Paris | Musée Guimet: Am Hof von Prinz Genji | ARTinWORDS
0

Paris | Musée Guimet: Am Hof von Prinz Genji 1000 Jahre japanische Fantasie | 2023/24

Die Geschichte von Genji

Die Geschichte von Genji

Das kaiserliche Japan während der Heian-Zeit (794–1185) ist für die extreme Raffinesse seiner Hofkunst bekannt. Während dieser Periode künstlerischen Aufschwungs entstand im 11. Jahrhundert ein Hauptwerk der japanischen Literatur: die „Geschichten des Prinzen Genji“ (Genji monogatari), geschrieben von der Dichterin Murasaki Shikibu (ca. 978–ca. 1014). Die Autorin inspirierte mit ihrem Text über 1000 Jahre eine äußerst reiche Ikonografie bis hin zu zeitgenössischen Mangas. Itaro Yamaguchi (1901–2007), Webermeister in Kyoto, dessen vier außergewöhnliche gewebte Rollen erstmals vollständig präsentiert werden.

Die Geschichten des Prinzen Genji

Der berühmteste Text sind die im 11. Jahrhundert von der Dichterin Murasaki Shikibu geschriebene „Geschichten des Prinzen Genji“. „Genji Monogatari“, so der japanische Titel, gilt heute als das repräsentativste Werk der klassischen japanischen Literatur. Der Roman „Die Geschichten des Prinzen Genji“ besteht aus 54 Kapiteln und beschreibt das Leben des Prinzen, von den Liebesabenteuern seiner Jugend bis zu seinem Tod, sowie das Leben seiner Nachkommen und stellt dabei einige der berühmtesten weiblichen Charaktere in der Geschichte der japanischen Literatur vor.

Durch eine subtile Beschwörung aller Raffinessen des kaiserlichen Hofes öffnet die „Geschichte von Genji“ den Weg zu außergewöhnlicher malerischer Kreativität und lässt eine äußerst reiche Ikonografie entstehen, wie Lacke, Drucke, Stoffe, Kimonos, Skulpturen, Gemälde und kostbare Gegenstände aus dem Guimet Museum und mehreren französischen und japanischen Sammlungen bezeugen. Marie-Antoinette selbst sammelte Lackkästchen mit Szenen aus der Genji-Geschichte.

Am Hof von Prinz Genji in Paris

Der erste Teil der Ausstellung lädt den Besucher ein, durch die Erinnerung an traditionelle Architektur in das alte Japan einzutauchen. Der Besucher erkundet die Heian-Zeit (794–1185) und ihre Hofkunst. In dieser Zeit der Freiheit der Frauen und ihrer besonders reichen künstlerischen Produktion entstand insbesondere eine weibliche Literatur, die in der Geschichte Japans einzigartig ist. Während die chinesische Kanshi-Dichtung weiterhin das Vorrecht männlicher Führungseliten bleibt, greifen Frauen zu Gedichten im Waka-Stil, die sie in einem aus dem Chinesischen abgeleiteten und an die japanische Sprache der damaligen Zeit angepassten Kursivschriftsystem verfassen. Befreit vom chinesischen Vorbild werden sie Werke produzieren, die Waka und Prosa in Form von Tagebüchern oder erzählten Geschichten vermischen.

Dieser Gründungsroman der japanischen Kultur hat bis heute viele Künstler und Handwerker und sogar neue Kunstformen inspiriert. Insbesondere der Manga, der mit atemberaubendem Einfallsreichtum die Bildcodes, Themen und Szenen der Genji-Geschichte neu interpretiert, der berühmteste davon ist zweifellos „Asaki yume mishi“ von Waki ​​Yamato (*1948). Das meisterhafte Werk „The Tale of Gengi“ wird auch heute noch adaptiert, wie die aktuelle Ausgabe von Sean Michael Wilson mit Illustrationen von Inko Ai Takita beweist, die die Wände und den Boden eines Ausstellungsraums schmücken wird.

Der zweite Teil der Ausstellung ist Itarô Yamaguchi (1901–2007) gewidmet, einem Webermeister aus dem Nishijin-Bezirk von Kyoto, der vier wundervolle Schriftrollen mit Illustrationen zur Geschichte von Genji webte und dem Guimet-Museum schenkte. Die Textilien stellen den Höhepunkt eines hingebungsvollen Lebens zum Weben dar. Hergestellt aus bemalten Schriftrollen aus der Heian-Zeit und durch Hybridisierung mit der hohen westlichen Technik der Jacquard-Mechanik und ihrem digitalen Avatar, werden die vier außergewöhnlichen Schriftrollen zum ersten Mal zusammen gezeigt und in ihrer Gesamtheit entfaltet. Neben ihnen werden Alltagsgegenstände, Vorzeichnungen und weitere Arbeiten vom Meister präsentiert.

Quelle: Musée Guimet

Werke

  • Paravent mit sechs Feldern, Illustration von Genji Monogatari, Momoyama-Zeit, Ende des 16.–Anfangs des 17. Jahrhunderts, Privatsammlung © Marc Boyadjian
  • Gewebte Schriftrolle der Geschichte von Genji, Itarô Yamaguchi (1902–2007), MA12236 © RMN-Grand Palais (MNAAG, Paris) / Thierry Ollivier
  • Lackdose, Japan, 18. Jahrhundert, ehemalige Sammlung von Marie-Antoinette, MR380-72 © RMN-Grand Palais (MNAAG, Paris) / Thierry Ollivier

Weitere Beiträge zur japanischen Kunst

20. Oktober 2023

Basel | Kunstmuseum Basel: Farbholzschnitte von Hiroshige, Kunisada und Hokusai Made in Japan | 2024

Berühmte japanische Farbholzschnitte von Katsushika Hokusai, Utagawa Hiroshige und Utagawa Kunisada sind - bisher unbekannt - im Basler Kupferstichkabinett zu finden. Ausdrucksstarke Schauspieler, actiongeladene Helden und schöne Frauen neben eindrucksvollen Landschaften sind im Führjahr 2024 zu bewundern.
18. November 2015
Édouard Manet, Chrysanthemen, 1881, Öl auf Papier, 17 × 59 cm, The Museum of Modern Art, Ibaraki, Präfektur Ibaraki.

Japans Liebe zum Impressionismus Kulturaustausch zwischen Ost und West: Werke des Impressionismus in Japan und japanische Künstler in Frankreich

Etwa 100 Werke aus den Sammlungen bedeutender japanischer Museen und Sammlungen veranschaulichen die Liebe der Japaner zum französischen Impressionismus. Wer allerdings hofft, die berühmten „Sonnenblumen“ (1888) Van Goghs in der Schau zu entdecken, wird enttäuscht. Stattdessen versammelt die Bundeskunsthalle in Bonn einige äußerst sehenswerte und vor allem wenig bekannte Exponate von Monet, einen wichtigen Degas, ein Gemälde von Berthe Morisot, Skulpturen von Rodin (z. T. posthume Güsse), während die Auswahl an Werken des bereits genannten Holländers und Paul Gauguins weniger atemberaubend ist. Die japanischen Impressionisten hingegen zeigen sowohl die Faszination derselben für diese europäische Gestaltungsform und übertragen sie in eine nochmals japanischere Variante.
30. September 2014
Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan, Cover (Steidl Verlag)

Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan Japonismus in Essen

Gemeinsam mit dem Kunsthaus Zürich stemmt das Museum Folkwang in Essen eine wichtige Schau und einen gewichtigen Katalog über den transkulturellen Austausch zwischen französischen und japanischen Künstler_innen. Bislang musste man die Publikationen von Klaus Berger und Siegfried Wichmann (beide 1980) in die Hand nehmen, um sich über dieses Thema umfassend zu informieren, jetzt zeichnet der Katalog aus dem Steidl Verlag die Faszination am Japanischen zwischen 1860 und 1910 mustergültig nach.

Aktuelle Ausstellungen

10. Mai 2024
Sebastién Bourdon, Königin Christina von Schweden auf einem steigenden Pferd, 1653/54 (Museo Nacional del Prado)

Madrid | Prado: Die weibliche Perspektive Sammlerinnen des Prado | 2024

Die Sammlerinnen des Prado - von Elisabeth von Bourbon bis Maria Anna von Neuburg-Pfalz (1602-1700) - werden im Sommer 2024 in der Sammlung sichtbar gemacht.
2. Mai 2024
Wassily Kandinsky, Die Lyra, 1907 (Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Philippe Migeat)

Oslo | National Museum: Wassily Kandinsky Druckgrafik zwischen Märchen, Exotik und Abstraktion | 2024

Entwicklung der Abstraktion: Die Ausstellung basiert auf einer großzügigen Leihgabe des Centre Pompidou in Paris und zeigt eine Auswahl von Kandinskys frühen Werken.
26. April 2024
Amedeo Modigliani, Chaim Soutine

Potsdam | Museum Barberini: Modigliani Moderne Blicke | 2024

Amedeo Modiglianis berühmte Porträts & weibliche Akte werden auf ihr Frauenbild hin wieder neu befragt.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.