstler beide Figuren unabhängig voneinander schuf. Im Leopold Museum stehen sie einander zwar gegenüber, Hans-Peter Wipplinger hat den „Emporsteigenden Jüngling“ leicht schräg gestellt, um Trotz Nähe eine Distanz zwischen beiden aufzubauen.

Formal gesehen, bilden die Arme vor dem Körper eine Art Rahmen: Mit der Linken trennt Lehmbruck Ober- von Unterkörper in der Höhe der Taille. Mit dem rechten Arm weist sich der Jüngling selbst – und uns (?) – den Weg in die Höhe. Doch hilft der Erdklumpen wirklich, diese höheren Sphären zu erreichen? Oder ist er nicht vielmehr ein Symbol für die Erdverbundenheit des Jünglings!? Auch der zum Boden gesenkte Blick signalisiert keine Aufbruchsstimmung. Trotz innerer Zerrissenheit bleibt die Figur ruhig und nachdenklich, fast melancholisch. Lehmbruck vermittelt glaubhaft die Spannung zwischen „nach oben Wollen“ und dennoch dem Irdischen verhaftete Sein.

 

Wilhelm Lehmbruck und der Erste Weltkrieg (1914–1919)

Eigentlich wollte Lehmbruck nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Die erste Einzelausstellung hatte interessanterweise keine deutsche, sondern eine Pariser Galerie ausgerichtet: Bei Levesque & Cie stellte Lehmbruck noch am Vorabend des Ersten Weltkriegs, im Juni 1914, sein Schaffen zur Diskussion. Nach Kriegsausbruch mussten Wilhelm Lehmbruck und seine Familie binnen weniger Tage nach Deutschland zurückkehren und sein gesamtes Werk zurücklassen. Schon im ersten Jahr des vernichtenden Kriegs beschäftigte er sich mit dem „großen Sterben“. 1915 wurde er in Berlin als Sanitäter im Lazarett eingesetzt.

Wenn auch in zunehmender Isolation in Zürich und Berlin konnte Wilhelm Lehmbruck während des Ersten Weltkriegs sein Werk weiterentwickeln. Er war von Mitte Jänner bis Mitte März 1916 als Kriegsmaler nach Straßburg geschickt worden. Da Lehmbruck schwerhörig war, und der bedeutende Berliner Maler Max Liebermann sich für ihn einsetzte, wurde der Bildhauer vom Kriegsdienst freigestellt. Während des Kriegs lebte Lehmbruck in Zürich und in Berlin in ärmlichen Verhältnissen.

 

„Der Gestürzte“ (1915)

Am 10. November 1914 hatten deutsche und französische Infanteristen die Schlacht von Langemarck ausgefochten. Die Heeresführung stilisierte den Tod von 2.000 jungen, schlecht ausgebildeten und miserabel ausgerüsteten Soldaten zum „heldenhaften Opfergang junger Soldaten“. Die Heeresleitung propagierte die verlustreiche Schlacht als moralischen Sieg Deutschlands. In diesem Sinne wollte auch die Stadt Duisburg einen Ehrenfriedhof für ihre Gefallenen errichten und schrieb einen Wettbewerb aus. Die Stadtväter wünschten sich einen „Siegenden Siegfried“ als Symbolfigur ihres Kriegerdenkmals und luden Wilhelm Lehmbruck als den bekanntesten Bildhauer der Stadt zum Wettbewerb ein.

Lehmbruck weigerte sich, an der aus seiner Perspektive falschen Heldenverehrung teilzunehmen. Stattdessen gestaltete er selbständig einen „Gestürzten“ (1915) mit Schwert. Auf allen Vieren kriecht der Nackte am Boden und präsentiert seinen Nacken. Ohne Uniform ist nicht einmal seine Nationalität erkennbar. Das Schwert ist im Stellungskrieg nutzlos geworden, der heldenhafte Zweikampf einem Vernichtungsfeldzug gewichen. Möglicherweise drückte Wilhelm Lehmbruck mit dieser Skulptur nicht nur seine Haltung zu Krieg und Heldenverehrung aus, sondern beschrieb sich selbst und seine Position als Künstler.

 

„Kopf eines Denkers“ (1918)

Wie lässt sich Denken darstellen? Wilhelm Lehmbruck beschäftigt sich in dieser männlichen Büste mit einem Thema, das Rodin in seiner berühmten Skulptur „Der Denker“ bereits angestoßen hatte. Lehmbrucks Schriftstellerfreund Fritz von Unruh erinnerte sich an eine Aussage des Bildhauers zu diesem Kopf:

„Sehen Sie, das ist meine Konzeption eines Denkers. Rodins „Penseur“ ist so muskulös wie ein Boxer. […] Was wir Expressionisten suchen, ist: präzis aus unserem Material den geistigen Gehalt herausziehen; seinen äußersten Ausdruck [zu gewinnen].“ (Wilhelm Lehmbruck)

Im Gegensatz zur athletischen Gestalt vom Franzosen reduzierte Lehmbruck den Nachdenkprozess auf den „Kopf eines Denkers“ mit weit auskragenden Schultern, brutal abgeschnittenen Armstümpfen und der Andeutung von zwei Fingern der linken Hand. Lehmbrucks Werk stellt sich als ein offener Prozess dar, als ein Ausloten der Möglichkeiten zugunsten einer individuellen Expressivität. Die Verdichtung und Reduktion des Körpers auf das Wesentliche führte bei Lehmbruck zur Auffassung, dass der Leib die Seele widerspiegelte (und vice versa). Jede von ihm erdachte Gebärde ist ein verkörperlichter Hinweis auf eine Seelenregung.

Gemeinhin wird der „Kopf des Denkers“ als metaphorisches Selbstbildnis des Künstlers gedeutet. Lehmbruck litt in diesen Jahren unter dem, wie er meinte, herrschenden Materialismus seiner Zeit. Für ihn fühlte es sich an, als ob der geistig Schaffende dadurch zerquetschen würde. Es ist wohl kein Zufall, dass Lehmbruck wenige Monate vor seinem Selbstmord in Beisein des Schriftstellers eine Fassung dieses Kopfes mit einem Hammer zerschlug. In der „Wölbung des Stirnschädels“ sah von Unruh die „Gedankenwelt zur Dominante des Lebens“ erhoben.

 

Späte Porträtbüsten (1918/19)

Die späten Büsten von Wilhelm Lehmbruck dokumentieren eine neuerliche Stiländerung, die durch das Studium ägyptischer Kunst ausgelöst wurde. Eine Radierung nach einer ägyptischen Statue aus den Kapitolinischen Museen im Vatikan ist bereits aus dem Jahr 1912 überliefert. Gleichzeitig hatte Lehmbrucks Freund Amedeo Modigliani in immer neuen Vereinfachungen zu schwingenden Konturen gefunden und sie in seinen Darstellungen zur Karyatiden ausformuliert. Im Gleichklang mit seinem ebenfalls früh verstorbenen Freund erprobte Lehmbruck im Porträt einen höheren Grad an Abstraktion.

Angeblich hat Wilhelm Lehmbruck Clara Burger während eines Konzerts in Zürich entdeckt. Der Bildhauer war sofort von ihrem eleganten Hals fasziniert und bat sie, für ihn Modell zu sitzen. Resultat dieser Zusammenarbeit sind zwei Köpfe über kubischen Podesten. Die zweite Fassung „Porträt Clara Burger“ aus dem Jahr 1918 zeigt eine Strenge und Reduktion, die neu im Werk von Lehmbruck ist.

Ähnlich ist auch die „Porträtmaske Sally Falk“ (1916) aufgebaut. Wilhelm Lehmbruck lernte Ende März 1916 das Mannheimer Ehepaar Falk kennen, das in den folgenden eineinhalb Jahren über die Galerie Paul Cassirer die größte geschlossene Zahl an Lebzeitgüssen von Lehmbruck erwarb. Insgesamt hat Lehmbruck das Sammlerehepaar in drei Porträts und einer Porträtstatuette verewigt.

 

 

Nachruhm

Wilhelm Lehmbruck hinterließ sein Werk ungeordnet und zum Teil unvollendet. Es ist das Verdienst von Anita Lehmbruck und ihren Söhnen, das Lebenswerk zusammengehalten und dem Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg anvertraut zu haben.

Paul Westheim, ein wichtiger Verteidiger von Lehmbrucks expressionistischem Figurenstil, gedachte nach dessen Selbstmord am 25. März 1919 erstmals den Errungenschaften seines Freundes. In der 1920 erschienen, ersten Monografie würdigte er das Werk des 38jährigen Künstlers, weil es Grenzen geöffnet hatte.

„Das Werk ist nicht allein als Werk bedeutsam; was in ihm vielleicht noch mehr geschätzt wird, ist die Kraft, neue Energien zu entfesseln, neuem Geist und neuen Möglichkeiten des Ausdrucks zur Auswirkung zu verhelfen. Der Wagemut, die Frische und Unbekümmertheit, von denen die Generationen der Reife noch zu zehren haben, werden über alles gesetzt und bleiben schließlich auch das Denkwürdige […].“ (Paul Westheim)

 

„Dank an Wilhelm Lehmbruck“ – eine Rede von Joseph Beuys anlässlich der Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises am 12. Januar 1986

Um das Andenken an Wilhelm Lehmbruck zu feiern, lobte die Stadt Duisburg 1966 den Wilhelm-Lehmbruck-Preis aus. Bis 2006 haben ihn namhafte Künstler erhalten, darunter Eduardo Chillida, Jean Tinguely, Claes Oldenburg, Richard Serra, Richard Long, gefolgt von Nam June Paik und als Letzter 2006 Reiner Ruthenbeck. Im Jahr 1986 erhielt Joseph Beuys (1921–1986) die begehrte Auszeichnung. Am 12. Januar hielt er anlässlich der Preisverleihung eine denkwürdige Rede, in der Beuys erstmals vom Einfluss Lehmbrucks auf seine Kunst sprach. Elf Tage später verstarb Beuys, wodurch die Rede zu einer Art von Vermächtnis des Künstlers wurde.

„Ich möchte meinem Lehrer Wilhelm Lehmbruck danken.“ Dem 17-jährigen Beuys war 1938 ein Büchlein über Wilhelm Lehmbruck in die Hände gefallen. Der Katalog der Gedächtnisausstellung des gerade verstorbenen Lehmbruck in der Galerie Paul Cassirer in Berlin 1920 entfachte das Interesse des Jugendlichen für die Plastik. Beuys sah in den Skulpturen des Expressionisten, wie dieser nicht nur „physisches Material, sondern seelisches Material“ gestaltete. Lehmbruck meinte „etwas Innerliches“. Beuys folgerte daraus „Alles ist Skulptur“ – und „Denken ist bereits Plastik“. Diese Zuspitzung Lehmbruckscher Experimente zur „Sozialen Plastik“ war nicht ohne Rudolf Steiners Versuch einer politischen Bildung möglich. Dass Wilhelm Lehmbruck auch noch kurz vor seinem Selbstmord am 25. März 1919 zum Unterstützer-Komitee des Anthroposophen gehörte, lässt die „Väter“ von Joseph Beuys zu Propheten eines neuen sozialen Organismus werden. Die Welt sollte nach Lehmbruck, Steiner und Beuys wieder menschlich gemacht werden. Der Nachkriegskünstler war beiden zu tiefem Dank verpflichtet!

 

 

Wilhelm Lehmbruck im Leopold Museum

Die erste von Hans-Peter Wipplinger kuratierte Ausstellung für das Leopold Museum besticht vor allem durch den Vergleich des deutschen Bildhauers mit Egon Schiele (1890–1918). Die beiden verbindet nicht nur die Zeitgenossenschaft, Lehmbruck war um neun Jahre älter als Schiele und setzte seinem Leben sieben Monate nach dem Grippetot des Wieners selbst ein Ende. Einige ausgewählte Zeichnungen des Wiener Expressionisten lassen sich perfekt mit den vergeistigten Figuren von Lehmbruck vergleichen – auf der formalen Ebene Hier fanden sie in der Konzentration auf den nackten Körper. Beide beschäftigten sich mit einem neuen Menschenbild, das in Wien ab 1909/10 in den Werken von Oskar Kokoschka und Egon Schiele auch in Auseinandersetzung mit dem Thema Krankheit entwickelt wurde: Schiele hatte die Möglichkeit kranke Schwangere und neugeborene Kinder im AKH als Modelle verwenden zu können. Kokoschka wandte sich psychisch labilen Personen in Steinhof zu. Auffallend ist dennoch, dass keiner der beiden Wiener Künstler den Weg nach Paris gefunden hat, der sich für Lehmbruck als so lehrreich erwies. Während Kokoschka in seinen Porträts eine völlig neue Auffassung von Repräsentation fand, wandten sich Schiele und Lehmbruck dem Menschen an sich zu. In Begriffen wie Melancholie, Einsamkeit und Sehnsucht treffen sich die beiden Expressionisten. Vor allem Schieles vereinsamte, wenn auch manchmal exaltiert-tänzerische Figuren vor blankem Papier und Lehmbrucks stoische, maskenhafte Gestalten verweisen auf ein Sein jenseits des körperlichen bzw. kreatürlichen Existierens.

 

 

Das ist auch der Moment, warum Berlinde De Bruyckeres Skulpturen (→ Berlinde De Bruyckere im Gespräch mit Alexandra Matzner) neben Lehmbruck Sinn machen. Noch radikaler als Lehmbruck betreibt sie die Fragmentierung der Körper beide Künstler lassen sich von Malerei inspirieren und suchen den passenden Ausdruck für Affekte, Denkprozesse. De Bruyckeres Arbeiten sprechen jenes Herz direkt an, das Lehmbrucks „Denker“ mit seiner Hand berührt.

Prädikat: Äußerst sehenswert!

 

 

 

Lehmbruck Museum in Duisburg

1912 Bestellung der Marmorfassung der „Stehenden weiblichen Figur“ (1910).
1915 Gescheiterter Versuch, Lehmbruck für die Teilnahme am Wettbewerb für eine Kriegerfigur auf dem Ehrenfriedhof am Kaiserberg zu animieren.
1925 Erste Lehmbruck-Ausstellung (15.5.-15.6.), kuratiert von August Hoff, dem ersten Direktor (1924-1933) des 1902 gegründeten Duisburger Museumvereins. Hoff kaufte Lehmbrucks Skulpturen ab 1925 (war von der Folkwang-Idee des Karl Ernst Osthaus begeistert).
1926 schenkt der Kunstsammler Carl Nolden 74 Werke vor allem der Frühzeit.
1934 Ausstellung des Werkes im Erdgeschoss der Oberbürgermeister-Lehr-Villa, Königsstraße 21 (1958 abgerissen).
1937 Beschlagnahmung der expressionistischen, reifen Arbeiten durch die Nationalsozialisten
1942 Bis zum Juli war die Lehmbruck-Sammlung kontinuierlich zugänglich, danach wurde sie vor den Bombenangriffen in Sicherheit gebracht und eingebunkert.
1964 Eröffnung des Lehmbruck Museums, das von dessen Sohn Manfred geplant worden war.
Im März 1987 eröffnete der Erweiterungsbau.
Die Sammlung des Lehmbruck Museums in Duisburg umfasst zumindest je eine Fassung der 90 erhaltenen Skulpturen, 42 (von 80) Gemälden und bildmäßigen Zeichnungen sowie rund 1000 (von ca. 1100) Zeichnungen und nahezu das gesamte druckgrafische Werk von 183 Radierungen und 17 Lithografien.

 

Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg

1966 Eduardo Chillida
1971 Norbert Kricke
1976 Jean Tinguely
1981 Claes Oldenburg
1986 Joseph Beuys
1991 Richard Serra
1996 Richard Long
2001 Nam June Paik
2006 Reiner Ruthenbeck

 

Biografie von Wilhelm Lehmbruck (1881–1919)

Am 4. Januar 1881 wurde Wilhelm Lehmbruck als Sohn des Tagelöhners Johann Wilhelm Lehmbruch und dessen Frau Margareta Elisabeth in Meiderich (1904 zu Duisburg eingemeindet) geboren. Die Familie besaß ein Haus mit Stall und großem Grundstück. Der evangelisch getaufte Wilhelm Lehmbruck hatte fünf Geschwister, die alle als Säuglinge starben.
1887–1895 Besuch der Volksschule in Meiderich. Seine guten Leistungen wurden durch den Zeichenlehrer unterstützt. Empfehlung zu einer kunsthandwerklichen Ausbildung.
1894 Ältestes erhaltenes Schulheft mit Studien von Blumenornamenten und Nachzeichnungen von Denkmälern aus Schulbüchern.
1895–1901 Aufnahme an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule (angeblich mit einer kleinen Nachbildung des Reiterstandbildes des Großen Kurfürsten, wahrscheinlicher eine Aufnahmeempfehlung seines Zeichenlehrers). Kleines Stipendium der Gemeinde in den 1890er Jahren. Nur einige kleine Studien nach Blumen erhalten. Verdiente ein wenig Geld durch die Anfertigung einer Nachbildung des Reiterstandbildes von Grupellos, „Jan Wellem“ von 1711. Entwürfe für Silberwarenfabriken, anatomische und botanische Studien für wissenschaftliche Studien. Unterricht im Lehrauftrag durch Fachkräfte der Düsseldorfer Kliniken.
1901 Bildhauerstudium an der konservativen, aber an Gipsabgüssen reichen Düsseldorfer Akademie, wo nur wenige Studenten studierten (bis 1906). Ausbildung durch den Düsseldorfer Bildhauer Karl Janssen (1855–1927) im Stilpluralismus der Gründerzeit und im Neoklassizismus.
1902 Studienreise in den Harz.
1903 Rhein-Moselfahrt mit Studienkollegen.
1904 Besuch der Internationalen Kunstausstellung in Düsseldorf, die erstmals Gegenwartskunst in die Stadt brachte. Erste Begegnung mit Werken von Auguste Rodin (darunter dessen „Kuss“) und Bartholomé, die Wilhelm Lehmbruck nachhaltig beeinflussten. Im September erste Reise nach Holland, Belgien und England. Mehrere Aufträge und Verkäufe z. T. über die Akademie.
1905 „Die Badende“ wurde von der Düsseldorfer Akademie für die Schülersammlung erworben. Von Mai bis Juni über München erste Italienreise: Mailand, Genua, Pisa, Florenz, Rom, Neapel und Capri. Kopie nach Grupellos „Jan Wellem“.
1906 Ende des Jahres schloss Lehmbruck sein Studium ab, nutzte noch sein gratis Atelier an der Akademie, die Modelle und die Gießerei. In der „Deutschen Kunstausstellung Köln“ präsentierte er einen Bronzeguss von der „Badenden“ (1902).
1907 Von 14. April bis 30. Juni mit vier Werken Ausstellungsbeteiligung am „Salon der Société nationales des Beaux-Arts“ und Reise nach Paris, entdeckte wohl die Skulpturen von Aristide Maillol. Richtete sich im Frühjahr ein eigenes Atelier in der Florastraße 2 ein. Beitritt zur „Vereinigung Düsseldorfer Künstler“. Wichtige Einnahmequellen waren Porträtaufträge und Grabplastiken. Erste Ausstellungsbeteiligung mit vier Werken auf der Deutsch-Nationalen Kunstausstellung in Düsseldorf.
1908 Ausstellungsbeteiligung am Salon der Société nationales des Beaux-Arts und Reise nach Paris. Heiratete Anita Kaufmann (6.6.).
1909 Geburt des ersten Sohnes Gustav Wilhelm, genannt Guwi (11.3.). Ausstellungsbeteiligung am Salon der Société nationales des Beaux-Arts. Kontakt zu Karl Ernst Osthaus, Lehmbruck porträtierte dessen Sohn Manfred 1912. Der „Kleine weibliche Torso“ (oder „Hagener Torso“, frühester gesicherter Steinguss) wurde von Osthaus angekauft. Porträtierte die Ehefrau des Sammlers Carl Nolden. Teilnahme an der Ausstellung „Christliche Kunst“.
1910 Anfang April Umzug nach Paris, wo er im Künstlerviertel Montparnasse lebte. Unterstützt wurde Lehmbruck dabei finanziell durch den Düsseldorfer Sammler Carl Nolden. Anita Lehmbruck erteilte Sprachunterricht und übernahm bei Ausstellungen den geschäftlichen Teil. Kontaktaufnahme mit Rodin. Vollendete „Stehende weibliche Figur“, mit der er sich am Salon der Société nationales des Beaux-Arts beteiligte, sowie „Der Mensch“. Anstelle von Rodins Werk wurde Aristide Maillol wichtig. Lehmbruck beschäftigte sich erstmals mit Malerei. Freundschaft mit Alexander Archipenko und André Dunoyer de Segonzac. Traf im Café du Dome Henri Matisse, Pablo Picasso, Fernand Léger, André Derain, Rudolf Levy, Amedeo Modigliani, Constantin Brancusi.
1911 Ausstellungsbeteiligung am „Salon der Société nationales des Beaux-Arts“ und im April am „Salon des Artistes Indépendants“, wo er im Saal 41 gemeinsam mit den Kubisten präsentiert wurde. „Die große Kniende“ gilt als Durchbruch Lehmbrucks zu seinem persönlichen Stil. Im Herbst Umzug in das Zentrum von Montparnasse.
1912 Lehnte eine Berufung an die Sächsische Akademie der schönen Künste in Weimar ab. Auftrag des Duisburgers Museumsvereins, eine Marmorversion der „Stehenden weiblichen Figur“ (1910) auszuführen. Damit war der Grundstein zur Lehmbruck-Sammlung der Stadt Duisburg gelegt. Zweite Italienreise nach Carrara, um den passenden Marmor für den Auftrag auszusuchen, weiter nach Florenz und Rom. Zeigte erstmals mehrere Kaltnadelradierungen am Salon des Artistes Indépendants. Von April bis Juli Ausstellung im Folkwang-Museum. Ausstellungsbeteiligung am Kölner Sonderbund, wo er auch Gemälde präsentierte. Ende September traf er den Maler Walt Kuhn, Sekretär der amerikanischen Künstlervereinigung, um über seine Beteiligung an der Armory Show zu verhandeln.
1913 Teilnahme an der „International Exhibition of Moden Art“, genannt Armory Show, wo Lehmbruck als einziger deutscher Bildhauer teilnahm und im Saal der französische Künstler mit zwei Plastiken und einigen Zeichnungen präsentiert wurde. Verkauf von einem Steingussexemplar der „Stehenden weiblichen Figur“ und sechs Zeichnungen, Transportschaden an der „Knienden“. Geburt des zweiten Sohnes Manfred (13.6.).
1914 Reise nach Berlin, wo er an der neu gegründeten Freien Secession teilnahm. Erste Einzelausstellung in der Pariser Galerie Levesque (ab Juni). Auf der Kölner Werkbundausstellung mit zwei Plastiken, Auftragsarbeiten für die Vorbauten Teehauses von Wilhelm Kreis, vertreten. Rückkehr über Köln und Düsseldorf nach Berlin, nachdem er die Kriegseuphorie der Kölner miterlebt hatte. Lebte anfangs in Köln bei seinem Schwiegervater. Vorerst nicht zum aktiven Kriegsdienst eingezogen. Ende des Jahres Umzug nach Berlin.
1915 Wurde weiterhin nicht eingezogen, nur kurz als Sanitäter im Friedenauer Hilfslazarett eingesetzt. Konnte sein Werk weiterhin entwickeln. Der Malerkollege Artur Degener diente ihm als Modell für den „Gestürzten“. Erhielt die Zulassung als Kriegsmaler (15.12.).
1916 Mitte Januar als Kriegsmaler nach Straßburg (15.1.-15.3.). Aufgrund einer amtlich festgehaltenen Schwerhörigkeit wurde er generell vom Kriegsdienst freigestellt. Max Liebermann hatte sich zudem für ihn eingesetzt. Lernte Ende März das Mannheimer Ehepaar Falk kennen, das von April 1916 bis September 1917 über die Galerie Paul Cassirer die größte geschlossene Zahl an Lebzeitgüssen erwarb. Ihre Stiftung ging später an die Mannheimer Kunsthalle. Sommerurlaub im Ostseebad Ahlbeck. Erste und einzige Einzelausstellung in der Kunsthalle Mannheim. Dezember Reise in die Schweiz, um dort das Kriegsende abzuwarten.
1917 Holte im Januar seine Familie nach. Im Februar Ausstellungsteilnahme in der Zürcher Kunstgesellschaft, weshalb er seine Plastiken an das Kunsthaus Zürich schickte. Geburt des dritten Sohnes Guido (2.2.). Kontakt zur „deutsche Kolonie“: Leonhard Frank, Ludwig Rubiner, Fritz von Unruh, Albert Ehrenstein. Begegnung mit der Schauspielerin Elisabeth Bergner, deren Aufführen er besuchte. Entfremdung von seiner Frau, Lehmbruck verliebte sich vergeblich in Bergner und zeichnete nach ihr. Fritz von Unruh berichtete über starke Gemütsschwankungen des Bildhauers. Legale Ausreise aufgrund der Fürsprache durch Max Liebermann, was Lehmbruck einen regen Reiseverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz ermöglichte. Im September Retrospektive in der Kunsthalle Basel.
1918 Im Sommer Teilnahme an der Ausstellung den Freien Secessionen in Berlin und München.
1919 Anfang des Jahres letzte Reise nach Berlin. Die Porträtierte Annemarie von Friedländer lehnte ihre Büste ab, da sie ihr nicht ähnlich sei. Am 24. Januar in die Preußische Akademie der Künste in Berlin gewählt (gemeinsam mit Lovis Corinth, Georg Kolbe, Franz Metzner, Käthe Kollwitz und Ernst Barlach). Die Nachricht erreichte ihn nicht mehr, da sie an die Schweizer Adresse geschickt wurde.
Am 26. März 1919 nahm sich Wilhelm Lehmbruck in seinem Berliner Atelier das Leben. Am 4. April fand das Begräbnis statt, an dem u. a. Käthe Kollwitz (1867–1945) teilnahm. Paul Westheim veröffentlichte die erste Monografie über den Bildhauer.
Im Juni 1962 wurde er auf den Waldfriedhof in Duisburg umgebettet.
1964 wurde das Lehmbruck Museum eröffnet.

 

Wilhelm Lehmbruck: Literatur

Christoph Brockhaus (Hg.), Wilhelm Lehmbruck 1881–1919. Das plastische und malerische Werk. Gedichte und Gedanken. Sammlungskatalog Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum - Zentrum Internationaler Skulptur, Duisburg (bearbeitet von Katharina B. Lepper) (Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg 25.9.2005-29.1.2006), Köln 2005.

Christoph Brockhaus (Hg.), Lehmbruck, Rodin, Maillol (Ausst.-Kat. Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg 25.9.2005-29.1.2006), Köln 2005.

Hans-Peter Wipplinger (Hg.), Wilhelm Lehmbruck (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien 8.4.-4.7.2016), Wien 2016.

 

Wilhelm Lehmbruck. Retrospektive - Ausstellungskatalog

Hans-Peter Wipplinger (Hg.)
mit Beiträgen von Söke Dinkla, Bazon Brock, Franz Smola, Marion Bornscheuer, Stefan Kutzenberger, Joseph Beuys
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln

 

Wilhelm Lehmbruck: Werke

  • Wilhelm Lehmbruck, Selbstporträt, 1898; Grace, um 1902–1904; Büste einer jungen Dame, 1901; im Hintergrund Zeichnungen (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner.
  • Wilhelm Lehmbruck, Badende, 1902–1905 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Weg zur Schönheit, 1905; Seele, um 1908; Junge Liebe, 1905 (alle: Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Mutter und Kind, 1907 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner.
  • Wilhelm Lehmbruck, Mädchen mit aufgestütztem Bein, 1910, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Kleiner Frauentorso, sog. Hagener Torso, 1910/11 (Museum Folkwang)
  • Wilhelm Lehmbruck, Kniende, 1911 (Nachlass W. Lehmbruck), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner.
  • Wilhelm Lehmbruck, Kniende [Kneeling Woman], 1911, Bronze, 174,5 × 67,7 × 140 cm (Privatbesitz)
  • Wilhelm Lehmbruck, Große Stehende, 1910–1912 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Brustbild Frau L. (Anita Lehmbruck), 1912, Öl Auf Leinwand, 100 × 77 cm (Lehmbruck Museum, Duisburg)
  • Wilhelm Lehmbruck, Kleiner weiblicher Torso (Hagener Torso), 1910/11; Torso der Großen Sinnenden, 1913, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Große Sinnende, 1913 (Nachlass W. Lehmbruck), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Große Sinnende, Detail, 1913 (Nachlass W. Lehmbruck), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Emporsteigender Jüngling, 1913/14 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner.
  • Wilhelm Lehmbruck, Sitzendes Mädchen, 1913/14, im Hintergrund Egon Schieles Mädchen von 1913, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Emporsteigender Jüngling, 1913/14 und Große Sinnende, 1913 (Nachlass W. Lehmbruck), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Frauenköpfe, 1910–1914, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Weiblicher Torso, 1917 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Kopf eines Denkers, 1918 (Lehmbruck Museum, Duisburg), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Rückblickende, 1914, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Wilhelm Lehmbruck, Liebende Köpfe, 1918 (Lehmbruck Museum, Duisburg); Edvard Munch, Vampir II, 1895–1902 (Privatbesitz, Wien); Berlinde De Bruyckere, Hanne 2003 (Hauser & Wirth Collection, Schweiz), Ausstellungsansicht Leopold Museum, Foto: Alexandra Matzner
  • Anonymer Fotograf, Der 37-Jährige Wilhelm Lehmbruck, 1918, Silbergelatineabzug, 23,9 × 17,8 cm (Lehmbruck Museum, Duisburg)
  • Atelier Geiringer & Horovitz, Wien, Die 22-Jährige Elisabeth Bergner, 1919, Silbergelatineabzug, 13,9 × 8,8 cm (Lehmbruck Museum, Duisburg)
  • Wilhelm Lehmbruck, Steinwälzer, um 1904/05; George Minne, Solidarität, 1897/98; Constantin Meunier, Der Hüttenarbeiter, 1894/95, Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Auguste Rodin, Fliegende Figur, um 1890/91 (Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Foundation), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Auguste Rodin, Fliegende Figur (von der Seite), um 1890/91 (Museum der Moderne Salzburg – Dauerleihgabe der Kasser Foundation), Ausstellungsansicht Leopold Museum 2016, Foto: Alexandra Matzner
  • Egon Schiele, Selbstakt in Grau mit offenem Mund, 1910, Schwarze Kreide, Gouache auf Papier, 44,8 × 32,1 cm (Leopold Museum, Wien, Inv. 1460)
  • Egon Schiele, Mädchen (Akt Mit Gelbem Tuch), 1913, Bleistift, Gouache auf Papier, 31,2 × 47,8 cm (Leopold Museum, Wien, Inv. 2381)

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  1. Zitiert nach Ausst.-Kat. Leopold Museum, S. 22.
  2. Zitiert nach Lehmbruck, Maillol, Rodin, S. 11–12.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.