Das Ausstellungsprogramm 2022 des mumok ist geprägt von einem kritischen Natur- und Gesellschaftsdiskurs. Mit den Themenausstellungen „Das Tier in Dir – Kreaturen aus (und außerhalb) der mumok Sammlung“, „Kollaborationen“ und „mixed up with others before we even begin“ stehen (künstlerische) Zusammenarbeit, Tiere (als Motiv) und des (gesellschaftlichen) Durchmischens im Zentrum. Für die letzte Ausstellung werden Objekte der Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien auf Werke aus der mumok Sammlung treffen. Personalen von Jesse Stecklow, Emília Rigová und Adam Pendleton ergänzen dieses ambitioniertes Programm.
Das Sammeln, Analysieren und Zirkulieren ökologischer, für das menschliche Auge meist unsichtbarer Daten bildet den Grundstein von Jesse Stecklows künstlerischer Praxis. Das mumok zeigt seine erste museale Einzelausstellung in Europa mit dem Titel „Terminal“.
Der in Los Angeles lebende Künstler arbeitet mit einem klar definierten Repertoire an Objekten, die zwischen Text, Bild und Sound oszillieren. Seine Skulpturen treten in einen direkten Dialog mit ihrer Umgebung und verschmelzen gleichsam mit ihr. Dabei geht es Stecklow weniger um das einzelne Objekt an sich, als um unterschiedliche Narrative, die durch ortsbedingte Kontextverschiebungen entstehen. Er bezeichnet seine Objekte als Charaktere, die je nach Situation verschiedene Rollen bekleiden und so in Form divergierender Fassungen multiple Identitäten annehmen.
Kuratiert von Marianne Dobner
„Das Tier kehrt zurück wie eine Mahlzeit, die nicht verdaut werden kann, ein Traum, der nicht vergessen werden kann, ein Anderes, das nicht unterdrückt werden kann.“ (Akira Mizuta Lippit, 2000)
Die mumok Sammlung beinhaltet knapp 500 Werke, die mit Tieren zu tun haben: Mr. Bear tappt durch die Malerei, die Katze erregt echauffiert sich in der Grafik, der Griffu (das Krallenwesen) verteidigt sich in der Skulptur, Schlachthöfe und zoologische Gärten erscheinen in der Fotografie. Neben einer gigantischen blauen Plüschspinne sowie Darstellungen des Batmobil und von Bambi finden sich auch eine mit Schlangenhaut verkleidete Stele, der Abguss eines prähistorischen Skeletts und ein Behältnis gefüllt mit Taubenmist. Die Wiener Aktionisten hantieren mit geschlachteten Lämmern, Pferdeköpfen und Karpfen, während Gina Pane zum Kindergesang von „Happy Birthday“ lebende Maden über ihr Gesicht kriechen lässt. Diese und viele weitere Arbeiten machen in etwa fünf Prozent der Sammlung aus – eine beachtliche Anzahl, die die Frage aufwirft, was für ein Zoo eigentlich das Museum ist. Was wird hier wie dort verwahrt, beforscht, zur Schau gestellt und vermittelt, um die „Freiheit der Kunst“ und das „Wild Life“ zu schützen? Und in wessen Interesse?
Die Ausstellung „Das Tier in Dir – Kreaturen aus (und außerhalb) der mumok Sammlung“ stellt sich solchen Fragen. Die bildende Kunst und ihre Faszination für Tiere (in Form von Haus-, Zoo-, Nutz- und Stofftieren sowie in Projektionen von Wildheit) bereiten das Feld, um über die Natur von Sex, Hunger und Zuneigung nachzudenken, über Familien- und Geschlechterbeziehungen, Sozialisierung und Domestizierung sowie nicht zuletzt über die andauernde Wirkung von Kolonialgeschichte.
Kuratiert von Manuela Ammer und Ulrike Müller.
Die Vordemberge-Gildewart-Stiftung organisiert jährlich jeweils in Kooperation mit einer Institution – 2022 mit dem mumok – eine Ausstellung vorselektierter junger Künstler:innen, aus der eine Jury eine/n Gewinner:in ermittelt.
Kuratiert von Matthias Michalka.
Teamwork, Gruppenarbeit, Netzwerke, geteilte Nutzung von Ressourcen, Sharing und Commons, Schwarmintelligenz, Freundschaftsanfragen, Allianzbildungen und Kompliz:innenschaft. All diese Formen von Interaktion, Bezugnahme und vermeintlicher Wechselseitigkeit sind Ausdruck eines paradoxalen Verhältnisses von Individuum und Kollektiv in unserer gegenwärtigen Gesellschaft: die zunehmende Individualisierung bei gleichzeitigem Bedürfnis nach Gemeinschaft.
Ausgehend von den Schwerpunkten der mumok Sammlung in den Avantgarden der 1960er- und 1970er-Jahre sowie den konzeptuellen und gesellschaftsanalytischen Ansätzen der Gegenwartskunst untersucht die Ausstellung Kollaborationen unterschiedliche Strategien kollektiver Autor:innenschaft. Der Bogen, den die Ausstellung dabei spannt, reicht von der kleinsten zur größten Einheit des Miteinander: von der internen Verbundenheit des Kollektivs zum punktuellen Zusammenschluss des Konnektivs, vom Paar zur Gesellschaft – und nicht zuletzt von der Liebesbeziehung zur Allverbundenheit.
Ausgestellte Künstler:innen: Marina Abramovic & Ulay, Anna & Bernhard Johannes Blume, George Brecht & George Maciunas, Die Damen, Robert Filliou, Rimma & Valeriy Gerlovin, Gilbert & George, Richard Hamilton & Dieter Roth, Christine & Irene Hohenbüchler, Irwin, On Kawara, Alison Knowles, Ree Morton, Yoko Ono, Daniel Spoerri, Franz Erhard Walther, die Wiener Gruppe u.a.
Kuratiert von Heike Eipeldauer und Franz Thalmair.
Emília Rigová bezieht sich in ihren Arbeiten auf die Geschichte und Gegenwart gesellschaftlicher Minderheiten, die von hegemonialen Diskursen ausgeschlossen sind. Sie thematisiert deren kollektive Erinnerungen, aktuelle Anliegen, Visionen und Perspektiven in Installationen, Videos, Performances und Fotografien. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biografie konzentriert sich Rigová in ihrem Œuvre der vergangenen Jahre auf die Geschichte sowie die Gegenwartserfahrungen der Roma und deren eigene wie fremdbestimmte Identitätsbilder. Ihre Arbeiten basieren auf gesellschaftsbezogener Forschung und Analyse und sind mitunter als Performances und Installationen im öffentlichen Raum auch als Formen von politischem Aktivismus zu verstehen. Eines der Ziele ist dabei die Dekonstruktion stereotyper, von der Mehrheitsgesellschaft bestimmter gesellschaftlicher Rollenbilder und Vorurteile.
In der Ausstellung Who will play for me? thematisiert die Künstlerin traditionelle Liedkompositionen der Roma, die von deren historischen Einbindungen zeugen und negativen, klischeehaften Identitätszuschreibungen widersprechen.
Kuratiert von Rainer Fuchs.
Das mumok präsentiert im Herbst 2022 eine umfassende Einzelausstellung des in New York lebenden Künstlers Adam Pendleton. Pendleton ist bekannt für Malereien, Zeichnungen und andere Medien, die allesamt beseelt sind von dem, was er „Black Dada“ nennt: ein visuelles Projekt, das in einem fortlaufenden Prozess die Beziehung von „Blackness“, Abstraktion und Avantgarde untersucht. Die Arbeit des Künstlers auf Basis von Buchstaben, Worten, „Drips“, Spritzern, Gesprühtem und zusammengetragenen Bildern funktioniert als eine Art fortwährende Schrift, die Sprache und gestische Markierungen aufnimmt, transponiert, überschreibt – und damit beständig deren Lesbarkeit infrage stellt.
In seiner Personale im mumok zeigt Pendleton Serien, die er teilweise bereits vor mehr als zehn Jahren begonnen hat. Dazu kommen vollständig neue Werkgruppen. Für seine „Black Dada Paintings“ speist Pendleton die Überbleibsel der Arbeitsprozesse im Studio erneut in die Zirkulation ein.
Kuratiert von Marianne Dobner.
Anhand aktueller künstlerischer Positionen, die in Dialog mit ausgewählten Werken der mumok Sammlung sowie mit Objekten der Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien treten, rückt die Mischform nicht nur als künstlerische, sondern auch als gesellschaftliche und politisch wirksame Leitlinie in den Vordergrund. „mixed up with others before we even begin“ feiert geschichtlich-kulturelle Prozesse der Kreolisierung als immer schon da gewesene Modi von Welterzeugung. Momente der Begegnung und des freundschaftlichen Zusammenschlusses sind dabei ebenso gemeint, wie jene des Aufeinanderprallens.
Die Ausstellung zeigt Werke, die Perspektiven auf postkoloniale Geschichten von Verschiedenartigkeit ermöglichen, auf satirische Transliteration, auf queere Folklore und kollektive feministische Rituale, auf die molekularen Grenzen des menschlichen Körpers sowie auf seine Verstrickung mit Wissenschaft und Technologie.
Teilnehmende Künstler*innen: Leilah Babirye, Mariana Castillo Deball, Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Nilbar Güreş, Nicolás Lamas, Slavs and Tatars – mit Werken aus der mumok Sammlung sowie mit Objekten aus den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien
Kuratiert von Franz Thalmair.
Aus welchem Stoff sind Gesellschaften heute gemacht? In welchem Verhältnis stehen die Globalisierung als Waren- und Geldverkehr, als Sachherrschaft, und die Realität menschlicher wie nicht-menschlicher Körperströme? Wie ist die grundlegende Zusammengesetztheit des Ich beschreibbar und wie kann sie zur Quelle des Gemeinsamen werden? Welche Schritte sind denkbar, um die permanente Vernichtung materieller und sonstiger Vermögen zu stoppen? Aus welchen Elementen bestünde eine politische Philosophie und Praxis der semipermeablen Grenzen? Wie schreibt man eine Verfassung für das Zusammenleben aller Sterblichen?
Symposium in Kooperation mit IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften Kunstuniversität Linz in Wien
Kuratiert von Karin Harrasser und Franz Thalmair.