Es muss dem in Berlin lebenden Bildhauer-Fotografen Thomas Demand (* 1964) wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein, als ein Redakteur von The New York Times Magazine 2008 bei ihm anrief und fragte, ob er das Oval Office, das Büro des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, für eine Coverstory ins Bild setzen könne. Die Sonntagsbeilage der renommierten New York Times widmete am 7. November 2008 unter dem Titel „After the Imperial Presidency“ einen Artikel der Frage nach der wirklichen Macht des amerikanischen Präsidenten. Man wandte sich an den Künstler, da dieser seit Jahren dafür bekannt ist, mehr oder weniger geschichtsträchtige Orte in seinem Atelier 1:1 nachzubauen und dann abzufotografieren. Dabei reduziert er die Objekte auf ihre reine Form, läßt alles an „Details“ wie z.B. die Schrift aber auch den Menschen weg. So entstehen überzeitliche, oftmals auch gespenstisch anmutende, verlassene Orte der Stille voll ungreifbarer Atmosphäre.
Österreich | Wien: MUMOK, Faktory
26.9. – 29.11.2009
Derzeit kann man die fünf entstandenen Fotos in einer inhaltlich spannenden Gegenüberstellung mit der Werkserie „Embassy“ in der Factory des MUMOK in Wien sehen. Die Ausstellungsarchitektur führt den Betrachter gleichsam symbolisch durch die abgebildeten Innenräume. Rechts vom Eingang wird vor weiß gestrichener Wand und in offener Präsentation „Presidency“ dargeboten. Links gegenüber entwickelt der Künstler mit Hilfe eines verwinkelten Einbaus schwarzer Wände eine Raumverschachtelung, die inhaltlich mit der Serie „Embassy“ (2007) zusammengeht. Die neun Fotos von „Embassy“ zeigen die in einem anonymen Hochhaus gleichsam versteckte Botschaft von Nigeria in Rom. Der Ort wurde jäh ins Bewußtsein der Welt geholt, als im Jänner 2001 dort eingebrochen und Briefpapier und Stempel gestohlen wurden. Diese wurden in der Folge dazu verwendet, um „Beweise“ für Saddam Husseins Versuche zu fälschen, „Yellowcake“, d.h. angereichertes Uran, aus Afrika zu erwerben. Obwohl die Dokumente bald als Betrug erkannt wurden, verwendete sie die Bush-Administration, um den Irakkrieg zu legitimieren. Thomas Demand verschaffte sich erstmals Zutritt zu dieser Botschaft und rekonstruierte das Büro aus seinem Gedächtnis. Die Werkserie entwickelt sich wie eine filmische Annäherung: zuerst die Fassade mit der obligaten Fahne, dann das Stiegenhaus, der Flur und schlussendlich der Schreibtisch. Die Präsentation der beiden Werkserien schließt sich im MUMOK zu einem Kreis von präsidialer Macht-Repräsentation, Bürokratie, geheimer Operationen und der medialen Vermarktung dessen, was der Bürger wissen darf.
Die re-konstruierten Räume in den Bildern Demands sind menschenleer, die Lichtführung wirkt natürlich und die Kameraführung bietet eine klandestine, manchmal voyeuristische Blickachse an. Viele der Fotos wirken unheimlich und erinnern vage an bereits gesehene Orte. Und trotzdem ist man oftmals nicht in der Lage, diese Erinnerungen genau einzuordnen. Thomas Demand arbeitet mit Erinnerungsräumen, aufgeladen mit Geschichten und/oder Repräsentanz, ohne diese Geschichten zu erzählen. Durch seine Rekonstruktion verlieren die Räume jegliche erzählerischen Details. Erinnern wir uns überhaupt noch an all diese „Tatorte“ der Geschichte, die uns hier wie verblassende Echos vorgeführt werden? Letztendlich, so muss man konstatieren, bleiben uns die medial vermittelten Erfahrungen genauso fremd, wie Demands Modelle sich hermetisch dem Menschen verschließen.
1964 in München (D) geboren
1987-1990 Akademie der Bildenden Künste, München
1990-1992 Kunstakademie Düsseldorf
1993-1994 Goldsmith College, London
Lebt und arbeitet in Berlin