Die Kuratorinnen Eva Schlegl und Elsy Lahner setzen für die Schau im WestLicht 19 Positionen der zeitgenössischen österreichischen Fotografie in einen künstlerischen Dialog. Junge Kunst trifft dabei auf Etabliertes und Bekanntes, alle verbindet jedoch ein inszenatorischer Blick auf Körper und Natur. Schlegl und Lahner wollen mit „Blickwechsel“ keinen umfassenden Überblick über die aktuellen Tendenzen und Fragestellungen der österreichischen Fotografie geben, sondern gewähren einen Einblick in die Produktion für sie interessanter Künstler. So manche „Entwicklungslinie“ tut sich in den entstandenen Durchblicken, Aneinanderreihungen und Gegenüberstellungen auf. Im „Blickwechsel“ zeigen sich Wechselwirkungen künstlerischer Bildfindungsstrategien.
Österreich | Wien: WestLicht.
Schauplatz für Fotografie
13.4. – 16.5.2010
Der Ausstellungstitel wurde durch ein Video von Roberta Lima inspiriert. Die Performancekünstlerin blickt dem Betrachter direkt in die Augen. Kann man darin mehr als ein Abbild der Künstlerin erkennen? Lässt sich an ihren Augen Schmerz ablesen? Während das Video aufgenommen wurde, ließ sich Lima piercen, genauer gesagt, an jedem Arm 15 Ringe unter die Haut stechen. Das Foto zeigt das Ergebnis: Ein pinkfarbenes Band verschnürt ihre Arme wie ein Korsett. Roberta Lima präsentiert ihren Körper wie eine „Schmerzensfrau“, ein Imago pietatis, und wird dabei von den eigenen Tätowierungen beweint. Ebenfalls in diesem Feld von Körperzuschreibungen und feministischer Theorie bewegt sich Selina de Beauclair. Sie arbeitet mit Projektionen von Bildern auf Fell bzw. überblendet Körper mit pornografischen Aufnahmen.
Mark Glassner inszeniert für das „Fleischmagazin“ Promis als surreale Skispringer, die in eine ungewisse Zukunft abheben, während Martin Walde mit Hilfe der gezeichneten Linie in das fotografische Bild interveniert. Erwin Wurms One-Minute-Sculpture finden in Nina Rike Springers Gruppenszenen eine Weiterführung – die Skulptur existiert nur in der Fotografie, die Fotografie ist daher nicht „nur“ das Dokumentationsmedium eines performativen Aktes, sondern Kulminationspunkt des Werkes. Ohne Menschen kommen hingegen die Bilder von Andrea Witzmann aus. Sie lichtet Räume ab, fängt eine Atmosphäre des Verlassenseins ein, vielleicht um dadurch auf die Abwesenden zu verweisen, ihr „Fehlen“ umso schmerzhafter bewusst zu machen.
Nicht auf den Menschen sondern die Natur fokussieren Markus Guschelbauer, Julia Willms, Hubert Blanz und Judith Pichlmüller. Als gemeinsames Thema kristallisiert sich ein Bewusstsein von fehlender Harmonie zwischen Künstlichem und Natürlichem heraus. Hubert Blanz multipliziert Autobahn-Kleeblätter in ein unerträgliches Maß und sondert alles Naturhafte aus. Die Absurdität seiner Kompositionen macht den extensiven menschlichen Zugriff augenfällig. Julia Willms beschäftigt sich ebenfalls mit dem Verlust von Natur, wenn sie „Naturstücke“ fürs Eigenheim konstruiert. Markus Guschelbauer hingegen verpackt und transformiert Idyllen mit Hilfe von Transparentfolie, während Judith Pichlmüller dynamitbewehrte Grillen in Guerilla-Taktik zurückschlagen lässt.
Mit Werken von Helmut und Johanna Kandl wendet sich die Ausstellung auch der dokumentarischen Fotografie zu: Hier treten uns Archive des Alltäglichen, das Alltägliche als das Beachtenswerte aber auch der Blick auf Fremdes entgegen. Anatoliy Babiychuk und Kamen Stoyanov unterziehen in ihren Fotos aktuelle Lebensumstände einer kritischen Reflexion. Kamen Stoyanov imitiert eine gestürzte Lenin-Statue und nimmt deren Platz ein. Der Bulgare Michail Michailov untersucht einen wohlhabenden Haushalt aus der Perspektive eines „Putzmanns“ und schlüpft mehrfach in eine fremde Rolle.
Einen stärker medienkritischen Ansatz zeigen die Arbeiten von Rita Nowak und Dorothee Golz. Beide Fotografinnen wurden mit Bildern nach gemalten Vorlagen bekannt. Beide durchforsten die europäische Kunstgeschichte und setzen bekannte Szenen bzw. Ausschnitte in eine moderne Bildsprache um. Damit demonstrieren sie die Bedeutung des kulturellen Erbes für ein aktuelles Bildverständnis. Der Bezug zur Vergangenheit zeigt sich nicht nur in der Überprüfung von traditionellen Bildformeln durch Reinszenierung, sondern auch in den belichteten Glasplatten von Agnes Prammer. In der Tradition einer sachlichen Fotografie bildet Prammer junge Menschen in alter Technik ab.
Zuletzt bleibt nur mehr auf Nikolaus Schletterer hinzuweisen, der die Lichtquellen seines Ateliers analysiert. Licht – die Grundlage der Fotografie – wird eingefangen und scheint, arrangiert wie ein „Stillleben“, an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion angesiedelt.
Je ein Werk wird in der nächsten WestLicht-Auktion am 29. Mai versteigert werden.