Das Parthenon in Athen ist eines der berühmtesten Gebäude der Antike. Seine Skulpturen werden auch heute noch bewundert. In diesem Beitrag sehen wir uns an, warum der Tempel so berühmt war (und ist), und warum diese ikonischen Werke einen Schlüsselmoment in der Geschichte der Kunst einnehmen.
Das Parthenon, ein Tempel für die Göttin Athene auf der Akropolis in Athen, wurden zwischen 447 und 438 vor Christi Geburt (v.Chr./v.u.Z.) erbaut. Die Architekten des Parthenon waren Iktinos und Kallikrates. Das altgriechische Wort parthénos [παρθένος] bedeutet Mädchen oder Jungfrau und unverheiratete Frau. Parthenon (griechisch παρθενών) lässt sich als „Jungfrauengemach“ übersetzen. Wie dieser Name entstand und was er genau bezeichnet, ist umstritten. Meist wird angenommen, dass er „Tempel der Jungfrau Athene“ bedeutet. Allerdings könnte das „Jungfrauengemach“ auch ein Raum gewesen sein, in dem vier ausgewählte Jungfrauen (Arrephoroi) einen Peplos für Athene woben, der zu Ehren der Göttin übergeben wurde.
Das Parthenon ist ein dorischer Peripteros, d.h. ein Ringhallentempel, und wurde zum Dank für die Rettung der Athener und Griechen durch die Göttin Athene nach dem letzten Perserkrieg errichtet. Während der persischen Eroberung Athens 480 v.u.Z. war der Vorgängerbau zerstört worden. Die Größe des neuen Parthenon Tempels (8 x 17 Säulen) und der Einsatz von weißem, pentelischem Marmor repräsentierten die Macht und den Reichtum der Stadt auf der Höhe ihres Ruhms. Mitte des 5. Jahrhunderts regierte Perikles, der ein ambitioniertes Bauprogramm auf der Akropolis plante.
Der Parthenon Tempel war reich mit Skulpturen des berühmten Bildhauers Phidias geschmückt, der mit Perikles befreundet war. Die Ausstattung dürfte bis 432 v.u.Z. fertiggestellt worden sein. Die Giebel und Metopen stellen Episoden aus griechischen Mythen dar, während der Parthenon Fries entgegen der Tradition die Bevölkerung von Athen in einer religiösen Prozession zeigt. Die Athener am Fries wurden nicht porträthaft eingefangen, sondern als ideale Gemeinschaft dargestellt. Die Gesellschaft zur Zeit des Perikles wollte sich erinnert wissen. Zu den berühmtesten Darstellungen am Parthenon zählen der Kopf eines Pferdes der Selene (Mondgöttin) und der Flussgott Ilissos am Giebel. Im Inneren des Tempels stand eine kolossale Statue der Athena Parthenos. Diese Monumentalfigur war aus Gold und Elfenbein gefertigt, von Phidias entworfen und dürfte 438 v.u.Z. geweiht worden sein.
Phidias war der berühmteste Bildhauer der Antike. Vor allem als künstlerischer Leiter des Athener Bauprogramms, darunter den Parthenon Skulpturen und die Athena Parthenos, konnte er seine Fähigkeiten als Entwerfer und Organisator unter Beweis stellen. In der älteren Forschung war die Frage, wieviel Anteil Phidias an der Ausführung hatte, stark diskutiert. Heute hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass der berühmte Bildhauer und Freund von Perikles die Entwürfe lieferte und das Gesamtprogramm entwickelt haben dürfte. Unbekannte Bildhauer, deren Handschriften unterschieden werden können, setzten diese in einem Werkstattprozess um.
Über Phidias‘ Leben ist nicht viel überliefert. Er wurde in der Werkstatt von Ageladas von Argos ausgebildet. Danach arbeitete Phidias hauptsächlich in Athen. Für die Ausführung der Monumentalstatute des sitzenden Jupiters übersiedelte er sein Atelier nach Olympia. Mit diesem Werk schuf er eines der sieben Weltwunder der Antike.
Der Parthenon Tempel hat eine lange und komplexe Geschichte. Über die Jahrhunderte wurde das Gebäude verändert und die Skulpturen beschädigt.
Der Tempel der Athena Parthenos wurde um 500 n.u.Z. zur christlichen Kirche der Jungfrau Maria von den Athenern, weshalb er die folgenden 1000 Jahre überstand. In dieser Zeit wurde der mittlere Teil des Ostgiebels entfernt, wobei ein Dutzend Statuen zerstört wurden. Teile des Ostgiebels wurden abgenommen und nahezu allen Figuren auf den Metopen der Ost-, Nord- und Westseite wurden die Köpfe abgeschlagen.
Im Jahr 1460 wurde das griechische Festland vom Osmanischen Reich erobert und der ehemalige Tempel in den frühen 1460ern in eine Moschee umgewidmet. Wie gut der Bildschmuck noch 1674 erhalten war, belegen Zeichnungen des Franzosen Jacques Carrey, der nur wenige Jahre vor der teilweisen Zerstörung des Parthenon den Tempel dokumentierte. Als die Athener 1687 unter Belagerung der Venezianer standen, wurde das Parthenon als Lager für Schießpulver verwendet. Eine riesige Explosion blies das Dach weg und zerstörte große Teile der verbleibenden Skulpturen. Seither ist der Parthenon als Ruine erhalten geblieben.
Im Jahr 1764 unternahm die Society of Dilettanti, eine britische Vereinigung von Sammlern, Gelehrten und Adeligen, eine Expedition auf die Ionischen Inseln. Sie wurde von dem Grafiker William Pars begleitet. Auf ihrem Weg zurück nach England machte die Reisegesellschaft Station in Athen, um die Akropolis zu besichtigen. William Pars wurde in einem Korb zu den Parthenon Skulpturen hinaufgezogen und sah sie erstmals von Angesicht zu Angesicht. Vor allem seine Zeichnungen nach den Halbreliefs des Parthenon Tempels wurden zu wertvollen Dokumenten für alle Interessierte in Europa.
Zehn Jahre später sah Johann Wolfgang von Goethe die Zeichnungen der Parthenon Skulpturen bei Sir Richard Worsley, dem britischen Repräsentanten in Venedig. Wie immer der Adelige in ihren Besitz gekommen ist, ist nicht bekannt. Goethe beschrieb sie erstmals in der „Italienischen Reise“ (August 1787). Der deutsche Autor meinte über die Halbreliefs:
„Es ist unmöglich sich etwas Schöneres vorzustellen. […] Sie machten einen unvergesslichen Eindruck auf mich.“ (Goethe in einem Brief aus Rom)
Um 1800 war etwa noch die Hälfte der originalen Skulpturen vor Ort erhalten. Nachdem der Britische Botschafter am Osmanischen Hof, Thomas Bruce, 7. Lord Elgin, im Jahr 1801 die Erlaubnis dafür erhalten hatte, ließ er die Hälfte der erhaltenen Parthenon Skulpturen abnehmen. Elgin war ein leidenschaftlicher Verehrer der antiken griechischen Kunst und ließ die Skulpturen auf eigene Kosten nach Großbritannien verschiffen. Nach ihrer Ankunft in London hinterließen die Parthenon Skulpturen, nun in England „Elgin Marmbles“ genannt, einen tiefen Eindruck, der sich auch auf die europäische Kunst auswirkte.
1807 stellte Lord Elgin die Parthenon Skulpturen in dessen eröffneten Museum erstmals aus. Der Transport der Kunstwerke hatte den Lord in finanzielle Bedrängnis gebracht, weshalb er sie dem britischen Staat zum Kauf anbot. Neun Jahre später, 1816, fasste das Parlament den Beschluss, die Skulpturen des Phidias zu erwerben. Seit 1817 sind sie kostenlos im British Museum zugänglich.
Der Bestand der Parthenon Skulpturen im British Museum umfasst etwa 75 Meter des Frieses (von ursprünglich ca. 160 Metern), 15 der 92 Metopen, 17 Figuren der zwei Giebel und verschiedene Architekturteile. Etwa die Hälfte der überkommenen Skulpturen verblieb in Athen, darunter die restlichen Metopen (v.a. von der Ost-, Nord- und Westseite des Gebäudes), der Fries (v.a. die Nord- und Westseite) sowie die Giebel und das Akroterion. Während der 1970er Jahre startete der griechische Staat ein Restaurierungsprogramm der Akropolis und ihrer Monumente. Als Teil dieser Arbeiten wurden alle architektonischen Skulpturen des Parthenon in das Akropolis Museum transferiert. Dadurch sind sämtliche Werke nun Ausstellungsstücke in Museen. Wenn auch die Skulpturen hauptsächlich zwischen Athen und London aufgeteilt wurden, so befinden sich einige wichtige Exponate in anderen wichtigen europäischen Museen, darunter dem Louvre und die Vatikanischen Museen. Der Streit um die Rückgabe der Parthenon Skulpturen an Griechenland hält noch an.
Die Parthenon Skulpturen haben Künstler und Schriftsteller seit Generationen inspiriert. Die Liste der Bewunderer ist lang und reich von John Keats bis Henry Moore. Unter ihnen war der französische Bildhauer Auguste Rodin vielleicht der einflussreichste. Er sah in Phidias einen verwandten Geist und künstlerischen Mentor (→ Rodins Bewunderung für Phidias).