Carl Spitzweg (1808–1885) begann erst nach Abschluss seines Pharmaziestudiums sich intensiv mit Malerei zu beschäftigen. Das seit 1836 entstandene Werk umfasst etwa 1.700 Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Entwürfe für humoristische Blätter. Berühmt ist Spitzwegs „Der arme Poet“, dessen Protagonist als Synonym für den romantischen Künstler in die Geschichte einging. Der Biedermann, der Mönch, der Soldat, der Gelehrte, das hübsche Mädel und seine Mutter – alle (spät-)biedermeierlichen Figuren – bekommen in Spitzwegs Werk ihr Fett weg.
Österreich / Wien: Leopold Museum
25.3. – 19.6.2017
Der zeitlebens unverheiratete Künstler aus München reiste unentwegt und fand in Bayern, dem Voralpengebiet und in Werken der Alten Meister Motive wie Inspirationen. Seine kleinformatigen Gemälde, die Carl Spitzweg oft auf Deckel von Zigarrenkisten malte, verkauften sich bestens. Kritikererfolg auf der Pariser Weltausstellung von 1867 und der I. Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast 1869 festigten den Ruf des Münchner Malers als einen führenden Chronisten und Gesellschaftsanalytiker seiner Zeit: Seine malerischen Kleinstädte ohne Spuren der Modernität, seine lichtdurchflossenen Landschaften mit wenig Figurenstaffage, die ruhigen, biedermeierlichen Interieurs oder seine augenzwinkernden Analysen menschlichen Versagens versprühen einen Hauch Nostalgie – und gemahnen, dass die „gute alte Zeit“ eben auch nur eine Utopie war. Heute zählt Carl Spitzweg zu den führenden deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts und zu den bekanntesten der Münchner Malerschule.
Franz Carl Spitzweg wurde als zweiter Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Simon Spitzweg in München geboren. Dass Carl Spitzweg sich anfangs der Pharmazie zuwandte, war dem Wunsch seines Vaters geschuldet. Bis 1829 ging er in die Lehre, danach studierte er Pharmazie mit den Fächern Toxikologie, Biologie, Botanik, Geologie und andere Naturwissenschaften an der Universität München und schloss das Studium 1832 mit Auszeichnung ab. Der wirtschaftlich unabhängige Spitzweg wandte sich – erst nach einer schweren Typhuserkrankung 1833 – gänzlich der Malerei zu. Während seiner Genesung lernte er den Hamburger Maler Christian Heinrich Hansonn (1790–1863) kennen, danach trat Spitzweg eine zweite Italien-Reise an, die ihn nach Venedig, Florenz, Rom und Neapel führte. Ein Jahr später bewegte er sich bereits in Künstlerkreisen in München und hatte sich entschlossen, Maler zu werden. Zu seinen wichtigsten Künstlerfreunden zählten Eduard Schleich der Ältere (1812–1874), Christian Morgenstern, Dietrich Langko und Friedrich Voltz, sowie der Landschaftsmaler Heinrich Bürkel (1802–1869). Einige Jahre später lernte er auch Moritz von Schwind (1804–1871) und Eduard Grützner (1846–1925) kennen.
„Seit der Zeit nun hab ich die Pharmazie totaliter an den Nagel gehängt, aber bin deswegen nicht das geworden, was Du zu glauben scheinst, nach der Schilderung Deines Privatlebens wenigstens, sondern ich war die Zeit über vielleicht so wenig müßig, als wenn ich in der Apotheke gewesen wäre. Ich wählte einen andern Stand oder vielmehr eine andere Beschäftigung und hieß Dich raten. – warum ratst denn nicht? - “1 (Carl Spitzweg in einem Brief an seinen Bruder Eduard)
Die frühesten Werke Spitzwegs können in die 1820er Jahre datiert werden, als er beispielsweise seine Großmutter porträtierte. Ab 1836 entstanden die ersten Gemälde des Autodidakten, der die traditionelle Ausbildung (Zeichnen nach Gipsvorlagen, Einschränkung auf religiöse, mythologische und historische Themen, unterrepräsentierte Landschaftsmalerei) an der renommierten Münchner Akademie schlichtweg ablehnte. Einer der wichtigsten Künstlerfreunde der folgenden Jahre, Eduard Schleich der Ältere (1812–1874), lehrte ihn die Landschaftsmalerei. Zudem begleitete Schleich Carl Spitzweg auf vielen Kunstreisen zwischen Oberitalien, Wien, Prag (1849), Belgien, Paris und der Weltausstellung nach London (1851). Zeit seines Lebens lebte der unverheiratete, naturwissenschaftlich interessierte Carl Spitzweg in München, Heumarkt 3, und malte kleinformatige Genrebilder voll versteckter Gesellschaftskritik.
Bereits mit einem seiner frühesten Bilder schuf Carl Spitzweg seine berühmteste Komposition: „Der arme Poet“ zeigt einen Schriftsteller, der auf einigen Matratzen in der Ecke einer karg eingerichteten Dachkammer liegt und schreibt. Das Interieur lässt auf Armut schließen, ein Regenschirm soll den Poeten vor einbrechendem Wasser schützen. Der Blick aus dem Fenster zeigt ein winterlich verschneites Dach, und dennoch hat der Schreiber kein Feuer angemacht. Der Kälte trotzt er, indem er sich in seine Laken hüllt, oder seine Schriften verbrennt. Anstelle eines hehren Künstlergenies präsentierte Spitzweg eine bemitleidenswerte Figur. So wie man sich einen Bohémien vorstellt: antibürgerlich, arm, aber inspiriert. Inspirationsquellen könnten literarische Vorlagen wie August von Kotzebue (1761–1819) und August Friedrich Langbein (1757–1835) oder englische bzw. französische Genrebilder und Satiren gewesen sein – wie von William Turner, Honorée Daumier, Tommaso Minardis „Selbstbildnis“ (1803). Stilistisch ist das Frühwerk noch ganz von der Linie und Form her gedacht, um der anekdotenreichen Bilderzählung und allen Details volle Aufmerksamkeit zu gewähren.
In diesem Werk zeigt Carl Spitzweg bereits jene Ingredienzien, die sein Schaffen auszeichnen: Ein skurriler Sonderling, abgeschottet von der Welt, widmet sich seiner Passion – in diesem Fall dem Schreiben von Gedichten. Er liegt mit Schlafmütze und Gehrock bekleidet auf seinen Matratzen, die rund um seine Liegestatt aufgestapelten Bücher, sein angehäuftes Wissen befreien ihn jedoch nicht aus seiner finanziell prekären Lage. Dennoch lässt sich der arme Poet nicht von seiner Lebensführung abbringen. Weder familiäre Bindungen noch Einkommen können ihn von seiner Muse weglocken. Die viel diskutierte Geste des Schreibers (Skandieren eines Verses oder doch Zerdrücken eines Flohs?) ist zweifellos doppeldeutig. Erst nach langer Betrachtung des Gemäldes und ein gerütteltes Maß an Einfühlung zeigt sich Spitzwegs Sozialkritik. Ob der arme Poet auch als Anti-Revolutionär gemeint war, lässt sich nur vermuten. Die Zipfelmütze könnte auf die Figur des sogenannten „deutschen Michel“ verweisen, dessen Schlafmütze im Vormärz die Verschlafenheit ihres Trägers und dessen Rückzug in die eigenen vier Wände symbolisiert – gleichzeitig aber auch als politisches Symbol für die deutsche Einheit verstanden wurde!
Als Carl Spitzweg das gerade fertiggestellte Bild „Der arme Poet“ auf der Ausstellung des Münchner Kunstvereins der Öffentlichkeit vorstellen wollte, erntete er dafür harsche Kritik und Ablehnung seines Werks. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der idealisierten Tätigkeit des Schreibens und den Lebensverhältnissen des Schreibers wurde von den meisten Kritikern rundweg abgelehnt. Bereits in seinem Erstlingswerk arbeitete Spitzweg mit der Verdichtung von Beobachtungen sowie ironischen Kommentaren auf seine Umwelt. Von dem Gemälde „Der arme Poet“ gibt es vier Versionen: eine Ölstudie2 und ein ausgeführtes Gemälde3 aus dem Jahr 1837, zudem zwei weitere nahezu identische Versionen des „Armen Poeten“ von 1839. Eine der späten Fassungen von „Der arme Poet“ befindet sich seit 1887 in der Münchner Neuen Pinakothek, ein Neffe des Malers hatte das Gemälde dem Museum geschenkt. Die zweite Fassung war ehemals in Besitz der Neuen Nationalgalerie in Berlin und wurde am 4. September 1989 aus der Ausstellung „Kunst des Biedermeier“ in Schloss Scharlottenburg gestohlen und gilt seither als vermisst.
Während der 1830er und 1840er Jahre arbeitete Carl Spitzweg als Dichter und Illustrator für verschiedene humoristische Blätter, darunter die bekannten „Fliegenden Blätter“ in München. Der vorsichtige Jungkünstler hatte 1836, nachdem sein Vater verstorben und ein großzügiges Erbe ausgezahlt worden war, mit sich selbst eine Art Vertrag ausgehandelt: Er würde für 15 Jahre als Maler arbeiten. Mit 40 Jahren, im Jahr 1848, wollte er Bilanz ziehen und dann entscheiden, ob er weiterhin als Künstler arbeiten wollte. Vielleicht war es diese Vorsicht, die den umseitig begabten Spitzweg zur Mitarbeit an Magazinen reizte, vielleicht war es aber auch seine Begabung, seine Mitmenschen zu beobachten, deren Verhalten zu analysieren und daraus köstliche Szenen voller Witz und Humor zu destillieren.
Wie Moriz von Schwind und Wilhelm Busch arbeitete Carl Spitzweg für die „Fliegenden Blätter“. Der Drucker Caspar Braun gab gemeinsam mit dem Buchhändler und Schriftsteller Friedrich Schneider ab November 1844 wöchentlich die Satirezeitschrift „Die Fliegenden Blätter“ heraus. Trotz Pressezensur wurden aktuelle politische Fragen aufgeworfen, aber auch das deutsche Bürgertum treffsicher charakterisiert. Ziel des Spotts war vor allem der deutsche Bildungsbürger in Gestalt von „Weilland Gottlieb Biedermaier“. Der Jurist Ludwig Eichrodt und Adolf Kußmaul erfanden mit ihm eine Figur, deren Familienname ab 1900 zum Synonym für die gesamte Epoche zwischen Wiener Kongress und der Revolution von 1848 wurde. In Weilland Gottlieb Biedermaiers Ansichten und Werten kulminiert die zeitgenössische Kritik an der Gesellschaft: Er ist ein naiv denkender, genügsamer, nur halbgebildeter und daher Autoritäten und Ordnung verehrender Mann.
Carl Spitzweg zeichnete und schrieb zwischen 1848 und 1852 pointierte Glossen für das Blatt, in denen er die Gesellschaft und ihre Skurrilität thematisierte. Auch er schaute dafür den Menschen in seiner Umgebung auch genau aufs Maul. Charakterisierungen von Kritiklosen und Unterwürfigen, von Typen in ihren gesellschaftlichen Rollen sind Spitzwegs Spezialität. Unter dem Titel „Spießbürger und Käuze zum Lachen“ wurden seine Wort-Bild-Witze posthum als Buch herausgegeben.
Sonderlinge und Exzentriker gehören zum Repertoire des Spitzweg’schen Œuvres. Einer der beliebtesten ist „Der Bücherwurm“, den Carl Spitzweg in drei Fassungen ins Bild setzte. Der weißhaarige Bibliothekar, wie ihn der Maler selbst nannte, ist auf seiner Büchertreppe ins Lesen versunken. Er steht vor einer dicht gefüllten Bücherwand, die Sonne scheint auf seinen Rücken. Er hält sich einen großen Folianten dicht vors Gesicht, ein weiteres Buch in der anderen Hand aufgeschlagen, ein drittes unter den Arm geklemmt, noch ein viertes zwischen den Knien. Kleidung des „Bücherwurms“ und Bibliothek stammen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dem Ancien Régime. Dass er sich gerade vor der Abteilung „Metaphysik“ und über einem Himmelsglobus (links unten) ins Lesen vertieft hat, dass gleichzeitig ein Sonnenstrahl den Träger veralteter Kniebundhosen (franz. „culottes“) von hinten „erleuchtet“, gehört zur dichten Erzählung Spitzwegs. Die Aufklärung hat den Anhänger alter Theorien zu allgemeinen Weltprinzipien wohl noch nicht erleuchtet. Er versucht noch möglichst viel aus Büchern zu erfahren, während Immanuel Kant bereits in seiner Beantwortung der Frage „Was ist Aufklärung?“ 1784 bereits postulierte, dass der aufgeklärte Mensch in „Religionsdingen“ seinen eigenen Verstand nutzen sollte, um „seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu entfliehen.
Ob Naturwissenschaftler – Schmetterlingsfänger, der Geologe, der Alchemist, der Astronom – oder Sonderlinge wie der Kaktusfreund (Kaktusliebhaber), der ewige Hochzeiter, der Sonntagsjäger und der Hagestolz – Carl Spitzweg gelang es, in seinen Zeichnungen und Gemälden als Chronist und Satiriker gleichermaßen aufzutreten. Auch wenn Spitzweg die Menschen seiner Umgebung kritisch begegnete, er stellte sie doch nie auf den Pranger. So wie er Verfehlungen aufzeigt, so würzte er alle seine Bilder mit einem guten Schuss Humor.
Deutsche Kleinstädte und ihre (spät-)biedermeierlichen „Blüten“, zwischen historisch-pittoresker Architektur agierenden Bewohnerinnen und Bewohnern, sind die Hauptdarsteller seiner Bildfantasien. Einerseits widmete er den Gelehrten, denen er sich persönlich wohl nahe fühlte, einfühlsame Bilder, in denen sein Verständnis für ihre Hingabe deutlich wird. Andererseits stellt er sie als Einzelgänger, Monaden in ihren Räumen dar, die die Welt draußen bestenfalls beobachten meist aber hinter ihren Büchern verschwinden. Nur wenn ein Vogel in ihre heile Welt einbricht, werden sie ihrer Existenz in einem selbstgewählten Gefängnis gewahr. Im Kontrast zu den vielen Männern mittleren und höheren Alters setzte Carl Spitzweg junge, hübsche Mädchen als Symbole von Verführung, Eros und Liebe ein.
Nichts, so scheint es, können Spitzwegs Figuren machen, ohne beobachtet zu werden. Der Münchner Maler setzte sich gekonnt mit Fragen des „Vormärz“ auseinander, mit moralischen Tugenden und ihren Übertretungen, mit Überwachung und Strategien, sich dieser zu entziehen. Kaum eine Liebesszene, wie „Gratulant überreicht Blumenbouquet (Der ewige Hochzeiter)“ oder „Der abgefangene Liebesbrief“, darf stattfinden, ohne dass die Nachbarinnen und Nachbarn begierig daran Anteil nähmen. Keine Rose wird in stiller Privatheit überreicht. Alle Szenen sprühen vor unfreiwilliger Komik und Unbedarftheit ihrer Protagonisten. Ob sich Carl Spitzweg selbst in so mancher Figur wiedergefunden hat, ob etwa der „Hagestolz“ den unverheirateten Maler widerspiegelt, ob die Gelehrten autobiografische Züge tragen, darf zumindest vermutet werden.
Die Sitten der Zeit nahm Spitzweg zuhauf aufs Korn. Besonders häufig finden sich übertölpelte Sonntagsjäger mitten im Wald. Die Aufhebung des adeligen Jagdrechts 1849 führte zu einem neuen Freizeitsport, dem Jagen. Wenn Carl Spitzwegs Jäger meist wie modisch gekleidete Spaziergänger oder Picknicker aussehen und sich selbst vor dem Wild mehr fürchten als die Beute, so sah die Realität doch anders aus. Die Zahl der Jagdunfälle stieg dramatisch wie auch die Gefahr Wildtiere zu überjagen. Hiermit ist schon kurz angedeutet, dass Spitzwegs Werke weniger seine Umwelt abbilden als sie humoristische, überspitzte Kommentare auf menschliches Verhalten darstellen.
Auslöser für die Hinwendung Spitzwegs zu einer realistischeren Landschaftsauffassung dürften die Landschaftsgemälde von Eduard Schleich d. Ä. gewesen sein. Spitzwegs bedeutendster Freund wurde in diesen Jahren ein Wegbereiter der Freilichtmalerei in Deutschland. Gemeinsam bildeten sich Spitzweg und Schleich autodidaktisch durch Naturstudien im bayerischen Gebirge weiter.
Die wichtige Reise 1851 nach Paris und London unternahmen Schleich und Spitzweg ebenfalls zusammen. In beiden Metropolen konnte sich Carl Spitzweg mit den neuesten Tendenzen der Landschaftsmalerei bekannt machen: Die Gemälde der so genannten Schule von Barbizon in Frankreich und die Werke von John Constable und Richard Parkes Bonington in England. Bekannt ist, dass der Münchner die Gemälde der Schule von Barbizon liebte und Kontakt mit den französischen Landschaftsmalern Diaz, Daubigny und Rousseau pflegte.4
Auch der Malerfreund Christian Morgenstern könnte Anregungen an Spitzweg weitergegeben haben, hatte er doch in Kopenhagen eine Ausbildung in Freilichtrealismus erhalten. Eine weitere wichtige Auseinandersetzung fand während eines Aufenthalts Spitzwegs in Prag 1849 statt, der durch das Tagebuch des Malers belegbar ist. Siegfried Wichmann konnte nachweisen, dass Carl Spitzweg sich mit dem Realismus von August Piepenhagen, Josef Manés und vor allem Josef Navrátil auseinandersetzte: flächiger Farbauftrag als Grundstruktur, Akzente reiner Farben, Ton-in-Ton gehaltene Atmosphäre, hell leuchtende Lichtgestaltung, unterbrochener Pinselstrich und skizzenhafte Ausführung von Flächen, Licht und Schatten (→ Ist das Biedermeier?). Die subjektive Reaktion des Malers auf die Natur wurde, so lässt sich leicht beobachten, zunehmend wichtiger als der Biedermeierrealismus. Die „intime Landschaft“ löste die heroische Landschaft ab. Das Malerische und die Auflösung der Form zeigt, dass der Maler bis ins hohe Alter an der Frage arbeitete, was ein Gemälde leisten kann.
An den späten Bildern von Carl Spitzweg fällt die zunehmende Zurücknahme der anekdotischen Aspekte und des Erzählerischen auf. Ehemals spitze Ironie taucht nur noch in leisen Anklängen auf. Spitzwegs Weltanschauung dürfte sich zugunsten einer humorvollen gewandelt haben. Gleichzeitig wurde Spitzwegs Malerei immer offener, lichtdurchfluteter. Damit zeigt er eine Entwicklung hin zum Impressionismus, der sich auch in der steigenden Dominanz des Landschaftlichen zeigt. Waren die Figuren in den frühen Werken die Träger der Erzählung, so wandte der Maler ab den 1860er Jahren sein Interesse immer mehr dem Sonnenlicht und der Natur zu.
Der Autodidakt erfuhr erst während der 1920er Jahre jene Wertschätzung, die ihm zeit seines Lebens zwar nicht gänzlich verwehr blieb aber doch erst spät erreicht hat. Von den knapp über 1.400 in seinem selbst geführten Werkverzeichnis gelisteten Gemälden konnte er 480 verkaufen. Im Jahr 1865 wurde ihm der königlich-bayerische Michaelsorden verliehen und 1868 die Ehrenmitgliedschaft der Kunstakademie in München. Im Jahr zuvor hatte er an der Pariser Weltausstellung als Künstler teilgenommen (1867). Das kommerziell erfolgreichste Jahr war 1880, als Carl Spitzweg 37 Bilder verkaufte.
Dr.-Ing. E.h. Georg Schäfer trug 250 Gemälde von Carl Spitzweg und damit die weltweit größte Sammlung an Spitzweg-Werken zusammen. Der Schweinfurter Sammler begeisterte sich für die „kluge“ Malerei des Münchners, die er in dessen Gesellschaftssatire, also politisch ohne umstürzlerische Absichten, entdeckte.
Merken
Wilhelm Rudeck (Hg.), Spießbürger und Käuze zum Lachen. Bilder und Worte von Carl Spitzweg, Leipzig.
Die gute alte Zeit. Zeichnungen von Karl Spitzweg [sic!], München.
Hans-Peter Wipplinger (Hg.), Carl Spitzweg - Erwin Wurm (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien), Wien 2017.
Birgit Poppe, Spitzweg und seine Zeit, Leipzig 2015.
Carl Spitzweg in Milwaukee. Gemälde aus dem Milwaukee Art Museum, der Sammlung Eckhart G. Grohmann und dem Grohmann Museum (Ausst.-Kat. Milwaukee), Milwaukee 2015.
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg – Verzeichnis der Werke. Gemälde und Aquarelle, Stuttgart 2002.
Stadt Schweinfurt, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt und der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung (Hg.), Carl Spitzweg. Gemälde und Zeichnungen im Museum Georg Schäfer, Schweinfurt (Ausst.-Kat. Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, 5.5.–6.10.2002), Schweinfurt 2002.
Siegfried Wichmann (Hg.), Carl Spitzweg und die französischen Zeichner Daumier, Grandville, Gavarni, Doré (Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München, 23.11.1985–2.2.1986), Zürich 1985.
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