Markus Lüpertz (* 24.4.1941, Reichenberg) - eine gewaltige Persönlichkeit, strotzend vor Selbstbewusstsein und Überzeugung, von gepflegtem, ja dandyhaftem Auftreten, von der Presse als „Malerfürst“ tituliert und angeprangert, in Diskussionen die Freiheit der Malerei vehement einfordernd und dadurch immer polarisierend. So könnte man die Person des 1941 in Reichenberg (heute Liberec, Tschechische Republik) Geborenen kurz beschreiben - oder zumindest das Selbstbild, das er in der Öffentlichkeit präsentiert. Markus Lüpertz sieht sich in der Tradition des 19. Jahrhunderts, wenn er in Gesprächen heftig die Freiheit der Malerei einklagt und ihre Bedeutung für die Weltgeschichte überhöht.
Österreich | Wien: Albertina,
Pfeilerhalle
11.3. – 6.6.2010
Man fühlt sich an prophetische Worte von Émile Zola aus dessen Künstler-Roman „L`Œuvre“ (1886) erinnert, der meinte: „Der Tag wird kommen, da eine einzige, selbständig gemalte Karotte eine gewaltige Revolution verursachen wird.“ Bei Markus Lüpertz waren es jedoch keine Karotten oder Äpfel wie noch in Paul Cézannes epochalen Stillleben, sondern Gegenstände der Alltagswelt, wie Schornsteine, Ähren und Stahlhelme, ins unermesslich Große gesteigert (man könnte hierin einen gewissen Hang zum Pathos erkennen), immer aber „abstrahiert“, mit breitem Pinselstrich gestaltet und mit Formentsprechungen komponiert.
Wichtig ist dem Maler die Malerei. Dazu erfand Lüpertz den Begriff der Dithyrambe neu. Aus dem antiken Lobgesang zu Ehren des griechischen Gottes Dionysos machte er ein Zelebrieren der Malerei an sich. Was so einfach klingt, führt immer wieder zu heftigen Diskussionen. Farbe, Körper, Oberfläche, Komposition, die Geste – all das sind Kriterien, über die der Maler bereitwilligst Auskunft gibt. Künstlerische Bildproduktion ist jedoch nach Ansicht Lüpertz` allein auf die Malerei beschränkt, Fotografie tut der Künstler als Dekoration ab.
Die Albertina zeigt etwa 100 Arbeiten des deutschen Künstlers unter dem Titel „Metamorphosen der Weltgeschichte“, wobei 15 selten ausgestellte, monumentale Werke auf Karton im Zentrum stehen. Auf die Frage, was ihm die Zeichnung bedeute, antwortet Lüpertz, dass er immer zeichne. Zeichnen ist für ihn also Basis seiner Kunst. Wenn sich ein Thema dann als interessant herauskristallisiert, entwickelt Markus Lüpertz es in der Zeichnung weiter, bevor er es auf der Leinwand endgültig ausformuliert. Die Arbeiten auf Papier in der Albertina belegen dies eindrucksvoll. Serien wie „Standbein/Spielbein“ (1985-1986) oder „Daphne“ (2002-2005) geben einen Einblick in das Entwickeln von Kompositionen und in die Frage des Verspannens einer Figur im Raum, so als ob man Lüpertz im Atelier über die Schultern schauen würde.
Wer Lüpertz allerdings nach den dargestellten Themen oder gar Konzepten seiner Bilder befragt, wird energisch in die Schranken gewiesen. Lüpertz vertritt vehement die Auffassung, dass der Inhalt eines Bildes von den Betrachter:innen, und zwar ausschließlich von den Betrachter:innen allein (!), bestimmt werden könne. Es wäre daher gar nicht die Aufgabe des Malers, sich damit zu beschäftigen. Stattdessen solle dieser sich um die Malerei kümmern. Die Erkenntnis, dass ein Werk, sobald es das Atelier des Künstlers verlassen hat, den Betrachter:innen gleichsam ausgeliefert sei, dass der Künstler ab diesem Moment ohnedies keine Möglichkeit mehr habe, in die Interpretation einzugreifen, führte Markus Lüpertz wohl zu seiner schier unversöhnlichen Haltung. Dennoch verfügt er über so manchen Kunstgriff, diesen Interpretationsprozess in Gang zu setzen, wenn er meint:
„Der Inhalt ist ein Kommunikationsproblem, dem der Künstler versucht zu entgehen, denn der Betrachter muss den Inhalt des Bildes in sich selber tragen und erfinden. Der Künstler erzeugt lediglich den Defekt, die Wunde, die Krise, aus denen sich die Frage des Inhalts nachgebirt. Der Inhalt, ist er irgendwo erklärt, ist Kompromiss und nicht vom Künstler selbst verantwortet. Er ist aber als Lüge und als Mittel verfügbar und als Leimrute möglich.“1
Dass Lüpertz in seinen figurativen Arbeiten nicht völlig Unbedeutendes als Sujet wählt, ist trotzdem offensichtlich. Es finden sich neben den berühmt gewordenen „Deutschen Motiven“ der 70er Jahre (Stahlhelme, Ackerfurchen, Ähren,…) auch deutliche Bezüge zu Künstlern und Themen der Kunstgeschichte (z.B. Maillol, Daphne). Immer aber geht es ihm um das Malen, das Verhandeln malerischer Möglichkeiten zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen Oberfläche und Tiefe. Wenn Lüpertz die Aufgabe des Malers nicht darin sieht, Kommentare zur Weltgeschichte oder gar Aufrufe zur Veränderung abzugeben, so zeigt er sich als Künstler, der einen der wichtigsten Mythen der Moderne für obsolet hält: Kunst hat für ihn weder aufklärerische noch politische Funktion. Stattdessen fordert er Perfektion und „Atmosphäre“ in der Malerei. Markus Lüpertz wird entweder als eine Figur eines bereits vergangenen Jahrhunderts gesehen oder als ein ganz Großer der Malerei unserer Tage. Seine Aktualität belegen vielleicht die vielen Diskussionen rund um seine Vorstellung von Malerei wie auch die Proteste gegen seine Skulpturen im öffentlichen Raum. Denn wenn Lüpertz mit seinen Bildern nicht eine „Leimrute“ gelegt hätte, wenn er mit seiner These zur Malerei nicht zumindest an einem wunden Punkt rührte, würde wohl niemand über ihn reden.
25.4.1941 geboren in Liberec / Tschechien.
1956–1961 Studium an der Werkkunstschule Krefeld mit Laurens Goosens; Studienaufenthalt im Kloster Maria Laach (Kreuzigungsbilder); einjährige Arbeit im Kohlebergbau; weitere Studien an der Kunstakademie Düsseldorf; Arbeit im Straßenbau; Aufenthalt in Paris.
1962 Umzug nach Berlin; Beginn der dithyrambischen Malerei.
1964 Eröffnung der Galerie Grossgörschen 35 mit der Ausstellung: Dithyrambische Malerei, Berlin.
1966 Veröffentlichung des Manifests: Kunst, die im Wege steht, Dithyrambisches Manifest, Galerie Grossgörschen 35, Berlin; Galerie Potsdamer, Berlin.
1968 Veröffentlichung des Manifests: "Die Anmut des 20. Jahrhunderts wird durch die von mir erfundene Dithyrambe sichtbar gemacht".
1970 Preis der Villa Romana; einjähriger Aufenthalt in Florenz.
1971 Preis des Deutschen Kritikerverbandes e.V.
1974 Teilnahme an der 1. Berlin Biennale; Gastdozent und Lehrer an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Karlsruhe; Galerie Michael Werner, Köln.
1977 Wandbemalung für das Krematorium in Berlin.
1978 Gruppenausstellung, Nationalgalerie Berlin: Aspekte der 60er Jahre – Aus der Sammlung Reinhard Onnasch.
1982 Gruppenausstellung, documenta 7, Kassel.
1986 Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf.
1988-2009 Rektor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf.
1990 Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen.
Markus Lüpertz lebt und arbeitet in Düsseldorf und Karlsruhe.