Olga Wisinger-Florian (1844–1926) gehört zu den wichtigsten Landschafts- und Blumenmalerinnen der österreichischen Kunst zwischen 1885 und 1910. Die ausgebildete Pianistin nahm ab 1875 Malstunden, ihre Ausbildung vervollständigte sie im Atelier von Emil Jakob Schindler (1842–1892). Schon in den frühen 1880er Jahren konnte Olga Wisinger-Florian mit ihren stimmungsvollen Landschaften und Blumenstillleben erste Erfolge erzielen, die während der 1890er Jahre zu zahlreichen Ehrungen führten. Als Gründungsmitglied von „Acht Künstlerinnen“ (1900) und der Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) war Olga Wisinger-Florian bestens vernetzt, förderte Künstlerinnen und die Akzeptanz von weiblichem Kunstschaffen.
Österreich / Wien: Leopold Museum
24.5.2019 – 21.10.2019
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es drei Frauen, sich als unabhängige Malerinnen Anerkennung und Ruhm zu erwerben. Neben Tina Blau und Marie Egner war es vor allem Olga Wisinger-Florian, deren künstlerisches Œuvre zur Avantgarde der Landschaftsmalerei ab den 1880er Jahren gehörte.
Wisinger-Florian war eine talentierte Pianistin mit Ausbildung bei Julius Epstein, bevor 1873 ein chronisches Handeiden ihrer Karriere ein Ende bereitete.1 Ihrer Hochzeit mit dem Apotheker Franz Wisinger am 5. Mai 1874 folgte ein fünfjähriger Privatunterricht beim Landschaftsmaler Melchior Fritsch (1874–1879). Ihre erste Ausstellungsbeteiligung im Wiener Kunstverein kann auf das Jahr 1878 festgelegt werden. Da Frauen die Aufnahme an der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien untersagt war, hospitierte sie zwischen 1879 und 1880 kurz und nahm dann Privatstunden bei August Schaeffer von Wienwald (1833–1916).
Die prägendste Erfahrung machte Olga Wisinger-Florian ab dem 6. Oktober 1880, als sie ihre erste Privatstunde beim Landschaftsmaler Emil Jakob Schindler (1842–1892) antrat. Mit ihm und seinem Schülerkreis unternahm sie in den folgenden Jahren Studienreisen nach Bad Goisern (Oberösterreich), Duino (Italien), Ludenburg (heute: Břeclav). Die Ergebnisse ihrer Bemühungen präsentierte Olga Wisinger-Florian ab 1881 im Künstlerhaus Wien, ab 1883 war sie nahezu jedes Jahr auch im Kunstverein München vertreten. Der Bruch mit dem verehrten Lehrer folgte einer Hängung in der Frühjahrsausstellung im Künstlerhaus: Schindler positionierte sein Gemälde über jenem seiner Schülerin. Am 19. April 1885 schrieb sie in ihr Tagebuch, dass sie nun auf eigenen Füßen stünde und allein arbeiten wollte.
Das Werk von Olga Wisinger-Florian entstand zwischen 1884 und 1914; zudem gab sie Privatunterricht. Unter ihren Schülerinnen befanden sich 1887 die Prinzessinnen Maria Dorothea und Margarethe, letztere wurde die spätere Fürstin Thurn und Taxis. Ein Jahr später verkaufte sie erstmals ein Gemälde aus der II. Jubiläums-Kunstausstellung für 1.000 Gulden (heute knapp 14.000 Euro). Nach dem Tod ihres Mannes 1890 konnte Wisinger-Florian dessen Apotheke verpachten, was ihre finanzielle Freiheit sicherte. Erst ein schweres Herzleiden 1898 zwang die Malerin zu vielen Kuraufenthalten u. a. auf Burg Hartenstein in Niederösterreich, wo sie zu einer neuen Werkphase vordringen konnte. Die Diagnose eines Hirntumors im Jahr 1912, der zur zunehmenden Erblindung der Malerin führte, ließ sie nach Grafenegg übersiedeln. Hier verstarb die international ausgezeichnete Künstlerin am 27. Februar 1926 im Alter von 82 Jahren.
Die erste Personale (!) der einst so berühmten und kommerziell erfolgreichen Landschafts- und Blumenmalerin führt deren Werk chronologisch in drei Räumen vor. Nach ersten realistischen Zeichnungen zu urteilen, zeigte die Schülerin früh Talent. Da sie anfangs eine Karriere als Konzertpianistin anstrebte, wandte sie sich erst ab 1874 dem Malen zu. Rasch wählte sie die Landschaftsmalerei als ihre Lieblingsgattung und fand im Spätsommer 1880 in Emil Jakob Schindler einen bedeutenden Lehrer. Dessen tonale Stimmungslandschaften machten ihn zum führenden Landschaftsmaler seiner Generation, die eine Abkehr von der heroischen Landschaft von Albert Zimmermann (1808–1888 → Ist das Biedermeier?) forderte. Die Einfachheit des Sujets – nieder- oder oberösterreichische Waldwege, Felder, Wasserläufe – waren im Vergleich zu Zimmermanns Alpenwelten bereits eine Revolution und gelten heute als Hauptwerke des österreichischen Stimmungsimpressionismus, auch Stimmungsrealismus genannt.
Olga Wisinger-Florian suchte sich ab Mitte der 1880er Jahre von ihrem geschätzten Lehrer zu distanzieren, indem sie sich verstärkt der Figur zuwandte. Das im Leopold Museum ausgestellte Großformat „Der kleine Vogelfänger (Das große Katzenbild)“ (1884, Privatsammlung) zeigt die Ambitionen der Malerin: Die Szene einer jagenden Katze und eines überraschten Mädchens im Garten – fallende Blumentöpfe inclusive – sollte sich in den folgenden Jahren nicht als Prototyp für Wisinger-Florians Erfolg herausstellen. Stattdessen waren es klein- bis mittelformatige Blumensträuße, die die Malerin in landschaftlichem Ambiente präsentierte, die ihr den erhofften internationalen Durchbruch 1887 brachte.
Zu Wisinger-Florians Hauptwerken zählt der Jahreszeitenzyklus, den sie zwischen 1890 und 1893 ausführte. In großformatigen „Blumenlandschaften“ zeigt sie verschiedene Blumenarten in voller Blüte. Wetter und Lichtstimmungen ergänzen den Jahreszeitenlauf zu einem opulenten Rundgang durch die teils wildwachende Vegetation, teils halbwild arrangieren „Blühenden Bauerngarten“, auch „Rosenbild“ genannt. Der Zyklus, der nahezu vollständig ausgestellt ist, gilt als Höhepunkt in Olga Wisinger-Florians Schaffen; sein Abschluss markiert gleichzeitig einen Neubeginn in ihrem Werk. Die nach Mitte der 1890er Jahre entstandenen Gartenlandschaften und Kohlfelder bezeugen ihre Hinwendung zum Naturlyrismus, in dem Stimmung und Atmosphäre noch wichtigere Rollen spielen als im poetischen Realismus der Schule von Emil Jakob Schindler. Werke wie „Sommerabend [Es ist die Zeit der Rosenpracht]“ (1896) und „Lilien am Abend“ (1897) wandte sie sich der Pleinair-Malerei zu.
„Sommerabend (Es ist die Zeit der Rosenpracht)“ (1896, Leopold Privatsammlung) zählt mit der größeren Fassung „Dämmerung“ von 1898 zu den berühmtesten Bildern der Wiener Malerin. „Sommerabend“ brachte der Malerin die Österreichische Staatsmedaille – und die Anerkennung ihrer männlichen Kollegen wie Carl Moll – ein. „Dämmerung“ schickte sie 1900 zur Präsentation am Pariser Salon. Sie erhielt von der Fachjury eine Dritte Medaille und zudem den Titel Officier d’Academie verliehen. Das Werk der Gattung Gartenbild verbindet meisterhaft Blumen- und Landschaftsmalerei. Daneben malte sie auch bäuerliche Hausgärten und blühende Obstbäume. Die Verbindung von nahsichtigen Blüten und extremem Tiefenzug erarbeitete sich die Malerin bis um etwa 1904. „Blumenbeete im Park von Grafenegg“ (1901) sandte sie zur Weltausstellung nach St. Louis und erhielt dafür eine Goldene Medaille.
An den Werken ab 1900 fällt der pastose Farbauftrag und die helle Farbigkeit auf. Früh hatte sich die Malerin entschieden, mit flachen Borstenpinseln zu arbeiten und die Farben erst auf der Leinwand zu mischen. Da sie keine Trockenmittel einsetzte, konnte sie tagelang an den Kompositionen arbeiten. Da die Farben feucht blieben, ließ sie sich über einen längeren Zeitraum vermischen, sodass ihre Gemälde wie aus einem Guss wirken. Diese Nass-in-Nass-Malerei erlaubte ihr keine größeren Korrekturen auf der bereits getrockneten Maloberfläche. Olga Wisinger-Florian wandte sich mit dieser Maltechnik spätestens Ende der 1890er Jahre impressionistischen Prinzipien zu (→ Impressionismus). Vor allem in den kleinformatigen Skizzen, die vor allem Komposition und Farbstimmung festlegen, näherte sie sich zunehmend einer abstrahierenden Formgebung. Wenn sie diese auch nie in ihren vollendeten Gemälden erprobte, so befand sie sich in der Auswahl ihrer Motive am Puls der Zeit (→ Der moderne Garten in der Malerei von Monet bis Matisse). Einfarbige Blumenrabatte wie die hellrosa Hortensien oder Blumenbeete im Gewächshaus hatten schon die französischen Impressionisten in Gemälden festgehalten: Claude Monet, Gustave Caillebotte und Max Liebermann zählten zu den wichtigsten Vorläufern bzw. Zeitgenossen von Wisinger-Florian in diesem Metier. Formal bereicherte sie die „Blumenlandschaft“ um starke Verkürzungen, steil fluchtende Perspektiven und nahsichtige Blumenköpfe im Bildvordergrund.
Die Bilder von Olga Wisinger-Florian sind Idyllen, meist menschenleer und von der Schönheit der Natur und der Farben geprägt. Vor 1900 war sie vom lyrischen Naturalismus überzeugt, wie die Gemälde „Herbstblumen am Fenster“ (1887, Privatbesitz), „Blumen am Fenster“ (1887, Privatbesitz) oder „Mittagssonne“ (1897, G. Kreitner) belegen. Motivisch bewegte sich Wisinger-Florian damit auf sicherem Terrain, wie Carl Molls zwei Fassungen von „Meister Schindlers Fenster“ (1886 und 1895, Privatbesitz) bzw. „Bauernfenster“ (1893, Niederösterreichisches Landesmuseum) belegen. Mit Darstellungen der bäuerlichen Welt – „Schmiede bei Bisamberg“ (1894, Privatbesitz), „Septembermorgen“ (1891, Privatbesitz) und „Bauernhof in Niederösterreich“ (1889, Privatsammlung Michael Kovacek, Wien) – rang sie den pittoresk verfallenen Gebäuden samt Sonnenblumen und Gladiolen Würde ab.
Während ihre ehemaliger Kommilitone Carl Moll sich Ende der 1890er Jahre der Secession anschloss, blieb Olga Wisinger-Florian dem Künstlerhaus treu. Dem wohlgeordneten Jugendstilgarten setzte sie Blumenfelder sowie sonnenbeschienen Loggien entgegen; dem quadratischen Bildfeld die horizontalen und teils monumentalen Formate ihrer späten Bilder. Der Lichteffekt und die Veränderung der Farbtöne standen im Zentrum ihrer Bildfindungen. Zunehmend erscheinen die Blütenköpfe wie Farbflecke, die erst aus der Entfernung ein Bild ergeben. Bis 1913 – dem Jahr ihrer Erblindung – arbeitete Olga Wisinger-Florian unermüdlich und mit viel Fleiß. Zu den markanten Botschaften der Lehrerin an ihre Schülerinnen zählte:
„Um in der Kunst etwas zu erreichen, gehört vor allem Fleiß dazu, denn Talent ohne Fleiß bringt es absolut zu nichts. Ich habe im späten Alter zu malen begonnen, ich war sechsunddreißig Jahre alt, wie ich zu studieren anfing, und habe es doch schließlich zu etwas gebracht, aber mit dem größten Aufwand an Fleiß und Energie.“ (Olga Wisinger-Florian, 3.7.1906, Stimmaufnahme im Phonogrammarchiv, Wien)
Kuratiert von Marianne Hussl-Hörmann.