Abgenutzte Teppiche, nackte Frauen und idyllische Landschaften bestimmen die jüngsten Bildideen von Hubert Schmalix, Jahrgang 1952, die derzeit im Bank Austria Kunstforum anzutreffen sind. Die teils riesigen, wie für die Dimensionen der Ausstellungshalle konzipierten Gemälde lassen vielerlei Interpretationen zu, wie die Sehnsucht nach einem Paradies oder die Bedrängung des Menschen durch Strukturen und permutierende Wiederholung. Der einstige „Neue Wilde | Junge Wilde“ der späten 1970er und frühen 1980er Jahre hat sich bereits in den 1990ern zu einem abgeklärten Künstler mit Vorliebe für den Mal – wie Sexualakt (siehe Schmalix‘ Porno-Serie) entwickelt. Einige großflächige, mit strahlenden Farben gestaltete Bilder aus den 90ern zeigen seine Auseinandersetzung mit der Geometrisierung des menschlichen Körpers. Die aktuellen Arbeiten wirken wie eine Verbindung aus beiden Tendenzen.
Österreich/ Wien: Bank Austria Kunstforum
6.5. - 12.7.2015
Ob man sich an orientalische Teppiche, gotische Glasfenster, die Dekorationswut des 19. Jahrhunderts (Historismus und Jugendstil) oder auch Graffiti erinnert fühlt, wichtig für die neuesten Arbeiten von Hubert Schmalix sind das Sampeln unterschiedlichster Bezugsfelder und das Aufbrechen der Regelmäßigkeit hin zu Vielschichtigkeit und geordnetem Chaos. Die immer wiederkehrende Frau wirkt schwebend, raumlos, wie ein Teil des Ganzen, ohne dagegen aufzubegehren. Allgegenwärtige Verfügbarkeit und Gleichwertigkeit bis hin zur Austauschbarkeit kennzeichnet die ornamentalen Schichten. Die Muster büßen aufgrund der Farbwahl ihre Regelmäßigkeit ein, sodass sie schlussendlich ein Eigenleben erhalten. Die Farben wirken so verteilt, dass die dekorative Wirkung gesteigert wird. Das Unregelmäßige und die scheinbare Schichtung machen die Teppichmuster zu mehr als „nur“ einem Hintergrund. Indem sie ihre Vorhersagbarkeit und Verlässlichkeit aufgeben, spiegeln die Ornamente m. E. Chaos und Kontrollverlust wider.
Schmalix spielt mit der Illusionskraft der Malerei. Er lässt einige Teppiche auf Ziegelmauern erscheinen, womit er die perspektivisch verkürzt gegebene Frau zu einer Darstellung auf dem Teppich verwandelt. Die Titel – beispielsweise „Weight on Elbows“ (2014), „Reduced“ (2013) oder „Perfect Center“ (2015) – sind prosaisch und meist auf die weibliche Hauptfigur und ihr Verhältnis zur Bildfläche konzentriert. Dazu kommen noch Kommentare zu ihren Handlungen. Im Gegensatz dazu lassen einige Landschaftsbilder eine Art von comic-hafter Vermenschlichung der Natur erkennen. Bäume „umarmen“ einander in Liebe, andere werden von einem Wildbach weggespült und sind in „Gefahr“.
Dass Schmalix‘ Bilder im Raum wirken, hat u. a. mit ihrer Größe zu tun. Für das Bank Austria Kunstforum malte Schmalix monumentale Formate, die sich bis zu Panoramen weiten können. Ein Blick reicht hierbei nicht, um die gesamte Fläche zu erfassen. Der wandernde, die Bildfläche abtastende Blick ist ein konstitutiver Bestandteil so mancher Komposition. Das trifft besonders auf die ausufernden Landschaftsbilder der Ausstellung zu. „Just Remembering“ (2015) erstreckt sich auf 8 Metern Gesamtlänge. Die fiktive Landschaft mit schneebedecktem Berg im Zentrum und kleinem Wasserfall davor vermittelt über ansteigende Hügelketten und silhouettierte Baumgruppen zwischen der roten Leere links und der blautonigen Fülle rechts. Die Reduktion der Motive auf Farbflächen und die ornamentale Gestaltung des Wassers führt tief ins kollektive Gedächtnis. Die gewählten Versatzstücke erinnern gleichermaßen an die chinesische Berg-Wasser-Tradition wie an die Alpenmalerei des 19. Jahrhunderts, an Andy Warhols Do-it-yourself Pictures und Malen-nach-Zahlen.
An sich handelt es sich bei diesen Landschaften um die einfachsten Flächengliederungen, um die Darstellung von Tiefe über die in horizontalen Schichten angeordneten Streifen und die Verstärkung dieses Effekts durch die Wahl von äußerst passenden Farben. In diesen beruhigten, kalkuliert gesetzten Gemälden zeigt sich das Farbgefühl des Malers, das in den Teppichbildern zur Steigerung kommt. Dort wird allerdings die Farbharmonie durch die Vielzahl an Motiven und die Überlagerungen gebrochen.
Gleichermaßen sind die geschilderten Idyllen, die Ruhe der lagernden und hängenden Frau gebrochen, schildert Schmalix doch die ewig wiederholten Landschaftsmotive. Naturbelassene Flussläufe, menschenleere Bergregionen oder uralte Bäume spiegelten schon im 19. Jahrhundert mehr die Bedürfnisse von Städter_innen wieder als sie die existierende Realität einzufangen wussten. Dass diese Traumbilder noch immer ihre Gültigkeit haben, macht Hubert Schmalix deutlich spürbar. Dass sie dem Reich der Fantasie entsprungen sind (wie Paul Gauguins Tahiti), gesteht der Künstler freimütig im Interview:
„Mir kamen ein paar zusammengedichtete Landschaften in den Kopf, mit Zaum und Wiese und Bergen – Bilder von Landschaftsbildern. (…) Das gefiel mit ganz gut.“
1952 in Graz geboren
1971–1976 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Klasse von Prof. Max Malcher
1976 Erste Einzelausstellung im Wiener Künstlerhaus; Kunstpreis des Landes Steiermark für zeitgenössische Malerei
1981 „Neue Malerei in Österreich 1“ in der Neuen Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum.
1983 Erster längerer Aufenthalt auf den Philippinen; Ausstellungsbeteiligung „Einfach gute Malerei“ im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien im 20er Haus.
1986/1987 Gastprofessur an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1987 Übersiedlung nach Los Angeles (CAL)
1992–2005 Gastprofessur an der University of California, Los Angeles
1994 Einzelausstellung im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1999–2006 Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien
2002 „Julian Opie und Hubert Schmalix“ im Atelier Augarten, Zentrum für zeitgenössische Kunst der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien.
2005 „Hubert Schmalix. Die ersten Bilder einer kurzen Serie“ in der Galerie im Traklhaus, Salzburg.
2007 „Hubert Schmalix. Figur und Farbe“ an der Neuen Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum.
lebt und arbeitet in Los Angeles und Wien.
I. Brugger/F. Steininger (Hg.)
mit Texten von B. Borchhardt-Birbaumer, I. Kneidinger, G. Oberhollenzer, F. Steininger und einem KünstlerInterview
ISBN 978-3-86828-551-2
Kehrer Verlag, Heidelberg 2015