Michael Ancher
Wer war Michael Ancher?
Michael Ancher (Frigaard 9.6.1849–19.9.1927 Skagen) war ein dänischer Maler des Naturalismus (→ Naturalismus 1875-1918) und des Impressionismus sowie ein bedeutender Mitbegründer der Künstlerkolonie Skagen. Er ist weithin bekannt für seine Gemälde von Fischern, dem Skagerrak und der Nordsee sowie anderen Szenen der dänischen Fischer in Skagen. Seit 1880 war Michael Ancher mit der Malerin Anna Ancher verheiratet.
Kindheit
Michael Peter Ancher wurde am 9. Juni 1849 in Frigaard auf Bornholm geboren. Er war der Sohn des örtlichen Kaufmanns Hans Michael Ancher und der Ellen Elisabeth Munch. Ancher besuchte die Schule in Rønne, er konnte die weiterführende Schule jedoch nicht abschließen, da sein Vater in finanzielle Schwierigkeiten geriet und der Junge sich selbst versorgen musste. 1865 fand er eine Anstellung als Lehrling auf dem Gut Kalø bei Rønde in Ostjütland.
Im folgenden Jahr traf er die Maler Theodor Philipsen und Vilhelm Groth, die in die Gegend gekommen waren, um zu malen. Sie waren von seinen eigenen frühen Arbeiten beeindruckt und ermutigten ihn, die Malerei zu seinem Beruf zu machen.
Ausbildung
Michael Ancher übersiedelte 1870/71 nach Kopenhagen und besuchte dort zuerst die rechtswissenschaftliche Fakultät, sowie C. V. Nielsens Zeichenschule und dann die Königlich Dänische Kunstakademie. Ancher debütierte 1874 als Maler und unternahm längere Reisen, unter anderem nach Paris und Italien. Einer seiner Studienkollegen war Karl Madsen, der ihn im Sommer 1874 zu einer Reise nach Skagen einlud, einem kleinen Fischerdorf im äußersten Norden Jütlands, wo Skagerak und Nordsee zusammentreffen. Michael Ancher verließ 1875 die Akademie ohne Abschluss.
Werke
Skagen
Im Jahr 1872 ließen sich die ersten Maler in Skagen an der Nordspitze Dänemarks nieder. Dort, wo Nord- und Ostsee, Skagerrak und Kattegat aufeinandertreffen, fanden die Kunstschaffenden eine ursprüngliche, von Dünen-, Strand- und Heidezonen geformte Landschaft vor, die sich durch eine besondere Lichtfülle auszuzeichnen scheint.1 Anfangs widmeten sich die Maler:innen dem harten Leben der Fischer, doch unter dem Einfluss des französischen Impressionismus begeisterten sie sich immer mehr für kilometerlange Strände, die spektakuläre Dünenlandschaft und für die ausgedehnte Heideflächen. Das Werk von Michael Ancher steht stellvertretend für diesen Wandel in der dänischen Malerei der Moderne.
Auf Holger Drachmann und Karl Madsen folgten bald Laurits Tuxen, Michael Ancher und Viggo Johansen sowie 1882 Christian Krohg und Peder Severin Krøyer.2 Der aus Norwegen stammende Maler Peder Severin Krøyer war Anchers Rivale, aber zugleich auch sein Freund. Die Malerkolonie traf sich regelmäßig im Brøndums Hotel in Skagen, um sich auszutauschen.
Ancher und Johansen pendelten eine Zeit lang zwischen Kopenhagen und Skagen und ihr Kollege und Freund Karl Madsen verbrachte einige Jahre in Paris. Noch während seines Studiums an der Kopenhagener Kunstakademie debütierte Michel Ancher 1874 auf der Charlottenborger Frühjahrsausstellung. Nach einem ersten Besuch in Skagen im Juni 1874 ließ sich Ancher 1875 ohne Abschluss die Kopenhagener Akademie im Fischerdorf Skagen nieder (in Begleitung von Karl Madsen, Viggo Johansen und Laurits Tuxen).
Wird er es schaffen, die Landspitze zu umrunden
Seinen künstlerischen Durchbruch feierte Ancher im Frühjahr 1880 auf der Charlottenborg-Ausstellung mit dem Werk „Vil han klare pynten [Wird er es schaffen, die Landspitze zu umrunden]“ (1879, Skagens Museum). Der Kopenhagener Kunstverein (Kunstforeningen i København) zog sein ursprüngliches Angebot zurück, als das Statens Museum for Kunst (Dänische Nationalgalerie) Interesse bekundete. Doch auch das Museum musste zurückstecken, als König Christian IX. beschloss, das Gemälde seiner Privatsammlung hinzuzufügen. Der König interessierte sich nicht besonders für Kunst, wurde aber zweifellos von seiner Frau Louise beeinflusst, die als Kind Zeichnen gelernt hatte und später von dänischen Malern wie Wilhelm Marstrand unterrichtet wurde. Sie ließ das Gemälde im privaten Speisesaal von Schloss Amalienborg in Kopenhagen aufhängen. Anstelle einer Medaille erhielt Ancher ein Stipendium, das ihm ausreichende Mittel für seine Heirat mit Anna einbrachte.
Michael Anchers Werke zeigen Skagens heldenhafte Fischer und ihre dramatischen Erlebnisse auf See und verbinden dabei Realismus und klassische Komposition. Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Das Rettungsboot wird durch die Dünen getragen“ (1883), „Die Besatzung wird gerettet“ (1894) und „Der Ertrunkene“ (1896).
Ehe mit Anna Ancher
Am 18. August 1880 heirateten Ancher und die Malerin Anna Brøndum, die er in Skagen kennengelernt, und der er während ihrer Ausbildung in Kopenhagen geholfen hatte. Im selben Jahr wurden auch die Ehen von Karl Madsen und Annas Cousine Henriette sowie von Viggo Johansen und Annas Cousine Martha geschlossen.
Gemeinsam mit seiner Frau und anderen Freunden und Familienmitgliedern baute Ancher die Künstlergruppe der Skagen-Maler auf. Nur Anna und Michael Ancher lebten ganzjährig in Skagen. Sie pflegten internationale Kontakte, blieben aber Skagen und seinen durch das Zusammentreffen von Nord- und Ostsee bedingten besonderen Lichtverhältnissen verpflichtet.
Michael Ancher wurde durch seine traditionelle Ausbildung an der Königlich Dänischen Kunstakademie in den 1870er Jahren beeinflusst, dort waren strenge Regeln für die Komposition vorgeschrieben. Seine Heirat mit Anna Ancher führte ihn jedoch zum Naturalismus, der schmucklosen Wiedergabe der Realität und ihrer Farben. Indem er die traditionelle Bildkomposition mit den Überzeugungen des Naturalismus verband, schuf Michael Ancher das, was als moderne monumentale figurative Kunst bezeichnet wurde. Beispielhaft ist diese Malerei in seinem Bild „Eine Taufe“ zu sehen.
Porträt der schwangeren Anna
Das Porträt der schwangeren Anna Ancher, ausgeführt von Michael Ancher im Jahr 1884, provozierte das zeitgenössische Publikum. Es zeigt die Malerin im Profil vor einer geöffneten Tür, mit Hut, Schirm, Handschuh und einem erwartungsvoll blickenden Jagdhund im Türrahmen. Ob es die angedeutete Schwangerschaft oder das Verlassen des Hauses der Schwangeren war, das die heftige Reaktion vor allem der Betrachterinnen hervorrief, bleibt offen.
Wie international vernetzte Michael Ancher und die Künstlerkoonie Skagen waren zeigt der Besuch der österreichisch-britischen Malerin Marianne Stokes und ihres Mannes Adrian Stokes 1886 in Dänemark. Das Ehepaar Stokes traf Michael und seine Ehefrau Anna Ancher. Michael Anchers Gemälde „Kindstaufe“ und eine Reihe von Fotos belegen die Beziehung zu den Skagenmaler:innen.
Dänischer Impressionismus
Im Jahr 1889 hielten sich Michael und Anna Ancher ein halbes Jahr in Paris auf, weil sie an der Weltausstellung teilnahmen.3 Seitdem drehte sich ihr Werk hauptsächlich um das Zusammenspiel von Licht und Farbe.
Unter dem Einfluss seiner Frau, die sich früher als Michael Ancher den modernen, am Impressionismus orientierten Strömungen zugewandt hatte, und unter dem Eindruck von Peder Severin Krøyer, den er anfänglich als Konkurrent ansah, hellte sich in den späteren Jahren Michael Anchers Farbpalette auf und seine Malweise wurde freier und pastoser. Ab etwa 1900 wurde die atmosphärische Wirkung des Lichts in seinen Bildern wichtiger als die dargestellten Fischer selbst. In zahlreichen kleinformatigen Stimmungsbildern (plein air Studien) fing Ancher die Besonderheiten der Skagener Landschaft ein. Damit wandelte sich auch Michael Ancher zu einem Vertreter des Impressionismus in Dänemark.
Die Blaue Stunde
Michael Ancher malt so häufig die Blaue Stunde (Abend- oder Morgendämmerung), dass man das Gefühl bekommt, er habe das Thema von am Strand spazierengendenden Frauen während des Sonnenuntergangs seriell ausarbeiten wollen. Erstmals beschäftigte sich der Maler in den 1890er Jahren mit dem Thema, so 1896 in „Ein Spaziergang“ (Skagens Museum). Danach wieder in den Jahren 1905 bis 1908. Immer wieder treten Frauen in eleganten, weißen Sommerkleidern auf, die die intensiven Sonnenstrahlen während der Abenddämmerung am Strand genießen. Das Motiv ist einerseits von Peder Severin Krøyer, andererseits von dem spanischen Maler Joaquin Sorolla inspiriert.
Diese Bilder erfreuten sich hoher Beliebtheit, da der Ort Skagen seit 1890 mit dem Anschluss ans Eisenbahnnetz eine wichtige touristische Destination für das gehobene Kopenhagener Bürgertums geworden ist. Damit eröffnete sich auch eine neue Käuferschicht, die ihren Traum von einem wunderbaren Sommeraufenthalt bildlich festgehalten wissen wollte.
Skagens Museum
Ursprünglich hingen viele von Michael Anchers Gemälden im Speisesaal des Brøndums Hotels. Der Maler P.S. Krøyer hatte die Idee, Gemälde verschiedener Künstler und Künstlerinnen in die Wandpaneele zu integrieren.
Nach der Geburt ihrer Tochter Helga im Jahr 1883 zog die Familie nach Markvej in Skagen. Anna und Michael Ancher kauften 1884 ein Haus, das sie 1913 mit einem großen Atelieranbau erweiterten, der heute Teil der Ausstellung ist. Ihre Tochter Helga Ancher (1883–1964) wurde ebenfalls Malerin. Nach dem Tod ihrer Mutter, Anna Ancher, im Jahr 1935 vermachte Helga Ancher das Haus und seinen gesamten Inhalt der Helga Ancher Stiftung, das Michael & Anna Anchers Hus. 1946 wurde der Speisesaal des Brøndums Hotels in das Skagens Museum verlegt.
1967 wurde das Haus in ein Museum umgewandelt, das Anchers Hus. Die Originalmöbel und Gemälde der Anchers und anderer Skagen-Künstler werden im restaurierten Haus und Atelier ausgestellt. Temporäre Kunstausstellungen werden in Saxilds Gaard, einem weiteren Gebäude auf dem Grundstück, veranstaltet. Dieses Haus ist voller Gemälde von Michael und Anna Ancher sowie von vielen anderen Skagen-Malern, die ihren Freundeskreis bildeten. Heute ist das Haus Teil des Skagens Kunstmuseums.
Ehrungen und Auszeichnungen
- 1889: Eckersberg-Medaille
- 1894: Dannebrog-Orden.
Tod
Michael Ancher verstarb am 19. September 1927 im Alter von 78 Jahren in Skagen.
Kurz danach, gegen Ende des Jahres 1927, präsentierte die „Danish National Exhibition of Paintings, Sculpture, Arts, and Crafts“ (15.11.–19.12.1927) im Brooklyn Museum in New York Werke von Anna Ancher, Michael Ancher, P.S. Krøyer, Laurits Tuxen (1853–1927), Vilhelm Hammershøi und Joakim Skovgaard (1856–1933).
Literatur zu Michael Ancher
- Mittsommer! Stimmungslandschaften aus dem Norden 1880 –1920 (Ausst.-Kat. Museum Kunst der Westküste, Alkersum, 6. 7. 2025 – 11.1. 2026), Dresden 2025.
- Claus Jacobsen, Michael Ancher, København 2003.
- Michael Ancher. Maler in Skagen 1849 –1999, Text: Elisabeth Fabritius (Ausst.-Kat. Altonaer Museum in Hamburg), Skagen 1999.
Beiträge zu Michael Ancher

Alkersum | MKDW: Stimmungslandschaften des Nordens 1880–1920
- Ulrike Wolff-Thomsen, Mittsommer! Stimmungslandschaften aus dem Norden 1880 –1920, in: Mittsommer! (Ausst.-Kat. Museum Kunst der Westküste, Alkersum, 6. 7. 2025–11.1. 2026), Dresden 2025, S. 10–13, hier S. 12.
- Nina Lübbren, Rural artists‘ colonies in Europe 1870–1910, Manchester 2001, S. 174; Wolff-Thomsen 2019, S. 161.
- Grape-Albers, in: Andratschke 2016, S. 160.
