Parmigianino

Wer war Parmigianino?

Parmigianino (Parma 11.1.1503–24.8.1540 Casalmaggiore, eigentlich Girolamo Francesco Maria Mazzola) war ein italienischer Maler und Radierer des Manierismus (→ Renaissance). Er war in Florenz, Rom, Bologna und seiner Geburtsstadt Parma tätig. Trotz seines kurzen Lebens, Parmigianino starb im Alter von 37 Jahren, hinterließ er eine große Zahl von Werken, die ihn als einen manierierten Nachahmer Correggios ausweisen. Vor allem verlängerte Parmigianino die Körperverhältnisse extrem. Charakteristisch dafür ist besonders die „Madonna mit dem langen Hals“. Zudem zeichnet sich sein Werk durch eine „raffinierte Sinnlichkeit“ aus, was vor allem in seinen Allegorien  spürbar wird.

Kindheit

Parmigianino, „der Kleine aus Parma“, wurde am 11. Januar 1503 als achtes Kind einer Handwerker- und Künstlerfamilie in Parma geboren; wurde wurde auf den Namen Jeronimus Franciscus Maria filius Philipi de Mazolis getauft (13.1.1503). Seine Eltern hießen Filippo Mazzola und einer Donatella Abbati. Von seinen Geschwistern ist nur ein Zaccaria bekannt, ein Maler von geringer Bedeutung, der 1525 in Umbrien dokumentiert wurde.

Ausbildung

Die Familie Parmigianino lebte im Vicolo delle Asse, heute „Borgo del Parmigianino“ genannt. Nach dem frühen Tod seines Vaters Filippo an der Pest im Jahr 1505 wurde er von seinen Onkeln väterlicherseits, Michele und Pier Ilario, aufgezogen. Obschon ihnen Vasari nur bescheidenes Talent zusprach, förderten sie das Wunderkind Parmigianino im Zeichnen und Malen. Zudem ließen sie ihn neben den humanistischen Fächern auch in Naturwissenschaften und Musik unterrichten. Die Lesegewohnheit des Malers wird beispielsweise in einer Zeichnung bezeugt, die sich auf die Fresken der Festung von Fontanellato bezieht: Dort zitiert Parmigianino die erste Strophe des Gedichts CCCXXIV des „Canzoniere“ von Francesco Petrarca.

Wichtige Beispiele für Parmigianinos künstlerische Ausbildung, wenn auch nicht entscheidend, waren vielmehr die Fresken von Correggio und Anselmi in Parma und das Studium der Werke der in Cremona tätigen lombarischen Maler wie Melone, Bembo und vor allem Pordenone. Parmigianino musste sich auch die Werke in der Stadt angesehen haben, wie die von Cima da Conegliano und Francesco Francia, sowie von lokalen Meistern wie Francesco Marmitta und Cristoforo Caselli.

Parma (1515–1521)

Am 27. Februar 1515 erhielten seine Onkel von Nicolò Zangrandi einen Auftrag zur Dekoration einer damals noch im Bau befindlichen Kapelle in San Giovanni Evangelista. Die Insolvenz des Besitzers der Kapelle hatte die Arbeiten verschoben, die erst 1522 beginnen konnten. Früher Parmigianino gegeben, wurden sie erst kürzlich durch die Entdeckung von Vorzeichnungen mit relativer Sicherheit Michelangelo Anselmi zugeschrieben.

Vasari hielt Parmigianino bereits im Alter von 16 Jahren für einen selbständigen Maler, als er,

„nachdem er zeichnerische Wunder vollbracht hatte, eine Tafel aus eigener Laune malte, einen Hl. Johannes, der Christus tauft, die er solcherart ausführte, dass selbst diejenigen, die es sehen, erstaunt sind, dass so etwas von einem Putto so gut dirigiert wurde. Putto hatte so etwas so gut gemacht. Diese Tafel wurde in Parma bei der Nunziata aufgestellt, wo sich die Brüder de' Zoccoli befinden.“

In einem Dokument von 1517, in dem eine Art Hypothek auf das Haus aufgenommen wurde, um der ältesten Tochter eine Mitgift zur Verfügung stellen zu können, wird der damalige Familienstand der Mazzola berichtet: Unter den verschiedenen Mitgliedern befinden sich zwei nicht volljährige, männliche Kinder, Giovanni (20 Jahre) und Francesco (15 Jahre), während Zaccaria, jetzt volljährig (d. h. über 25 Jahre alt), inzwischen die Stadt verlassen hatte, um seinen Anteil an der Hypothek abzubezahlen.

Viadana (1521)

Der Krieg zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I., der Norditalien verwüstete, hatte sich inzwischen Parma genähert. Im Jahr 1521 beschlossen die Onkel daher, Francesco vorsorglich in die Provinz nach Viadana zu schicken, zusammen mit dem jungen Girolamo Bedoli-Mazzola (der 1529 Caterina Elena Mazzola, Tochter von Pier Ilario, heiraten wird). In Viadana malte der 18-jährige Künstler zwei Tafeln in Tempera, die den „Heiligen Franziskus“ für die Kirche der Frati de' Zoccoli (verloren) und die „Mystische Hochzeit der heiligen Katharina“ für San Pietro darstellen, den sog. „Bardi-Altar“ (um 1521, Chiesa di Santa Maria Addolorata, Bardi).

Parmigianino malte laut der Überlieferung von Vasari „zwei Tafeln in Tempera, von denen eine, wo der heilige Franziskus die Hochgeschätzte und die heilige Klara empfängt, in der Kirche der Frati de’ Zoccoli aufgestellt wurde, und die andere, in dem sich eine Hochzeit von Santa Caterina, mit vielen Figuren, wurde in S. Piero platziert. Niemand glaubt, dass dies Werke von Anfängern und jungen Leute sind, sondern von Meistern und alten Männern“.

Parma (Dezember 1521–Sommer 1524)

Der Krieg endete Ende 1521 und Vasari schrieb, dass „nach dem Krieg und Francesco mit seinem Cousin nach Parma zurückkehrte […] er malte in einer Öl-Tafel Unsere Frau mit dem Sohn im Nacken, Hl. Hieronimus auf der einen Seite und den seligen Bernardino da Feltro auf der anderen“ (verloren). Der Sieg über die Franzosen nach deren Belagerung am 21. Dezember 1521 gab kurz darauf den Anlass, zu Ehren der Jungfrau eine neue Kirche zu errichten, an der Parmigianino später zur Ausschmückung beitragen würde: die Madonna della Steccata.

Nach dem kurzen Aufenthalt in Viadana begann Parmigianino um 1521/1522 in der Kirche San Giovanni in Parma zu arbeiten. Parmigianino ist zumindest ab dem 21. November 1522 neben Correggio, Francesco Maria Rondani und Michelangelo Anselmi dokumentiert. In der Kuppel malte Parmigianino mindestens einen Putto neben einem der Pendentifs, „boshafter und flackernder“ als jene von Correggio. Den Quellen zufolge soll er dort auf dem Baugerüst der Kuppel Antonio da Correggio wirklich begegnet sein.

Anschließend widmete sich Parmigianino den Seitenkapellen (erste, zweite und vierte Kapelle des linken Seitenschiffs). Dort kann man bereits einen festen und lockeren Pinselstrich erkennen, sowie Parmigianinos Sensibilität, monumentale Figuren mit psychologischen Deutungen zu schaffen.
In der ersten Kapelle malte Parmigianino die hl. Agata und den Henker in Fresken, die illusionistisch auf die Betrachtenden projiziert sind. Im Gegensatz dazu bleiben die Heiligen Lucia und Apollonia in einer halbkreisförmigen Nische eingefügt. Von Parmigianino sind auch der Fries und der stark beschädigte, darunter liegende „Ewige mit Engeln“.

In der zweiten Kapelle malte Parmigianino „Die beiden lesenden Diakone“, San Vitale oder vielleicht San Secondo, Putten und Tiere und die monochrome Malerei unter dem Bogen der Kapelle. Das Pferd, das sich neben dem Hl. Secondo aufrichtet, bezieht sich auf ein Detail des Freskos der Kreuzigung, das Pordenone zwei Jahre zuvor in der Kathedrale von Cremona gemalt hatte. Dessen heftige und ausgestellte Gesten dämpfte Parmigianino jedoch, indem er sie in weicher und flüssiger Bewegung der Figuren auflöste.

Der Erfolg in San Giovanni öffnete Parmigianino die Türen zu neuen Aufträgen. Bereits am 21. November 1522 unterzeichneten die Erbauer der Kathedrale von Parma mit seinen Onkeln einen Vertrag über die Ausschmückung mit vier Figuren der Kreuzigung über dem Altar. Bei dieser Gelegenheit wurde der Maler trotz seines sehr jungen Alters, das noch die Anwesenheit von seinem Vormund erforderte, bereits als „Magister“ bezeichnet. Eine angemessene Vergütung von 145 Golddukaten wurde vereinbart (man bedenke, dass in Correggio für die gesamte Kuppel und das Zubehör am 3. November 1000 Dukaten gewährt worden waren).

Rom (Sommer 1524–1526)

Im Sommer 1524 reiste Parmigianino mit fünf kleinen Gemälden nach Rom. Er brachte sein berühmtes „Selbstporträt im Konvexspiegel“ (1523/24, KHM, Wien) mit und wurde am Hof sofort als „neuer Raffael“ gefeiert. Der Medici-Papst Clemens VII. versprach Parmigianino, ihm die Dekoration der Sala dei Pontefici anzuvertrauen. Aus dieser Zeit sind einige kleinere Werke überliefert, jedoch scheint sich Parmigianino vor allem Zeichnungen und Studien gewidmet zu haben.

 In dieser Zeit entstand nur dieses einzige Altargemälde. Im Januar 1526 einigten sich Parmigianino und sein Onkel Pier Ilario mit Maria Bufalina aus Città di Castello darauf, die Kirche San Salvatore in Lauro mit einem Altarbild die „Madonna mit Kind und Heiligen“ (1526/27), auch bekannt als „Die Vision des Heiligen Hieronymus“ (The National Gallery of Art, London) zu schmücken. Sie gehörte der Familie Caccialupi, einer Familie bekannter Kirchenbeamter. Parmigianino stellte eine Madonna mit Kind und den Heiligen Johannes dem Täufer und Hieronymus zu ihren Füßen dar. Dieser wichtige öffentliche Auftrag für den jungen Künstler sollte sein erster und letzter sein, den er in Rom fertigstellte. Innerhalb eines Jahres veranlasste die Plünderung Roms jedoch Parmigianino und viele andere Künstler zur Flucht.

Laut Giorgio Vasari arbeitete Parmigianino 1527 während der verheerenden Plünderung Roms an genau diesem Altarbild. Als die kaiserlichen Truppen Karls V. in sein Atelier eindrangen, waren sie von dem, was sie sahen, so erstaunt, dass sie ihm erlaubten, weiterzumachen, und verlangten, dass er Zeichnungen für sie anfertige, wenn er ihn im Gegenzug unversehrt lasse. Parmigianino floh schließlich aus Rom, ohne dass sein bisher größtes Werk vollendet worden wäre. Das Gemälde wurde zur sicheren Aufbewahrung versteckt und erst lange nach dem Tod des Künstlers wiedergefunden, als es von den Erben des Auftraggebers in die Kirche ihrer Familie in Città di Castello überführt wurde.

„Später sagte man, dass der Geist Raffaels in den Körper Francescos übergegangen sei, da man sah, dass dieser junge Mann in der Kunst außergewöhnlich, in den Umgangsformen höflich und anmutig wie Raffael war, und, was noch höher wiegt, weil man hörte, wie sehr er sich bemühte, ihn in allen Dingen, vor allem aber in der Malerei nachzuahmen.“ (Giorgio Vasari über Parmigianino)

Druckgrafiken

Parmigianino gilt als Vater der italienischen Radierung, da er als Erster die Ausdrucksmöglichkeiten des neuen Verfahrens erkannt und konsequent eingesetzt hat. Dafür zeichnet der Künstler bei der Radierung mit der Nadel in eine weiche Abdeckschicht. Beim anschließenden Eintauchen der Platte in ein Bad mit Ätzflüssigkeit graben sich die freigeleg-ten Linien ins Metall ein. Möglicherweise hat Marcantonio Raimondi Parmigianino in die Technik eingeweiht, als dieser zwischen 1524 und 1527 in Rom weilte. Der Künstler hat insgesamt etwa 16 Blätter geschaffen, die vermutlich alle in dieser Zeit entstanden sind. Zu den frühesten gehört die „Grablegung“, Parmigianinos Hauptwerk und seine größte Radierung.

Verschiedene andere Darstellungen ließ er zudem von Künstlern im Kupferstich und im Clair-obscur-Holzschnitt verewigen. Parmigianinos Radierungen hatten großen Einfluss auf die Weiterentwicklung dieser Technik in Italien und wurden häufig kopiert, wovon Drucke von Andrea Schiavone, Giovanni Battista Angolo del Moro oder Guido Reni Zeugnis ablegen.

Bologna (1527–1530)

In den Jahren nach seiner Rückkehr aus Rom hielt sich Parmigianino verstärkt in Bologna auf, weniger als 100 Kilometer entfernt von seiner Heimatstadt Parma. Die Zeit in Bologna war sehr produktiv. Er lebte fast drei Jahre in Bologna. Um 1528 malte er die „Madonna mit Kind und Heiligen“ (Pinacoteca, Bologna), später im Jahr 1528 malte er „Madonna con la Rosa“ (Dresden) und „Madonna mit dem Heiligen Zacharias“ (Uffizien, Florenz).

Parmigianino erhielt viele Aufträge in Bologna, die aber nicht zu einer breiteren Anerkennung führten. Selbst das „Allegorische Porträt Karls V.“ aus dem Jahr 1530 erzielte bei dem Porträtierten offenbar keine Wirkung. In die Bologneser Zeit fällt auch seine Zusammenarbeit mit dem Kupferstecher Antonio da Trento, der ihn vielleicht aufgrund von Verstimmungen im persönlichen Verhältnis der beiden aller seiner Kupferstiche, Holzschnitte und vor allem Zeichnungen beraubte. Parmigianino sah diese Arbeiten nie wieder.

Im Dezember 1531 ernannte Parmigianino Don Nicola Cassola, einen Geistlichen aus Parma an der Römischen Kurie, zu seinem gesetzlichen Vertreter. Parmigianino ermächtigte ihn, 50 Gold-Scudi von Bonifazio Gozzadini für die „Madonna mit dem Hl. Johannes dem Täufer und dem Hl. Zacharias“ entgegenzunehmen.

Parma (1531–1540)

Zwischen April 1530 und Mai 1531 knüpfte der Künstler immer engere Kontakte zu den Gönnern der Madonna della Steccata in Parma. Es ist kein Zufall, dass Correggio 1530 die Stadt verlassen hatte, unzufrieden mit der Kritik an der Kühnheit seines Meisterwerks, der Kuppel der Kathedrale von Parma. Die Kirche wurde von einer Bruderschaft betrieben, die sich verschiedenen Aktivitäten widmete, darunter vor allem der Bereitstellung einer Mitgift für arme, aber ehrliche Mädchen.
Der Vertrag mit Parmigianino wurde am 10. Mai 1531 unterzeichnet und sah für die Freskendekoration der Apsis in der Hauptkapelle und des Unterbogens im Presbyterium vor, für die das Thema der klugen und törichten Jungfrauen gewählt wurde. Es wurde ein Honorar von 400 Gold-Scudi vereinbart; die Arbeiten sollen innerhalb von 18 Monaten abgeschlossen sein.

Seit dieser Zeit wurde Parmigianino in den Dokumenten als „Dominus“ bezeichnet. Der Auftrag umfasste zwei Altarbilder, die den Heiligen Josef und den Heiligen Johannes den Täufer darstellen. Die Bruderschaft, welche die Kirche beaufsichtigte, streckte dem Maler das Gehalt vor und versprach ihm Vorräte und Materialien; 1535 war das Projekt jedoch noch nicht abgeschlossen.

Zu den privaten Aufträgen, die Parmigianino in dieser Zeit annahm, gehört die für eine Familienkapelle gemalte später so genannte „Madonna mit dem langen Hals“ (Uffizien, Florenz). 1534 wurde beschlossen, das Gemälde in der Kapelle der Familie von Elena Baiardi aufzuhängen.

Tatsächlich hatte der Künstler am 6. November 1532 eine erste Verlängerung der Fertigstellung der Fresken in der Madonna della Steccata erwirkt, der 1535 eine einstweilige Verfügung zum Austritt aus der Gesellschaft folgte, die aufgrund seiner Beschwerden im September 1536 in eine neue Verlängerung umgewandelt wurde. Im Jahr 1535 konnte Parmigianino die lange verzögerte Arbeit bei der Ausmalung der Steccata wieder aufnehmen. Zumindest das Tonnengewölbe hat er bis 1538 fertiggestellt. Am 3. Juni 1538 ordneten die Steccata-Hersteller die Rückerstattung von 225 Scudi wegen Nichteinhaltung an. Nachdem die Bruderschaft eine neue Verlängerung bis zum 26. August 1539 erhalten hatte und die Arbeiten im Dezember noch nicht abgeschlossen waren, erhob sie rechtliche Schritte und sperrte Parmigianino wegen Vertragsbruchs für fast zwei Monate ein.

In der notariellen Urkunde vom 19. Dezember 1539 wird festgestellt, dass „Maestro Francesco Mazzolo pictore keine Möglichkeit mehr hat, die pictura de la Capella grande de la giesa nova de la Madonna de la Steccata zu stören oder zu beeinträchtigen“, und dann die Gestaltung Giulio Romano, anvertraut, der jedoch, per Brief und durch einen drohenden, „sehr freundlichen“ Boten von Parmigianino erreicht, die Einladung trotz der anfänglichen Zustimmung zurückzog.

Nach seiner Freilassung verließ der Maler Parma in Richtung Casalmaggiore. Parmigianino hatte wahrscheinlich erwartet, Correggio in der Gunst der Kirche nachzufolgen. Im April 1538 beauftragten die Verwaltungsbehörden jedoch zunächst Giorgio Gandini del Grano, dann Girolamo Bedoli, die Apsis und den Chor der Kathedrale von Parma zu schmücken.
An seiner Statt wurde zwischen 1539 und 1540 Giulio Romano verpflichtet, der aber schon im März 1540 mit dem Argument zurücktrat, dass diese Arbeit über seine Kräfte gehen würde. Schließlich übernahm Michelangelo Anselmi den Auftrag.

Parmigianino und die Alchemie

Es wird angenommen, dass Parmigianino zu dieser Zeit ein Anhänger der Alchemie wurde. Vasari vermutete, dass dies auf seine Faszination für Magie zurückzuführen sei. Heute steht im Vordergrund Parmigianinos wissenschaftliche Interessen, auf seine Besessenheit zurückzuführen, ein neues Medium für seine Radierungen zu finden. Aufgrund seiner alchemistischen Forschungen schuf er nur wenige Arbeiten in der Kirche.

Der Kontakt zu seiner Familie durfte in den 1530er Jahren abgebrochen worden sein. Ob, wie Vasari es andeutet, seine Beschäftigung mit Alchemie dahinterstand oder Parmiginainos Homosexualität, ist nicht bekannt.

Casalmaggiore – letzte Zuflucht

In den ersten Monaten des Jahres 1540 wurde Parmigianino freigelassen. Eine lokale Tradition, die nicht durch Dokumente bestätigt ist, weiß zu berichten, wie der Künstler vor seiner Flucht das wenige Eigene zerstörte, das in der Apsis der Steccata skizziert war. Die Kränkung durch die Brüder war für ihn zu groß. Parmigianino floh danach nach Casalmaggiore, einer Stadt etwas außerhalb der Grenzen des Bundesstaates Parma (heute: Provinz Cremona). Der Maler hatte keine Zeit, in San Secondo Parmense am Hof ​​der Rossi von San Secondo zu bleiben, wo er einige Jahre zuvor zu Gast gewesen sein muss. Damals hatte er ein großes Porträt von Pier Maria Rossi di San Secondo geschaffen und vielleicht dessen Frau nur skizziert, da das Bildnis später von anderer Hand ergänzt wurde.

Im April 1540 schrieb Parmigianino den berühmten Brief an Giulio Romano, in dem er seinen Konkurrenten drängte, solidarisch auf die Aufgabe zu verzichten, Zeichnungen für die Apsis der Steccata zu liefern. Er, Parmigianino, könnte die Fresken sehr gut selbst fertigstellen und die 300 Scudi erhalten, die ihm zustehen würden. Er ließ den Brief von einem seiner „sehr engen Freunde“ zustellen. Dieser, wie Giulio Romano selbst in seinem Absageschreiben an die Brüder der Steccata schrieb, war „sehr arrogant mit großem Geschwätz und sprach in Hieroglyphen […]“.

Um zu überleben, malte Parmigianino in Casalmaggiore ein Altarbild für die Kirche (Dresden). Unter den Teilnehmern herrscht eine unwirkliche Stille. Das Bild ist mit matten und unwirklichen Farben, einschließlich der sorgfältigen Studien in den knapp fünf Monaten fertig gestellt worden. Wie Vasari berichtet, beschäftigte sich Parmigianino in dieser Zeit auch mit einer römischen „Lukretia“ (Neapel).

Tod

Der Künstler erkrankte am 5. August 1540 vielleicht an Malaria.

Parmigianino starb am 24. August 1540 im Alter von 37 Jahren in seinem Refugium in Casalmaggiore an Flussfieber. Dort wurde er „nackt mit einem Kreuz aus Zypressenholz auf der Brust“ auf dem Friedhof der Chiesa dei' Frati dei Servi (Serviten) beerdigt. Seit 1846 erinnert dort eine Gedenktafel in der zweiten Kapelle links an ihn.

Erbe

Parmigianinos Atelier erbte Cavalier Baiardo, der ein Inventar mit 22 Gemälden und 495 handsignierten Zeichnungen erstellte.

Der Maler hinterließ ein Testament, das seine drei noch minderjährigen Diener, die vielleicht auch seine Assistenten waren, begünstigte. Weiters erhielt seine Schwester Ginevra 100 Scudi. Das Erbe muss Parmigianinos Helfern mehr als Sorgen bereitet haben. Unter ihnen muss sich auch jener „sehr gute Freund“ befunden haben, der die Drohbotschaft an Giulio Romano abgegeben hatte. Tatsächlich wies ihnen der Künstler das Haus in Borgo delle Asse zu, in dem seine Familienmitglieder lebten, mit denen er seit Jahren (abgesehen von Ginevra offenbar) die Verbindung abgebrochen hatte, darunter sein Cousin Girolamo Bedoli, ein weniger begabter Künstler. Ihm gegenüber muss er eine Art Ressentiments wegen des Erfolgs gehegt haben, den er in jenen Jahren beim Dombau hatte, als er als Nachfolger von Correggio berufen wurde.

Auf die heikle Frage des Hauses deutet auch die Formel „[zuzuordnen], wenn die vorgenannten Erben das Haus selbst friedlich erwerben und in Besitz nehmen werden“ hin: Es ist nämlich nicht bekannt, wie der Künstler das Recht darauf erlangt hatte, da es bereits Eigentum seines Vaters und seiner Onkel war. Parmigianino hatte es wahrscheinlich über Nacht eingelöst, aber nie dort gelebt und es seinen Brüdern und Cousins ​​überlassen. Vielleicht hatte er es eingelöst und dann verpfändet, ein Vorgang, den er vielleicht mehr als einmal mehr oder weniger legal wiederholt hatte.

Darüber hinaus reichten die Erben am 19. September 1544 eine Klage gegen die Bruderschaft der Steccata ein, um den angeblichen Kredit von Parmigianino einzutreiben. Michelangelo Anselmi (Stellvertreter des Malers bei der Steccata) wurde als Schiedsrichter ernannt, um das Verhältnis zwischen der tatsächlich geleisteten Arbeit und dem verwendeten Gold zu bewerten. Am Ende der Berechnungen und Schätzungen stellte sich heraus, dass der Maler in den fünf Jahren 150 Scudi zu viel verrechnet hatte. Die paradoxe Geschichte, die die Existenz des Malers ruinierte, endete also mit einem Urteil, das sich sogar seinen Erben widersetzte und den Sieg jener Macht festschrieb, die sich ihm widersetzt hatte.

Zu den intensiv von Parmigianino beeinflussten Künstlern zählen sein Cousin Girolamo Mazzola Bedoli und dessen Sohn Alessandro Mazzuoli, Pomponeo Amidano, Giacomo Bertoia, und Francesco Borgani.

Zu seinen Nachfolgen gehören Nicolò dell’Abate, Paolo Veronese, Bartolomeo Schedoni, Andrea Schiavone und Vicenzo Caccianemici.

Nachruhm

Die 1921 veröffentlichte Monografie „Parmigianino und der Manierismus“ von Lili Fröhlich-Bum gilt als wichtiger Markstein der Parmigianino-Forschung, stellt sie doch zum ersten Mal die Bedeutung des Künstlers für die Stilrichtung des Manierismus heraus.

Der heute grundlegende monografische Text über das Werk ist der 1971 erschienene „Catalogue of the Drawings of Parmigianino“ von Arthur E. Popham. Im Jahr 2003 erschien parallel zur Jubiläumsausstellung in Parma und Wien der Katalog „Parmigianino und der europäische Manierismus“. Dieser Ausstellung ging eine internationale Tagung voraus (13.–15. Juni 2002), deren Akten publiziert wurden.

Literatur zu Parmigianino

  • Achim Gnann, Parmigianino: Die Anfänge der Radierung in Italien, in: The Print, hg. v. Christof Metzger (Ausst.-Kat. Albertina, Wien, 2023), Wien 2022, S. 80.
  • Parmigianino: „Die Madonna“ in der Alten Pinakothek, hg. v. Bayerische Staatsgemäldesammlungen München, Ostfildern 2007.
  • Parmigianino und sein Kreis. Druckgraphik aus der Sammlung Baselitz, hg. v. Staatliche Graphische Sammlung München, Ostfildern 2007.
  • Alessandro Nova (Hg.), Parmigianino: Zitat, Porträt, Mythos, Perugia 2006.
  • Giorgio Vasari: Das Leben des Parmigianino, hg. von Alessandro Nova, neu übersetzt von Matteo Burioni und Katja Burzer, bearbeitet von Matteo Burioni, Berlin 2004.
  • Lucia Fornari Schianchi (Hg.), Parmigianino e il manierismo europeo. Kongressakten Parma 13.–15. giugno 2002, Mailand 2002.
  • Emil Maurer, Manierismus. Figura serpentinata und andere Figurenideale, Zürich 2001.
  • David Ekserdjian, Unpublished drawings by Parmigianino. Towards a supplement to Popham's catalogue raisonné, in: Apollo (1999), S. 3–41.
  • Arthur E. Popham, Catalogue of the Drawings by Parmigianino. 3 Bände, New Haven 1971.
  • Lili Fröhlich-Bum, Parmigianino und der Manierismus, Wien 1921.

Beiträge zu Parmigianino

Parmigianino, Madonna mit Kind und Heilige, 1526/27, Öl auf Pappel, 342.9 x 148.6cm (© The National Gallery, London)

London | The National Gallery of Art: Parmigianino: Die Vision des hl. Hieronymus


Das Museum untersucht die Entstehung von Parmigianinos „Madonna mit Kind und Heiligen“ (1526/27), auch bekannt als „Die Vision des Heiligen Hieronymus“. Zum ersten Mal nach der Konservierung, die zehn Jahre in Anspruch nahm, wird es wieder zu sehen sein.