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Hamburg | Hamburger Kunsthalle: Viermalvier Die 4 in der Kunst | 2022

David Novros, Four Seasons, 1974, Öl auf Leinwand, je 174 x 351 (4-teilig) (Hamburger Kunsthalle. Schenkung Sammlung Lafrenz, © Hamburger Kunsthalle, Foto: Fred Dott, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022)

David Novros, Four Seasons, 1974, Öl auf Leinwand, je 174 x 351 (4-teilig) (Hamburger Kunsthalle. Schenkung Sammlung Lafrenz, © Hamburger Kunsthalle, Foto: Fred Dott, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022)

Die Vier ist bedeutsam: Schaut man auf die europäische Geistesgeschichte teilen die vier Himmelsrichtungen die Welt, vier Tageszeiten den Ablauf des Tages, vier Elemente beschreiben nach der griechischen Naturphilosophie die Zusammensetzung der Welt. Die menschliche Entwicklung wird in vier Lebensphasen gegliedert, das Quartal dient der gleichmäßigen rechnerischen Bewältigung der im Laufe eines Jahres unternommenen Projekte, der Vierteltakt steht für Gewichtigkeit oder sogar Majestät in der Musik, das Quadrat für Ebenmaß und das Viereck bildet die grundlegende geometrische Form der Architektur.

Die Vier in Hamburg

Die Ausstellung „VIERMALVIER / FOURTIMESFOUR“ greift die verschiedenen Bedeutungsebenen der Vier assoziativ auf und nimmt einmal mehr die Architektur der von Oswald Mathias Ungers geschaffenen Galerie der Gegenwart mit ihren besonderen räumlichen Bedingungen zum Ausgangspunkt einer kuratorischen Betrachtung. Vor 25 Jahren eröffnet, wird der helle Gebäudekomplex der Galerie der Gegenwart, deren Gestaltung im Inneren und Wahrnehmung im Äußeren durch die quadratische Formgebung bestimmt ist, immer wieder neu bespielt und interpretiert, durch die Kunst, die in ihm zu sehen ist. Die vier über Eck angelegten Ausstellungssäle geben mit ihren jeweils vier Wänden den Anlass für eine Hängung, welche Raum, Mensch und Kunst in ein gleichberechtigtes Verhältnis zueinander stellt.

Was lässt die Viererserie in der Kunst anklingen und welche Formen kann die Beschäftigung mit der Vier annehmen, gerade an einem Ort, welchem die Vier in Form des Quadrates unübersehbar zugrunde liegt? Die 18 Positionen (richtig gelesen: Achtzehn!) umfassende Ausstellung „VIERMALVIER / FOURTIMESFOUR“ ist hierbei bewusst assoziativ, rechnerisch falsch, unvollständig und regelbrüchig. Doch gerade der Regelbruch möchte auf die Perfektion der Vier hinweisen. „When too perfect, lieber Gott böse“ postulierte Nam June Paik, weswegen die Ausstellung auch ist wie sie ist: Zu kurze Laufzeit, viele Assoziationsmöglichkeiten für die Betrachter:innen und eine Hängung, so präzise wie eine Fuge von Johann Sebastian Bach.

„VIERMALVIER / FOURTIMESFOUR“ stellt hierbei eine um ausgewählte Gäste erweiterte Sammlungspräsentation dar, welche aus dem Bestand Bekanntes mit Unbekanntem, bereits Gezeigtes mit noch nie Präsentiertem, Neues mit Altem vereint. Dabei verbindet die Ausstellung Werke des 17. Jahrhunderts mit Positionen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der zeitgenössischen Kunst. Alfons Muchas Lithografie-Folgen von 1897 treffen auf speziell für die Ausstellung geschaffene auratische Gemälde von Vivian Greven. Eine raumgreifende Skulptur des aus Hamburg stammenden Künstlers Frank Gerritz von 2021 tritt in einen Dialog sowohl mit einem in den 1970er Jahren geschaffenen kinetischen Objekt von Tomitaro Nachi als auch einer kleinformatigen Studie Josef Albers von 1965.
Den Auftakt der Ausstellung bildet David Novros mit seinem monumentalen, vierteiligen Gemälde „Four Seasons“ von 1974, in welchem er den wohl bekanntesten Konzertzyklus des Komponisten Antonio Vivaldi aufgreift und die Abfolge der vier Sätze auf vier große quer- und hochrechteckige Bildflächen überträgt. In Gegenüberstellung mit „Vier Jahreszeiten. Opus 7. Der Mond ist aufgegangen“ von Hanne Darboven, einem der aus ihren Zahlensysteme übertragenem Notensysteme, und Hanns Kunitzbergers vier Gemälden „1. Hälfte 2019 I, II, III, IV“ , welche in ihrer statuarischen Hochformatigkeit und dem Bewegung oder gar Ekstase assoziierenden flirren ihrer Farben die US-amerikanische Farbfeldmalerei und Minimal Art wie auch die „Die vier Apostel“ eines Albrecht Dürer anklingen lassen, ergibt sich formal, inhaltlich und medial eine spannungsgeladene Zusammenstellung, welche herausfordert die einzelnen künstlerischen Positionen wie auch den Raum, zu welchem sie in Beziehung zu setzen und auf welchen sie ausgerichtet sind, neu zu befragen.

Kuratiert von Dr. Alexander Klar und Ifee Tack
Quelle: Hamburger Kunsthalle

 

Ausgestellte Künstler:innen

Josef Albers, Elsbeth Arlt, Hanne Darboven, Frank Gerritz, Vivian Greven, Roni Horn, Donald Judd, Imi Knoebel, Hanns Kunitzberger, Dorothea Maetzel-Johannsen, Alfons Mucha, Tomitaro Nachi, Reinier Nooms gen. Zeeman, David Novros, Sigmar Polke, Franziska Reinbothe, Philipp Otto Runge, Fred Sandback

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