Wenn King Kong auf Surfer trifft, Obdachlose und der Silversurfer in einem Bild auftauchen, das Psycho-Haus düster erstrahlt, Wellenreiter und Rocaille-Wellen an Michelangelo und Hokusai erinnern, dann ist Hans Weigand zu Gast im 21er Haus des Belvedere. Unter dem Titel „Surfing“ - Wellenreiten - zeigt er aktuelle Arbeiten, die von einer „Wunderkammer“ mit Werken seit 1970 begleitet werden. Bereits das Ausstellungsdisplay verweist auf unkonventionelles Denken, auf das Niederreißen von Grenzen.
Österreich / Wien: 21er Haus
17.6. - 13.9.2015
Weigand ließ im Obergeschoss Tunnel und „Hütten“ aufstellen, ein Panorama einbauen, große Öffnungen erlauben helle Beleuchtung auf sein multimediales Werk. Auf großformatigen Holzplatten sampelt er verschiedene künstlerische Strategien: abstrakte Farbflächen, übermalte Drucke (u. a. aus dem 17. Jahrhundert), Schnitzerei für die Lichter, digitale Fotografie. Neben der Surf-Punk-Kultur, dem Silversurfer und King Kong spielen repräsentative sowie ruinöse Architekturkonglomerate und Obdachlosigkeit wichtige Rollen.
Ein neues Panorama, Gemälde, Objekte, angesiedelt zwischen Skulptur und Design, malerisch überarbeitete, digitale Bilder aber auch Fotografien und Polaroids, Musikvideos, Mitschnitte von Performances, „Holzschnitte“ geben einen Einblick in das vielfältige Schaffen von Hans Weigand. Schon in der Mitte der 1980er begann er, sich mit den Möglichkeiten digitaler Bildmanipulation auseinanderzusetzen und das „Spiel mit der Vervielfältigung“ (Weigand 2015) zu erproben. Jason Rhoades (1965-2006) überredete Mitte der 1990er Jahre Weigand, nach Kalifornien zu übersiedeln, wo er auch Raymond Pettibon (* 1957) traf. 1999 war er mit beiden ein Jahr lang am Projekt „Life/Boat“ quasi als „Bootsbesetzer“ tätig. Die drei Künstler produzierten in der angeschlossenen Ausstellung im MAK Schindlerhaus gemeinsam Kunst, deren Charakter experimentell war und deren Ausgang im Ungewissen lag. In dieser Zusammenarbeit zeigen sich bereits wichtige Aspekte von Weigands Kunstauffassung: Rhoades/Pettibon/Weigand waren gegen einen rigiden Originalitäts- und Exkulsivitätsbegriff, gegen das Handschriftliche einer als subjektiv empfundenen Malerei. Sie waren gegen eine leichte Kategorisierung der Werke, aber auch für das Offenlegen von Werkstattpraktiken und Künstlerleben.
Wie variantenreich das Werk von Hans Weigand ist, zeigt die „Wunderkammer“, in der Arbeiten seit 1970 in einer bunten Ansammlung gemeinsam präsentiert werden. Kollaborationen mit Künstlern wie Heimo Zobernig führten zu trashigen Musikvideos, Objekte zitieren Formen aus dem Möbeldesign und in der Malerei setzte er sich mit Schrift - in der Nachfolge von Sigmar Polke und der älteren Pop Art Generation - auseinander. In den letzten Jahre arbeitete Weigand in einem Crossover von „Stilen“, ein Springen von einer Technik in die andere. Der amerikanische Traum, Popkultur, Trash, Punk, Horror- und Erotik-Filme, Science-Fiction und Psychedelik - man beachte den Teppich „Garten der Lüste“ - haben ihre Spuren hinterlassen. Das Verbinden von High und Low gehören seither zu seinen Markenzeichen.
Seit über zehn Jahren arbeitet Weigand auch an Panoramen, in denen er Malerei und Fotografie zu monumentalen Montagen verbindet. Inspiration dazu fand er Anfang der 1990er Jahre in Kalifornien, als die ersten großen Shopping Malls entstanden. Sie waren für den Künstler wie neue, jedoch künstliche Welten. In ihrer Pseudoauthentizität verdichten sie unterschiedlichste Begehren, simulieren berühmte Plätze und bringen die ganze Welt an einen abgeschlossenen Ort. Ähnlich komprimierend geht auch Weigand beim Produzieren der Panoramen vor. In seinem Fotoarchiv sammelte er in den letzten Jahren über 500.000 selbst geschossene Bilder an. Aus diesen montiert er unzählige Motive zu neuen Kompositionen.
Die Betrachter_innen müssen in das oval geformte Panorama im 21er Haus einsteigen. Der verspiegelte Boden verdoppelt die Motive und schafft einen stimmungsvollen Raum. Der Blick schweift von einem Detail zum Nächsten. Der große Schritt zurück, durch den sich die Teilstücke zu einem Ganzen fügen würden, ist vor diesem Wandbild nicht möglich, stattdessen befindet man sich nahezu in ihm und muss sich um die eigene Achse drehen. Die Bilderflut bändigt Weigand digital und malerisch. Im aktuellen Panorama wölbt sich ein beeindruckend schöner, blautürkis-orange-weißer Himmel über einer Meeresküste, an der sich die Wellen brechen und weiße Gischt aufspritzt. Links beobachtet King Kong die Szenerie. Einige Surfer zeigen, dass sie besonders cool sind, indem sie auf dem Board Gitarre spielen oder so tun, als wäre ihnen beim Surfen langweilig! Eine fantastische Klippenkulisse rahmt die scheinbar endlose Weite des Meeres und steigert gleichzeitig den Tiefenzug. Sonst bekannt durch dystopische Landschafts- und Stadtentwürfe in der Tradition des Punk, stellt Hans Weigand der Freizeitkultur nur noch eine abgebrochene Brücke entgegen. Diese Gegenüberstellung von Wellenreitern, großen Wogen und Gesellschaftskritik zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Vor allem als Hinweise auf Obdachlosigkeit als Folge der Wirtschaftskrise 2008 beschäftigte den Künstler nachhaltig!
1954 in Hall in Tirol geboren
1974–1978 Ausbildung zum Reprofotografen, Retuscheur und Offset-/Siebdrucker in der Schweiz
1978–1983 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst bei Oswald Oberhuber
Lebt und arbeitet in Wien und Tirol