Radek Knapp trifft Alfred Kubin; Autor erzählt die Bilder Kubins neu
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Radek Knapp trifft Alfred Kubin „Die Stunde der Geburt“ in Buch und im Leopold Museum

Radek Knapp trifft Alfred Kubin

Der österreichische Autor Radek Knapp (* 1964) trifft auf den Zeichner, Druckgrafiker und Autor Alfred Kubin (1877–1959). Stefan Kutzenbgerer, Komparatist und Kurator der Ausstellung im Leopold Museum, lud Knapp ein, sich mit Blättern des bedeutenden österreichischen Grafikers literarisch auseinanderzusetzen. Entstanden ist eine „Graphic-Story“, eine neue Art die fantastische und absurde Bildwelt des Oberösterreichers zu lesen, in der sich Kunst, Literatur und die ewige Frage des Menschseins auf Augenhöhe treffen.

Die Sammlung Leopold besitzt rund 280 Zeichnungen und Lithografien von Alfred Kubin aus allen Schaffensperioden. In den letzten Jahren wurden vor allem Blätter der Frühzeit des Künstlers präsentiert. Kubin hatte nach schwieriger Kindheit und nicht abgeschlossener Fotografenausbildung 1898 ein Kunststudium in München begonnen, das er ebenfalls bald abbrach. Im Sommer 1898 löste Max Klingers Radierzyklus „Paraphrase über den Fund eines Handschuhs“ einen krisenhaften Schub aus. Kubin sah einen „Sturz von Visionen schwarz-weißer Bilder“ und fand seine ihm eigene Ausdruckskraft. Bis circa 1903 hielt dieser Schaffensrausch an, während dessen Alfred Kubin sein phantastisch-albtraumhaftes Frühwerk produzierte. Dies ist geprägt von der im Jahr 1900 entwickelten Technik der schwarz-weißen Tuschfederzeichnung mit Lavierungen in Kombination mit Spritztechnik, die an die dunklen Aquatinta-Radierungen von Goya oder Klinger erinnert. Wichtig für das gesamte Werk von Kubin wurden aber auch seine Kontakte zur, Bohéme, zu Literaten und Publizisten, die er in den Münchner Kaffeehäusern Café Stefanie und Café Elite kennenlernte. Dazu zählten u. a. Eduard von Keyserling, Frank Wedekind, Fritz von Herzmanovsky, Hans von Weber. Letzterer gab Kubins erste Grafikmappe heraus und förderte ihn maßgeblich.

Um 1905 wandte sich Alfred Kubin der Buchillustration zu. Ausschlaggebend dafür dürfte die Begegnung mit Gustav Meyrink am Semmering gewesen sein, mit dem er einen Plan für die Illustration des Romans „Der Golem“ entwickelte. Doch auch in den Novellen von Edgar Allan Poe. E.T.A. Hoffmann oder von seinem Schwager Oscar A.H. Schmitz, dessen Band „Haschisch“ 1902 erschienen war, begeisterte er sich für die halluzinierten Bilder und Begebenheiten, die Geschichten von Erotik und Tod. Bis heute gilt Alfred Kubin als einer der bedeutendsten Phantastiker dieser Zeit, der in seinem eigenen Roman „Die andere Seite“ (1909) in Bild und Text eine dystopische, unfreie Gesellschaft entwarf. Dass er dafür die Zeichnungen für den erst im Entstehen begriffenen Roman „Der Golem“ verwendete, zeigt, wie frei sich Kubin neben der Textvorlage bewegte und seine Illustrationen nicht als sklavische Umsetzungen einzelnen Worte verstand. Radek Knapp geht nun den umgekehrten Weg: Er wählte 40 Blätter aus, um sie als Inspirationen zu seiner Erzählung über eine immer autoritärer regierte Gesellschaft zu nutzen.

Erstveröffentlichung: PARNASS 1/2017

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.