„FAT DUCKS“ betitelt Hubert Scheibl die Präsentation seiner jüngsten Arbeiten in der Klosterneuburger Sammlung Essl. Acht großformatige Gemälde und 40 Zeichnungen demonstrieren den malerischen und grafischen Kosmos des in Wien arbeitenden Künstlers.
Österreich / Klosterneuburg: Essl Museum
29.1. - 9.5.2010
Die Malerei von Hubert Scheibl ist eine vielschichtige. Damit lässt sich nicht nur das Erscheinungsbild der Gemälde beschreiben, sondern auch der konzeptionelle Zugang des Künstlers. Es gelingt ihm in riesigen Formaten, die Möglichkeiten der abstrakten Bildsprache scheinbar mühelos auszuloten. Hierbei spielt die Farbe in Schichten übereinander aufgetragen eine entscheidende Rolle. Immer wieder wird deutlich, dass Hubert Scheibl Malerei aus dem Material, aus der Stofflichkeit der Farbe und dem Prozess der Gestaltung heraus denkt. Nass-in-Nass gestaltend, setzt der Künstler seinen ganzen Körper ein, um die Fläche zu erobern. Das Bild im Kopf habend, fügen sich fließende Übergänge und seit etwa zwei Jahren in das noch feuchte Material gekratzte Linien zu dichten All-Over-Strukturen. Immer wieder bricht er die oberste Malschicht auf und lässt darunterliegende, bunte Farbflächen aufblitzen. Doch damit nicht genug: Spielerisch wechselt Scheibl von einer „Handschrift“ zur nächsten, sobald er mit Hilfe von Spachteln und Rakeln Farbe in Schichten übereinander aufbaut. Wenn diese Farbschleier übereinander zu liegen kommen, wirken sie manchmal in den Reproduktionen wie dreidimensionale Draperien, riesige Tücher von changierender Farbe an einen Träger festgeklebt. Dieser Eindruck trügt und ist wohl ein Versuch des menschlichen Gehirns etwas im Nichts zu erkennen, einzuordnen und dadurch diesen neuen Raum zu erobern. Denn auch die Bildtitel helfen in dieser Situation nicht weiter. Meist entlehnt Scheibl sie Kinofilmen wie „Odyssee im Weltraum“ oder „No Country for Old Men“.
Um Alles und Nichts – 1 und 0 im Leibnitz`schen Sinne - geht es Hubert Scheibl in seiner für die Ausstellung geschaffenen, installativen Arbeit in der Rotunde des Ausstellungshauses. Hier kreiert Scheibl einen Raum, in dem er nicht nur seine Zeichnungen collageartig an den Wänden verteilt, sondern in dem er auch eine interpretatorische Ebene einführt. Im Zentrum der mit geschredderten Autoreifen ausgelegten Rotunde hat Scheibl einen überdimensionalen Skelettkopf eines Krokodils und einen Menschenschädel inszeniert. Der Krokodilschädel ist über und über mit den Ziffern 0 und 1 beschrieben. Gottfried Wilhelm Leibnitz hat bereits 1673 eine Rechenmaschine zum Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren erfunden. Der dafür entwickelte Binärcode, bestehend aus 0 und 1, repräsentiert für den Maler eine Grundlage unserer Zivilisation. Kultur und Archaik treffen in der Skulptur aufeinander. Der Menschenschädel sitzt in einer Mulde auf dem Krokodilskopf und symbolisiert die Bestimmung des Menschen, zwischen Kultur und Trieb hin und her gerissen zu sein. In den Zeichnungen selbst reflektiert Scheibl Themen wie Abstraktion und Figuration, Kunstproduktion zwischen Überlegung und Intuition, und, wie Scheibl es gerne formuliert, Auratisierung und seine persönliche Art des „paradoxe Fallen-Stellens“. Dieses Arbeiten mit Dichotomien stellt sich als eine Kombination von mit sicherem Strich, äußerst kontrolliert gezeichneten Skeletten und intuitiv gekritzelten Liniengeflechten dar. Letztere verdichten sich immer wieder zu Knoten, Farbkleckse verunklären zudem die Lesbarkeit der Bilder.
Die Arbeiten von Hubert Scheibl changieren zwischen künstlerischem Kalkül und ästhetischem Zufall. Die riesigen, übermenschlichen Formate gemahnen an einen heroischen Akt der Schöpfung, den er allerdings weder pathetisch noch auratisch gesehen haben will. Im Gegensatz dazu stehen ein spielerischer Umgang mit der Evolution und eine selbstironische Haltung des Künstlers. So wünscht er uns – und auch sich selbst – „Vielen Dank für das sehr unterhaltsame Spiel“.
1952 in Gmunden geboren.
1976-1981 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Prof. Max Weiler und Prof. Arnulf Rainer
Lebt und arbeitet in Wien