Für die Friedenspolitik in Europa war der Wiener Kongress (1814–1815) von epochaler Wirkung. Nach Jahren militärischer Auseinandersetzungen folgte eine Phase der Restauration. Das in Wien gefundene Gleichgewicht der Mächte, versinnbildlicht durch die Grenzziehungen, verleiht dem Kongress bis heute eine wichtige Stellung in der Geschichte Europas.
Österreich / Wien: Orangerie und Unteres Belvedere
20.2. - 21.6.2015
Wien wurde ab Herbst 1814 für mehrere Monate das Zentrum der westlichen Welt, waren doch Delegationen fast aller Staaten und Mächte Europas am Kongress vertreten. Hier trafen sich schon im September die drei verbündeten Monarchen mit ihren Hofstaaten, Gesandten und Diplomaten, und hier begann am 1. November offiziell der Kongress. Für das diplomatische wie gesellschaftliche Ereignis mussten Hof und Stadt fit gemacht werden, indem u. a. für Unterbringungen, Verhandlungssäle, Vergnügungsorte zu sorgen war. „Der Kongress tanzt“, wurde zum geflügelten Wort, doch hinter den Kulissen wurde heftig intrigiert, debattiert, Allianzen geschmiedet und wieder gebrochen, aber schlussendlich doch entschieden und festgeschrieben. Die Schlussakte des Kongresses bildet den End- und Höhepunkt der politisch-historischen wie gesellschaftlich-kulturgeschichtlichen Schau. Exquisite Porträts der führenden Maler der Zeit, ergänzt durch Möbel, Silber, Porzellan aber auch Ballroben, zeigen den Geschmack des Empire, Historienbilder verdichten wichtige Momente der Geschichte zu sinn- und nationenstiftenden Ereignissen.
Anhand von 290 Werken der bildenden Kunst veranschaulichen die beiden Kuratoren Sabine Grabner und Werner Telesko Kunst- und Kulturgeschichte Mitteleuropas im frühen 19. Jahrhundert. Ist man im Belvedere ganz gut mit Gemälden aus dieser Zeit ausgestattet, haben die beiden Kuratoren in zweieinhalbjähriger Vorbereitungszeit die Bestände des Museums durch künstlerisch hochwertige Exponate zu ergänzen gewusst. Fündig wurden sie u. a. bei den Fürsten Lichtenstein, Schwarzenberg und Metternich, denn einige wichtige Objekte sind seit dem Kongress noch in Familienbesitz. Diese Leihgaben waren schon lange oder noch nie öffentlich zu sehen.
Beim Wiener Kongress handelt es sich um ein politisches Ereignis mit gesellschaftlicher Dimension. „Europa in Wien“ im Belvedere ist DIE Ausstellung europaweit zum Kongress, widmen sich andere Nationen doch immer nur der Darstellung der eigenen Geschichte (z. B. London Portrait Gallery zu Wellington; Paris, Musée Carnavalet zu Napoleon; Landshut mit der Bayerischen Landesausstellung 2015 zu Napoleon und Bayern). Geschichte an sich ist in einer Ausstellung schwer vermittelbar. Metternichs raffinierte Persönlichkeit, seine „Elastizität“, kann nur aufgrund von Quellen erschlossen werden. Zudem hat man es mit der Prozesshaftigkeit der Ereignisse und wechselnden Allianzen zu tun. Daher wird ein strukturiertes Gesamtbild der Epoche gezeigt. Bildende Kunst ist in dieser Schau in ihrer Rolle als Vermittlerin von Ansichten und als Möglichkeit der Meinungsbildung präsent.
Die begleitende Publikation versteht sich als wissenschaftliche Ergänzung zur Ausstellung und vereint Beiträge von namhaften Wissenschaftler_innen zum Wiener Kongress. Gibt es so etwas wie eine Kongresskunst, ein bestimmtes kulturelles Milieu, eine bestimmte Note? Die Prägung einer eigenen Kongresskunst kann zwar nicht nachgewiesen werden, aber die Großveranstaltung schuf ein eigenes Milieu, in dem ausländische Künstler etwa die heimische Miniaturproduktion beflügelt haben. Durch internationale Einflüsse kommt die heimische Produktion, wie in der Ausstellung an vielen Beispielen zu sehen ist, zu neuem Schwung. Intensive Quellensichtung im Haus-, Hof- und Staatsarchiv ermöglichte es, ökonomische wie soziale Fragen zu beantworten, darunter die Budgetierung des Kongresses. Wenn auch die Ergebnisse des Kongresses gerne als Restauration bezeichnet wird, d. h. dass die alte Ordnung wieder hergestellt wurde, so wurden auch durchaus revolutionäre Veränderungen des Napoleonischen Regimes durch den Kongress festgeschrieben und 1815 institutionalisiert. Katalog und Ausstellung funktionieren als parallele Vermittlungsformen, wobei die Ausstellung ist als sinnliches Erlebnis der kulturellen Blüte des frühen 19. Jahrhunderts konzipiert ist.
Die Reichs- und Residenzstadt Wien hat einen zentralen Platz in der Schau und leitet sie auch ein. Noch bevor man den ersten Akteuren in riesigen Gemälden gegenübertritt, führen Veduten die historische Kaiserstadt ein. Wien bildete die Kulisse für repräsentative gemeinsame Auftritte der drei Monarchen Franz I. von Österreich, Alexander I. von Russland und Friedrich Wilhelm III. von Preußen.
Bevor Wien zur Kongressstadt wurde, war die Stadt eines der Ziele der napoleonischen Expansionspolitik. 1805 und 1809 erlitten die Österreicher zwei katastrophale Niederlangen. Wien wurde zweimal beschossen (11./12. Mai 1809) und besetzt. Napoleon hatte auch Künstler und Kartografen in seinem Generalstab, wie den französischen Militärtopographen und Landschaftsmalers Louis Albert Ghislain Bacler d’Albe. Dieser setzte etwa das „Bombardement Wiens am 11. Mai 1809“ (Versailles, Musée national des Châteaux de Versailles et de Trianon) in einem Ölgemälde um. Eine Zeichnung von Benjamin Zix (?, auch Napoleon Bonaparte zugeschrieben) dokumentiert die „Sprengung der Bastei beim Karntnertor in Wien im Jahre 1809“ (um 1809, Paris, Musée de l’Armée). Dieser Respekt Napoleons vor der künstlerischen Leistung dürfte Johann Nepomuk Höchle (1790–1835) das Leben gerettet haben. Als er Skizzen für „Die Schlacht bei Aspern“ (1809, Wien, ALBERTINA) machte, wurde er von einer französischen Patrouille entdeckt und verhaftet. Einer Exekution als Spion entging er nur knapp, da er auf Französisch sein künstlerisches Interesse an den Truppenbewegungen erklären konnte.
Im Jahr 1792 hatte sich eine Koalition gegen Napoleon gebildet. Seine „Überschreitung des St. Bernhard-Passes“ wurde von seinem späteren Hofmaler Jacques-Louis David (1748–1825) phänomenal in Szene gesetzt. Napoleon nutzte die Bildpropaganda seiner Porträts in einmaliger Weise. Bis heute beeindruckt das repräsentative Gemälde, das den Ersten Konsul auf einem steigenden Schimmel zeigt und ihn in die Traditionslinie mit Hannibal und Karl den Großen stellt.
Im Gegensatz zu Napoleon war Kaiser Franz I. (II.) kein Anhänger von Zeremoniell und Prunk, sondern ein zurückgezogen lebender 13-facher Vater und vierfacher Ehemann. Er führte das Allgemeine Bürgerlichen Gesetzbuch ein und gründete die Nationalbank und die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Das großformative Porträt von Johann Peter Krafft (1816, Budapest, Hungarian National Museum) zeigt ihn als Feldmarschall in ungarischer Husarenuniform und als Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Bis 1806 war er als Franz II. der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewesen. Da sich Napoleon im Frühjahr 1804 zum Kaiser von Frankreich krönte, schuf Franz noch im gleichen Jahr das Kaiserreich Österreich. Als erster österreichischer Kaiser nannte er sich nun Franz I., führte aber noch zwei Jahre lang parallel den Titel eines Römischen Kaisers. Maria Ludovika Beatrix von Österreich-Este aus Parma, in einem Johann Baptist Lampi zugeschriebenen Porträt (undatiert, Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie), war die dritte Ehefrau und engagierte Kämpferin gegen Napoleon. Obwohl sie tuberkulösen Husten hatte, erfüllte sie ihre Repräsentationspflichten während des Kongresses und unterhielt ihre Gäste.
Die Schlacht bei Aspern am 21. und 22. Mai 1809 brachte unter Feldmarschall Erzherzog Karl nur eine kurze Atempause. In der darauf folgenden zweitägigen Schlacht zwischen der Lobau und der niederösterreichischen Ortschaft Deutsch-Wagram errangen die französischen Invasoren einen kriegsentscheidenden Sieg. Österreich schloss nach der Niederlage am 14. Oktober 1809 den Frieden von Schönbrunn. Als Folge musste Erzherzogin Marie Louise sogar Napoleon als Ehefrau nach Paris folgen. Sie selbst betrachtete sich als Opfer, das sie mit Würde zu bringen gedachte. Diese Verbindung, so wurde fälschlich vermutet, sei in der Marmorgruppe „Mars und Venus mit Amor“ (1808–1809, Belvedere) von Leopold Kiesling (1770–1827) umgesetzt (→ Belvedere: Leopold Kiesling. Der Mythos von Mars und Venus mit Amor). Die Göttin der Liebe sucht den Kriegsgott daran zu hindern, in den Krieg zu ziehen.
Erst nach dem Russlandfeldzug (1812) beendete 1813 die Völkerschlacht von Leipzig die politische wie militärische Dominanz Napoleons und seiner Grand Armée. Diese größte Feldschlacht der Geschichte wurde von Johann Peter Krafft (1780–1856) in einem kleinen Gemälde zusammengefasst. Nach viertätiger, blutiger Auseinandersetzung waren ca. 100.000 Soldaten gefallen. Krafft inszenierte die „Siegesmeldung am 19. Oktober 1813 an die alliierten Monarchen“ durch den Oberbefehlshaber Feldmarschall Karl I. Philipp Fürst zu Schwarzenberg. Zu den monumentalen Gemälden der Schau zählt auch Johann Peter Kraffts „Der Abschied des Landwehrmannes“ (1813, Belvedere). Es zeigt einen zum Kriegsdienst verpflichteten Bürger (ausgenommen waren nur Geistliche, Adelige, Beamte, Bürger, Künstler, Gewerbeinhaber und Bauern), der seine Familie verlässt, um in den Krieg zu ziehen. Die Landwehr war erst 1808 von den beiden Erzherzögen Karl und Johann zur Verteidigung des Vaterlandes gegründet worden. Sie spielte vor allem in der Völkerschlacht von Leipzig eine wichtige Rolle, weshalb ein Landwehrmann in der „Siegesmeldung“ in der linken Ecke anzutreffen ist.
Am 30. März 1814 eroberten die Alliierten – Zar Alexander I. von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen – Paris, und am 16. Juni hielt Kaiser Franz I. seinen triumphalen Einzug in die Residenzstadt Wien. Damit sind in der Ausstellung die historischen Rahmenbedingungen für den Wiener Kongress abgesteckt.
Die wichtigsten Protagonisten des Kongresses im Unteren Belvedere in Form von Büsten und Gemälden aufgereiht. Johann Baptist Höchle stellte „Franz I., Kaiser von Osterreich, im Ornat des Leopoldsordens“ (1811, Graz, Neue Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum) dar und setzte damit das ganzfigurige Herrscherbildnis ohne Zäsur fort. Auch die Porträts von „Friedrich Wilhelm III., König von Preußen“ von Christian Daniel Rauch (1815, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie) sowie von „Zar Alexander I.“ vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1821, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum) und der Werkstatt des französischen Hofmalers François Gérard (1814, Rueil-Malmaison, Musée national des Châteaux de Malmaison et Bois-Préau/in der Orangerie) folgen den Standards des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts. Zar Alexander I. hatte neben König Friedrich Wilhelm III. die größten Gebietsforderungen, setzte die Schweizer Neutralität durch und ermöglichte das Königreich Polen.
Eines der beeindruckendsten Werke der Porträtkunst ist Thomas Lawrence’s (1769–1830) „Klemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich“ (um 1814, Fürst von Metternich Winneburg’sche Domäne Schloss Johannisberg – Rheingau). Der Diplomat und Außenminister Metternich war ein großartiger Verhandler, verfügte über einen „elastischen Geist“ und wurde nicht ohne Grund „Kutscher von Europa“ genannt. Metternich lenkte die Verhandlungen im Sinne des Kaisers, d. h. Stärkung der monarchischen Strukturen gegenüber demokratischen Veränderungen.
Gemeinsam mit Robert Stewart, 2nd Marquess of Londonderry (Lord Castlereagh), in Wien in einem Porträt von Thomas Lawrence zu sehen (1809/10, London, National Portrait Gallery), entschied Metternich, Frankreich während der Verhandlungen zu stützen, um das unter den Romanows erstarkte Russland in Zaum halten zu können. Lord Castlereagh vertrat zudem die Meinung, dass ein Viererbündnis zwischen Großbritannien, Preußen, Österreich und Russland den Frieden möglichst lange stabil halten müsse. Es dauerte bis zum Januar 1815, bis der französische Außenminister Talleyrand offiziell zu den Gesprächen geladen wurde. Ihm und der britischen Politik ist es zu verdanken, dass die Abschaffung des Sklavenhandels gegen den Widerstand von Frankreich, Spanien und Portugal schlussendlich gelang. Im Februar 1815 wurde Lord Castlereagh durch den Herzog von Wellington abgelöst, der wenige Monate später Napoleon auf dem Schlachtfeld von Waterloo begegnen sollte.
Insgesamt lässt sich beobachten, dass in der Kongresszeit vor allem Miniaturporträts beliebt waren. Hier zeigt sich der Einfluss des Franzosen Jean-Baptiste Isabey (1767–1855), der u. a. Moritz Michael Daffinger (1790–1849) maßgeblich prägte. Er war bereits 1812 in Wien gewesen und wurde 1814 allen wichtigen Kongressteilnehmern vorgestellt. Eine Auswahl dieser modischen Miniaturporträts ist in der Orangerie zu bewundern. Im Gegenzug dazu gibt es kein offizielles Kongress-Gruppenbild. Erst 1819 erschien ein Stich nach Vorlage von Jean-Baptiste Isabey, der eine fiktive „Versammlung der Bevollmächtigten am Wiener Kongress“ in der Staatskanzlei (heute: Kanzleramt) zeigt.1
Obwohl der Wiener Kongress erst am 1. November 1814 begann, galt schon der Einzug der drei Monarchen am 25. September des Jahres als (inoffizieller) Startschuss für Verhandlungen und Festivitäten. Mit einem „Militärfest im Prater am 18.10.1814“, von Johann Nepomuk Höchle festgehalten, gedachten man dem Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Es fand im Prater rund um das Lusthaus und der Simmeringer Heide statt. Das Praterfest war eine öffentliche Veranstaltung mit Volksfestcharakter.
In Prunk und Repräsentation übertroffen wurden diese Volksfeste durch die Feiern der Hofgesellschaft und des Adels, wie die pompöse „Schlittenfahrt von der Hofburg nach Schloss Schönbrunn am 22. Jänner 1815“, für die eigens angefertigte Schlitten bereitgestellt wurden. Höchle kann auch heute noch mit Fug und Recht als der Bildchronist der napoleonischen Kriege bezeichnet werden, durfte er doch die Armee auf ihrem Weg nach Waterloo und zur zweiten Eroberung von Paris 1815 begleiten. Seine Zeichnungen boten nicht nur ihm Motivschatz für seine weiteren Aufträge, sondern sind wichtige Quellen für die Sozialgeschichte des Soldatenlebens.
Privaten Charakter hatten hingegen Einladungen zu Salons der gehobenen Gesellschaft wie den Rasumowfsky oder Fanny von Arnstein (Vinzenz Georg Kininger nach Christophe Guerin (?), Fanny von Arnstein, 18042). Diskussionen und Musik spielte auf diesen Veranstaltungen eine herausragende Rolle, weshalb der erste Teil der Ausstellung im Unteren Belvedere mit einem „Musikraum“ endet. Hier liegt, fast unscheinbar, eine eigenhändige Abschrift von Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 3 in Es-Dur, op. 55, „Eroica“ (1804, Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien). Einst hatte er Napoleon das Musikstück gewidmet, nun erklang es für die Monarchen als „weise Gründer glücklicher Staaten“3. Begleitet wird das Schriftstück von einer Gipsbüste des grimmig aussehenden Komponisten von Josef Danhauser („Ludwig van Beethoven“, 1827, Wien, Wien Museum). Übrigens die einzige, die der Möbelentwerfer und Maler je angefertigt hat.
In der Orangerie sind neben Gemälden, Skulpturen, Silber, einem außergewöhnlichen Ballkleid4 (1810–1830) samt Pashminashawl5 (um 1825), Kunstgewerbe (MAK, Bundesmobilien Depot) zu sehen. Die gängige Mode – Frauen folgten dem Vorbild Paris und Männer London (!) – wird genauso in prächtigen und höchst selten ausgestellten Kleidern präsentiert wie sie in den repräsentativen Porträts von François Gérard oder Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865, „Eine Fürstin Trauttmansdorff“, 1818, Öl auf Leinwand, 126 × 99,5 cm, Linz, Oberösterreichische Landesmuseen) eine tragende Rolle spielt.
Die Tisch- und Tafelkultur wird u. a. durch das bekannte „Esterhazy-Majoratssilber“ (1791/92–1819) von Ignatz Sebastian und Aloys Johann Würth, Tafelaufsätze von unbekannten Meistern (MAK) und Porzellan aus der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Wien illustriert. Da 1811 Österreich einen Staatsbankrott erlebt hatte, wurde das 1797 eingeschmolzene Goldservice durch golden bemalte Porzellane ersetzt. Darüber hinaus produzierte etwas die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin riesige „Kratervasen mit Porträts der Vertreter Preußens, Russlands, Osterreichs und Englands aus Anlass der Gründung der „Heiligen Allianz“ und Personifikationen des Sieges“ (1816, Berlin, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg). Auch im Bereich der Motivuhren fand der Wiener Kongress einen Niederschlag: Christian Federls „Stutzuhr mit Apotheose auf den Wiener Kongress“ (um 1815, MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, Wien) zeigt die drei Monarchen unter sich ausgießenden Füllhörnern. Eine „Tischuhr mit Alexander I., eine Büste Ludwigs XVIII. krönend“ (um 1814, St. Petersburg, The State Hermitage Museum), die Pierre-Philippe Thomire zugeschrieben wird, ehrt den enthaupteten französischen König, für den während des Kongresses auch ein Requiem dargebracht wurde.
Neben dem französischen Maler David und dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen gehört der Italiener Antonio Canova (1757–1822) international zu den wichtigsten Künstlern des Klassizismus. Canovas „Venus Italica (Porträt der Prinzessin Leopoldine von Esterhazy)“ (um 1805–1815, Vaduz/Wien, Liechtenstein, The Princely Collections) entstand, nachdem sich der Künstler zum Aufbau des Christinen-Monuments 1805 in Wien aufgehalten hatte. Seine Art, Marmor so zu behauen, dass er sensualistische Werte bekam, wurde vorbildhaft für jüngere Künstler wie Leopold Kiesling und Johann Nepomuk Schaller.
Das Ende der Ausstellung bildet der politische Showdown mit der Schlacht bei Waterloo und der Unterzeichnung der Schlussakte wenige Tage davor am 9. Juni 1815. Johann Nepomuk Höchle komponierte aus seinen Skizzen das Historienbild „Die verbündeten Heere, Kaiser Franz I. von Österreich mit dem Kronprinzen Ferdinand an der Spitze, überschreiten im Juli 1815 die Vogesen“ (1822–1828, Wien, Belvedere) und hielt die „Schlacht bei Waterloo“ (1817, Wien, ALBERTINA) aus dem Gedächtnis fest. Ein unbekannter Künstler dokumentierte Jahre später „Touristen besuchen das Schlachtfeld von Waterloo“ (1830/1835, Berlin, Stiftung Deutsches Historisches Museum), was die Bedeutung der Schlacht für die europäische Geschichte belegt.
Johann Nepomuk Schallers „Bellerophon im Kampf mit der Chimeira“ (1821, Carraramarmor, 210 × 147 × 59 cm, Bez. am Sockel r.: I. SCHALLER VIENENSIS. FECIT ROMA 1821, Wien, Belvedere) steht zwischen Höchles Zug der verbündeten Heere und einem ganzfigurigen „Porträt von Arthur Wellesley, 1st Duke of Wellington“ (James Lonsdale, 1815, London, Government Art Collection), dem Sieger der Schlacht bei Waterloo. Begleitet werden die Großformate von kleinformatigen Druckgrafiken (Schabblätter und Lithografien), mit Hilfe derer das Wissen um die historische Schlacht verbreitet wurden. Napoleon ist in seiner charakteristischen Pose stehend oder auf seinem Schimmel reitend geschildert. Während der Kaiser von Frankreich stoisch wirkt, drückt sein Pferd den ganzen Schrecken dieser blutigen Schlacht aus.
Am 9. Juni 1815 wurde die Schlussakte – genauer „Acte final du congrès de Vienne“6 – ratifiziert und damit eine längere Friedensphase zwischen den am Kongress beteiligten Nationen eingeläutet. Erst Ende Mai hatten sich die Kongressteilnehmer auf Drängen von Großbritannien überhaupt zu einer Ausfertigung einer Schlussakte durchringen können. Die Unterhändler der acht am Ersten Pariser Frieden beteiligten Mächte, nämlich Österreich, Frankreich, Großbritannien, Portugal, Preußen, Schweden, Spanien und Russland durften ihre Unterschrift und ihr Siegel unter den Text setzen.
Im Rahmen der Vorbereitung für die Kongress-Ausstellung konnte der Schöpfer der Lederkassette identifiziert werden, die Metternich bestellt hat. Der berühmten Goldschmied und Kunsttischler Martin Guillaume Biennais (1764–1843) in Paris hatte noch wenige Jahre zuvor die Regalien für Napoleon hergestellt, 1815 schuf er die acht vergoldeten Wappenbeschläge an den Ecken des Einbandes und die Aufschriften auf der Lederschatulle des österreichischen Exemplars.
Diesem reichen Gang durch die Kultur- und Kunstgeschichte der Kongresszeit folgt ein Ausblick in die Bildgeschichte von Friedensschlüssen. Schon in den 1810er Jahren wurde das fehlende Kongressbild durch einen Stich nach Isabey ergänzt. Seither lassen sich Potentaten beim Unterzeichnen von Verträgen nicht nur über die Schultern schauen, sondern malen und seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch fotografieren. Die Galerie von jüngeren Friedensbildern wie die Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955, der Vertrag von Camp David 1979 und die Unterzeichnung des Abkommens von Dayton 1995 sind zwar nicht politisch aber doch bildpropagandistische „Kinder“ des Wiener Kongresses.
A. Husslein-Arco, S. Grabner, W. Telesko (Hrsg.)
mit Beiträgen von U. Felbinger, E. Hilscher, W. Godsey, S. Grabner, W. Häusler, R. Johannsen, G. Kugler, K. Lovecky, L. Markina, B. Mazohl, R. Panchieri, K. Schneider, R. Stauber, W. Telesko, E. Treichel, E. M. Werner, A. Wilton u. a.
408 Seiten, 364 Abb.
23 × 28,5 cm, geb.
ISBN 978-3-7774-2323-4
Hirmer Verlag