Die kuratierte Ausstellung der 59. Biennale von Venedig trägt den Titel „Il latte die sogni | The Milk of Dreams“. Verantwortet wird die Gruppenausstellung von der in New York lebenden Italienerin Cecilia Alemani, die seit das öffentliche Kunstprojekt der High Line Art verantwortet und 2017 den italienischen Pavillon kuratierte. Cecilia Alemani erklärt, warum sie die Biennale 2022 nach einem Buch von Leonora Carrington (1917–2011) benannte:
Italien | Venedig:
Giardini, Arsenale und weitere Orte in der Stadt
23.4. – 27.11.2022
„[In dem] die surrealistische Künstlerin eine magische Welt beschreibt, in der das Leben ständig durch das Prisma der Phantasie neu erfunden wird und in der es erlaubt ist, sich selbst zu verändern, sich zu verwandeln, jemand anderer zu werden. Die Ausstellung bietet eine imaginäre Reise durch die Metamorphosen der Körper und Definitionen des Menschen.“
In ihrem Statement bezieht sich die Kuratorin auf ihre Beobachtung, dass viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler einen postmenschlichen Zustand imaginieren. Die moderne, westliche Sicht des Menschen – insbesondere die vermeintliche universelle Vorstellung eines weißen und männlichen Subjekts, des „Mannes der Vernunft“ – als Zentrum des Universums und als Maß für alles stellen sie in Frage. An dessen Stelle treten Welten, die aus neuen Bündnissen zwischen verschiedenen Arten bestehen und von durchlässigen, hybriden und vielfältigen Wesen bewohnt werden, wie die fantastischen Kreaturen, die Carrington erfunden hat.
Die Covid-19-Pandemie verschärfte, so Cecilia Alemani, den Gegensatz zwischen den beiden Lagern der Technologiegläubigen und den -skeptikern. Man darf hier aus aktuellem Anlass auch gerne noch die Klimakrise ergänzen. Die Fragilität menschlichen Daseins und menschlicher Körper wird wie in einem Brennglas beleuchtet. Bieten invasive Technologien, welche die Grenzen zwischen Körpern und Objekten neu bestimmen, eine Lösung? Wie wirkt sich die entkörperlichte Kommunikation der letzten Monate aus?
Der Blick von „Il latte degli sogni“ ist optimistisch in die Zukunft gerichtet. Utopien des friedlichen Miteinanders von Mensch, Natur, Erde und Dingwelt bieten eine Lösung, sobald die Erkenntnis eintritt, dass der Mensch Teil eines Systems symbiotischer Abhängigkeiten ist. Die feministische Philosophin und Aktivistin Silvia Federici entwirft in „Re-enchanting the World“ (2018) eine Mischung aus indigenem Wissen und individuellen Mythologien. Daneben gibt es Künstler*innen, die lokale Wissensformen und neue Identitätspolitiken wiederentdecken. Von all den alternative Kosmologien und neuen Lebensbedingungen wird die Biennale Art 2022 handeln. Oder mit den Worten Cecilia Alemanis gefragt: Wer oder was wollen wir sein?
Dass eines der bereits bekannten Side-Events sich mit dem Surrealismus und der Magie beschäftigt, dürfte kein Zufall sein: Venedig | Peggy Guggenheim Collection: Surrealismus und Magie