Die amerikanische Bildhauerin Kathleen Ryan (* 1984) legt ihre Bacchantin mitten in den Theseustempel. Für ihre erste Museumsaustellung – der Theseustempel wird vom Kunsthistorischen Museum bespielt und von Jasper Sharp kuratiert – lässt sie die Gefährtin des Gottes Bacchus (Dionysos) als Weintraube sensualistisch über einige Kaminrohre gleiten.
Österreich / Wien: Theseustempel
26.4. – 1.10.2017
Dass die am Pitzer College und der UCLA bei Charles Ray und Catherine Opie ausgebildete Kalifornierin für ihre Arbeit im Theseustempel eine Weintraubendole wählte, ist einer Serie geschuldet, an der Ryan gerade arbeitet. Zudem zeigt sich ihre Ausbildung zur Archäologin an den klassischen Vorbildern, die sie nicht zitiert, die aber die formale Lösung des Werks begleiteten bzw. es inhaltlich mitprägten. Eine Bacchante ist eine Jüngerin des Bacchus, eine sinnliche, ihre Sexualität auslebende Frau, die dem Weingenuss zuspricht. Caravaggio stellte sich selbst als (erkrankter) Gott des Rebensaftes dar, indem er eine Weintraube über seine Hand in ein Weinglas „rinnen“ lässt. Seine Nachfolger inszenierten auf die gleiche Weise auch üppige Frauen, kurz vor 1900 realisierte Augustin Moreau-Vauthier die Marmorstatue einer nackten, liegenden Bacchantin, die ikonografisch auf Gemälde u.a. von Peter Paul Rubens zurückgeht. Weibliche Sinnlichkeit, Antike und Kunstgeschichte als Gegensatz zur Modernität von Los Angeles, wo Kathleen Ryan aufwuchs, Gefühl und Inszenierung von Körperlichkeit sind Themen, die die Bildhauerin interessieren. Bereits als Kind, so erzählt sie, hätten sie alte Dinge interessiert und sie wollte Archäologin werden. Ihre Eltern nahmen sie in die Villa Getty mit, jenem Prachtbau zwischen Film-Set und Fantasieland (Ryan) des Milliardärs, in dem dessen außergewöhnliche Sammlung antiker Skulpturen präsentiert wird. In den Wiener Theseustempel eingeladen, schuf Kathleen Ryan ein Objekt, das seine Schwere geschickt verbirgt. Die roten Keramikrohre gemahnen an Fleischlichkeit und schaffen mit ihren Durchblicken Transparenz. Die schweren Zementbälle, vulgo Weinbeeren, sind mit Ketten aneinander geschmiedet und ergeben in Summe einen geschmeidigen Körper, der wie ausgegossen erscheint. Der Sockel aus dunklem Stein wird von dieser Struktur verlassen, sie greift in den Alltagsraum hinaus.