Emmi Whitehorse

Wer ist Emmi Whitehorse?

Emmi Whitehorse (*18.12.1957 Crownpoint, New Mexico) ist eine indianische Malerin und Grafikerin der Gegenwart (→ Zeitgenössische Kunst). Emmi Whitehorse, eine indigene Diné-Künstlerin, arbeitet hauptsächlich mit abstrakten, großformatigen poetischen Landschaftsbildern aus dem Südwesten der USA.

„Meine Bilder erzählen davon, wie man ein Land im Laufe der Zeit kennen lernt - wie man ganz und gar und mikrokosmisch an einem Ort ist.“1 (Emmi Whitehorse)

Emmi Whitehorse lebt in Santa Fe, New Mexico.

Kindheit

Emmi Whitehorse wurde 1957 in Crownpoint, New Mexico, USA, geboren. Sie wuchs in der offenen Landschaft nordöstlich von Gallup, New Mexico, in einer Familie auf, in der nur die Navajo-Sprache gesprochen wurde.

„Whitehorse wurde in eine Familie hineingeboren, deren Lebensunterhalt hauptsächlich von der Schafzucht abhing. Durch das Hüten der Schafe und das Erkunden der nahe gelegenen Ruinen entwickelte sie ein Interesse daran, wie Licht unsere Wahrnehmung der Umwelt beeinflusst - wie Wolken Canyons verdunkeln, Sonnenlicht kleine Pflanzen und Tiere beleuchtet und wie sich die Horizontlinie mit der Dämmerung auflöst. Sie war auch beeindruckt von den Farben, die beim Weben und verwandten Tätigkeiten entstehen.“2

Ausbildung

Emmi Whitehorse schloss ihr Studium an der University of New Mexico in Albuquerque (UNM) 1980 mit einem B.A. in Malerei und 1982 mit einem M.A. in Grafik und Kunstgeschichte ab.3

Als Studentin schloss sich Whitehorse Ende der 1970er Jahre der bahnbrechenden „Grey Canyon Group“ an, die aus anderen zeitgenössischen indianischen Künstler:innen wie ihrer Gründerin Jaune Quick-To-See Smith (1940–2025), Conrad House (1956–2001) und Felice Lucero-Giaccardo (*1946) bestand. Gemeinsam widersetzte sich die Gruppe den Erwartungen an indigene Kunst, indem sie modernistische Abstraktion einsetzte, um indigene Themen oder Weltanschauungen auszudrücken.

Werke

Die Landschaft, die Natur und das „vollständige, mikrokosmische Dasein an einem Ort“ standen immer im Mittelpunkt ihres Interesses. Seit mehr als 40 Jahren ist die einzigartige Landschaft des Südwestens eine wichtige Inspirationsquelle für die Emmi Whitehorse. Ihre Arbeiten auf Papier und Leinwand zeigen rätselhaften Kompositionen, oft abstrakte, gestische Markierungen inmitten von duftigen Farbfeldern. Die intime und intuitive Natur der organischen Formen der Künstlerin ist mit komplexen und sich ständig verändernden Geografien und Umgebungen verbunden. Die bewusst meditativ und langsam gestalteten Bilder fangen flüchtige Sinneswahrnehmungen und subtile Veränderungen von Licht, Raum und Farbe ein - die zentralen Achsen, um die sich das Werk der Künstlerin entwickelt hat. Whitehorses langjähriges Engagement für Schönheit und Frieden hat seinen Ursprung in der Navajo-Philosophie Hózhó [Balance], die ein harmonisches Gleichgewicht von Leben, Geist und Körper mit der Natur anstrebt.

„Um Kunst zu schaffen, muss der Akt des Kunstschaffens einem harmonischen Gleichgewicht von Schönheit, Natur, Menschlichkeit und dem gesamten Universum treu bleiben. Dies steht im Einklang mit der Navajo-Philosophie. Ich habe mich entschieden, mich auf die Natur, auf die Landschaft zu konzentrieren.“4 (Emmi Whitehorse)

Whitehorses Malerei basiert auf einer persönlichen Ikonografie, die auf ihren Reflexionen der sie umgebenden Landschaft beruht. In ihren Arbeiten verbindet sie kosmologische Perspektiven der Navajo mit Abstrakter Kunst. Die Künstlerin beschreibt ihre Arbeit als chaotisch und zufällig und erzählt, wie sie sich beim Malen das Papier ständig hin und her bewegt: „Also habe ich keine Ahnung, wo oben und wo unten ist, wenn ich male.“5

Emmi Whitehorse bezeichnet ihre Großmutter, eine Weberin, als die einflussreichste künstlerische Figur in ihrem Leben. Generell greift sie in ihren Arbeiten auch auf die Techniken der Navajo zurück, Trockenmalerei und Weberei.6 Ihre Gemälde sind meist Ölgemälde auf Papier, aufgezogen auf Leinwand, wie zum Beispiel „Movement“ (Honolulu Museum of Art).

Zu Beginn ihrer Karriere schuf die Künstlerin hauptsächlich Zeichnungen mit minimalistischen Kompositionen wie „Another Blanket“ (1983). Später begann sie, Ölfarbe in ihr Werk zu integrieren und führte neue Farbpaletten, Texturen und Kompositionen ein. Zu diesen Werken gehören „Fire Weed“ (1998) und „Water Gap“ (2022). Am bekanntesten ist sie für ihre großformatigen Ölgemälde auf Papier. Für diese Arbeiten legt sie ihre Leinwände flach und bearbeitet sie von allen Seiten. Sie mischt Materialien, Farben und Schichten, bevor sie geometrische und biomorphe Figuren hinzufügt.

Whitehorses Werk ist bewusst unpolitisch – oder war es bis in die 2010er Jahre.7 2015 schuf Whitehorse das Triptychon „Outset“, „Launching“, „Progression“ als Reaktion auf die lange Geschichte der Öl- und Uranförderung auf dem Land der Navajo. Das erste Gemälde zeigt die Landschaft als unberührt und ohne menschliche Eingriffe; das zweite Gemälde zeigt die Planungsphasen sowohl der Landverteilung als auch des Ressourcenabbaus; und das letzte Gemälde illustriert die Folgen des Rohstoffabbaus, definiert als Zerstörung und Spuren sowohl gefährlicher Chemikalien als auch Gase. Sie verfolgte die Vertreibung und Ausbeutung indigener Gemeinschaften in den Diné-Gebieten um ihre Kindheit herum. 

„Cópia“ (2023), das Whitehorse 2024 auf der „Biennale von Venedig“ ausstellte, ist ein Landschaftsgemälde auf zwei Tafeln, das die Schönheit und chaotische Spannung des Bruchs aktiviert. Whitehorses Arbeiten auf Papier und Leinwand verkörpern die spirituelle Zeitlichkeit der Diné, die die Landschaft als Symphonie durch die Zeit lesen. Es ist eine erschütternde Partitur aus natürlichen Harmonien und den disharmonischen, unnatürlichen Störungen, die durch räuberische postkoloniale Ausgrabungen auf indigenem Land verursacht werden. Whitehorse's sensorische Techniken der Landschaftsmarkierung, die in rätselhaften Kompositionen präsentiert werden, beleuchten alternative Strategien der Bewahrung von Indigenität und des Widerstands gegen koloniale Gewalt und Ausbeutung.

Ausstellungen und internationaler Durchbruch

Emmi Whitehorses Arbeiten werden seit 1979 in zahlreichen Museen und Galerien gezeigt. Sie hatte Einzelausstellungen im Boulder Museum of Contemporary Art, Colorado (2006), im Joslyn Art Museum, Omaha, Nebraska (2001), im Tucson Museum of Art, Arizona (1997) und im Wheelwright Museum, Santa Fe, New Mexico (1991).

Sie hat an Gruppenausstellungen im In- und Ausland teilgenommen, darunter „La Biennale di Venezia: Stranieri Ovunque - Strangers Everywhere“ (2024); „The Land Carries Our Ancestors: Contemporary Art by Native Americans, National Gallery of Art“ in Washington D.C. (2023/24); „Making Knowing: Craft in Art, 1950-2019“ im Whitney Museum of American Art, New York (2019–2022); „Celebrating Diversities in Art“ im Springfield Art Museum, Massachusetts (2012); „Modern Times - Kunst der Indianischen Moderne und Postmoderne“ im Galerieverein Leonberg, Deutschland (2011); „Into the Void: Abstrakte Kunst“ im Autry Museum of the American West, Los Angeles, Kalifornien (2010); „Unlimited Boundaries: Dichotomy of Place in Contemporary Native American Art“ im Albuquerque Museum of Art, New Mexico (2007); „Off The Map“ im Smithsonian National Museum of the American Indian, New York, New York (2007); und „Contemporary Art in New Mexico“ im SITE Santa Fe, New Mexico (1996).

2024 war Whitehorse in der zentralen Ausstellung der Biennale von Venedig, „Foreigners Everywhere“, vertreten. In diesem Zusammenhang stellte der künstlerische Leiter der Biennale, Adriano Pedrosa, Whitehorse als indigene Künstlerin vor, die „oft wie eine Fremde im eigenen Land behandelt wird“. Sie präsentierte Landschaftsgemälde wie „Cópia“ (2023) bei, die starke ökokritische und antikolonialistische Themen aufgreifen.8 Die Presseberichterstattung über die Biennale von Venedig 2024, einschließlich der Rezension in der „New York Times“, konzentrierte sich besonders auf Whitehorse und ihre prominente Rolle in der Ausstellung.9

Sammlungen

Whitehorses Werke sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen in Nordamerika, Europa, Japan, Usbekistan und Marokko vertreten, darunter das Brooklyn Museum of Art, das Heard Museum, das Eiteljorg Museum of American Indians and Western Art, das Muscarelle Museum of Art und das Whitney Museum of American Art.

  1. Zitiert nach Emmi Whitehorse  (letzter Aufruf 10.3.2025).
  2. Zitiert nach: Hearts of our people: native women Artists, hg. v. Jill Ahlberg Yohe und Teri Greeves (Ausst.-Kat. Minneapolis Institute of Arts; Frist Art Museum; Renwick Gallery; Philbrook Museum of Art 2019), Minneapolis Institute of Art 2019, S. 298–299.
  3. Emmi Whitehorse, in: St. James guide to native North American Artists, Detroit 1998; Deborah Everett, Elayne Zorn, Emmi Whitehorse, in: Encyclopedia of Native American Artists, Westport 2008, S. 237–240.
  4. Biografie von Emmi Whitehorse mit einer Erklärung der Malerin zu ihrer Kunst (letzter Aufruf 10.3.2025).
  5. Emmi Whitehorse, in: Frontiers: A Journal of Women Studies, Nd. 18/3 (1997), S. 118–120.
  6. Janet C. Berlo, Ruth B. Phillips, Native North American Art, Oxford 1998, S. 226.
  7. Vgl. Biografie von Emmi Whitehorse mit einer Erklärung der Malerin zu ihrer Kunst.
  8. Julia Halperin, Indigenous Artists Are the Heart of the Venice Biennale, in: New York Times (13.4.2024), S. AR.11. (letzter Aufruf 10.3.2025).
  9. Maximilíano Durón, At the Venice Biennale's Contemporary Showcase, Living Artists Examine Queer and Indigenous Legacies, in: ARTnews (17.4.2024) (letzter Aufruf 10.3.2025).
FacebookTwitterGoogle+Pinterest