Kaum ein Sujet des englischen Malers Sir Edwin Landseer (1802–1873) erfreute sich einer größeren Beliebtheit als dessen Gemälde „Monarch of the Glen“ (1851). Es war zusammen mit zwei unbekannten Bildern für die Refreshment Rooms in Westminster Palace in Auftrag gegeben aber dort nie aufgehängt worden.
Großbritannien / London: National Gallery, Room 1
29.11.2018 – 3.2.2019
Landseer stellt dabei in neuartiger Weise den Hirsch als Symbol für Kraft und Stärke als unumstrittenen Protagonisten in das Zentrum und setzt sich in dieser Weise von der stärker erzählerischen Tiermalerei etwa eines Friedrich Gauermann ab, der Jagd- und Kampfmotive favorisierte (→ Ist das Biedermeier?). Der Rothirsch steht hier vielmehr aufgrund der wiedergegeben zwölf Enden des Geweihs für königliche Pracht und Macht und zugleich für die Naturschönheit des schottischen Hochlandes. Auffallend sind die hohe malerische Qualität, die Überzeugungskraft der Komposition und die Finesse der Darstellung. Besonders die unzähligen Reproduktionen nach Landseer machten diese Art von „Naturporträts“ in ganz Europa populär.
Edwin Landseer war ein Mitglied der Royal Academy und einer der Lieblingsmaler von Königin Victoria, die ihn für seine Gemälde und Zeichnungen von Tieren schätzte. Zu den späten Werken des Künstlers zählen unter anderem auch die Löwen-Skulpturen zu Füßen der Nelson Säule auf dem Trafalgar Square. Gerade die Begeisterung der englischen Königin für Schottland, unterstützt durch Sir Walter Scotts „Ossian“-Zyklus, ließen Mitte des 19. Jahrhunderts Landseers berühmtestes Motiv als Symbol des Nationalstolzes und Begeisterung für die schottischen Highlands entstehen. Nichtsdestotrotz verweist es auch auf die adelige Tradition der Rotwildjagd, die Königin Victoria von ihrem Lieblingsschloss Balmoral aus betrieb. Die Härte des Lebens in den Highlands wird von Landseer nicht thematisiert. Stattdessen konstruierte er mit dem Tierbild einen Mythos von Schottland als ein wildes, ungezähmtes und schönes Land. Dass der Maler, der als Wunderkind begann, zeitlebens von melancholischen Verstimmungen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit zu kämpfen hatte und zum Schluss von seiner Familie sogar für unzurechnungsfähig erklärt wurde, ist dem „Monarch of the Glen“ wahrlich nicht anzusehen.
Das Gemälde „Monarch of the Glen“ war 1851, 1874 und 1890 ausgestellt. William Denison, dem 1st Earl of Londesborough, ging es 1884 an Henry Eaton, 1st Baron Cheylesmore. Nach dessen Tod 1891 wurde der Hirsch im Mai 1892 bei Christie’s für £ 7.245 an Agnew’s verkauft. Der Kunsthändler veräußerte es für £ 8.000 an T. Barrat, dem höchsten Verkaufspreis für ein Gemälde von Edwin Landseer bis in die 1960er Jahre.1
Pears Soap erwarb den „Monarch of the Glen” im Jahr 1916 und nutzten das Bild erstmals in ihrer Werbekampagne. Danach setzten es die Destillerie John Dewar & Sons und Glenfiddich (ab 1968) als Markenzeichen ein. Durch eine Firmenübernahme kam Diageo in Besitz des schottischen Hirschen. Als 1997 die Firma an Bacardi verkauft wurde, verblieb das Gemälde weiterhin bei. Diese lieh es dem National Museum of Scotland in Edinburgh.
Am 2. November 2016 gab Diageo bekannt, das Bild verkaufen zu wollen. Das auf 8 Millionen Pfund geschätzte Werk wurde den National Galleries of Scotland für die Hälfte seines Schätzwerts angeboten worden. Um das bedeutende Werk erwerben zu können, lancierte das Museum eine Kampagne. Im Jahr 2017 erwarben die National Galleries of Scotland in Edinburgh.
Die National Gallery in London präsentiert das Gemälde neben weiteren Bildern und Zeichnungen von Edwin Landseer aus den Highlands. Der Künstler beschäftigte sich seit den 1840er Jahren mit Naturstudien nach Hirschen. Vor allem die kapitalen Exemplare der Spezies, die er ab 1824 auf seinen Reisen durch die schottischen Highlands gesehen hatte, dienten ihm als Vorbilder. 1850 erhielt Edwin Landseer den Staatsauftrag drei Bilder, die im Zusammenhang mit der Jagd stehen, für die Refreshment Rooms im House of Lords auszuführen. Er malte dafür „Monarch of the Glen“ und zwei weitere unbekannte Gemälde (vielleicht zeigte ein zweites das Glen Affric). Als sie fertiggestellt waren, bewilligte jedoch das Unterhaus die Auszahlung der vereinbarten 150 Pfund nicht, weshalb Landseer seine Bilder privat weiterverkaufte.
Im Vergleich von Gemälde und Landseers Zeichnungen zeigt sich deutlich, wie der Tiermaler zur emblematischen Darstellung des Hirschen als Helden gelangte. Schon im 19. Jahrhundert zählte der „Monarch of the Glen“ zu den bekanntesten und beliebtesten Bildern der britischen Kunst und wurde zahlreich reproduziert (vor allem in Stahlstich). Noch zu Lebzeiten des Künstlers avancierte der „Monarch of the Glen“ wohl zum wertvollsten Bild. Im frühen 20. Jahrhundert erwarben es verschiedene Firmen, um es als Sujet für Werbung und Verpackung zu nutzen. So wurde das Werk zur Ikone und inspirierte Künstler wie Peter Blake, Henry Coombes oder Peter Saville (2012) zu Neuinterpretationen.