Der amerikanische Objektkünstler Vincent Fecteau (* 1969) schuf für die Wiener Secession einen neuen, titellosen Zyklus von 11 Skulpturen und einem Leporello, der als Künstlerbuch die Schau komplettiert. Auf den ersten Blick und vor allem aus der Distanz wirken die im zentralen Bereich der Ausstellungshalle gruppierten Werke wie hermetisch geschlossene Blöcke. Ihre matte „Farbigkeit“ – irgendwo zwischen Schlammgrau und Dunkelbraun angesiedelt – schluckt das Licht. Erst bei näherer Betrachtung wird die feine Bearbeitung der Oberflächen sichtbar, handelt es sich bei diesen Objekten doch um handgemachte Papiermaché-Skulpturen, die Fecteau aus Schachteln für Blumengebinde. Diese veränderte Fecteau in einem langwierigen Arbeitsprozess, indem er Teile abschnitt und andere ergänzte, Verbindungen schuf oder auch löste. So ergeben sich mannigfaltige Einblicke, Durchblicke und Höheräume, deren „Sinn“ sich nicht durch die Anschauung des Objekts erschließt. Allen Arbeiten der Serie liegt die selbe Form zugrunde, alle sind individuell geformt. Das Werk Vincent Fecteaus kann man daher mit dem musikalischen Begriff eines Themas mit Variationen umschreiben, obwohl das Thema dabei völlig im Dunkeln bleibt. Weitere Assoziationsmöglichkeiten sind utopische Architektur, avantgardistische Bühnenbilder, Masken oder industrielle Fertigungsteile. Wie auch immer, in den bewusst abstrakt gestalteten Skulpturen steckt vieles drin. Wie sehr der Amerikaner auch mit Sichtachsen spielt, und dass er sein Künstlerbuch wirklich als Teil der Ausstellung empfindet, machen die beiden eigens aufgestellten Sitzbänke in den Seitenschiffen der Secession deutlich: Aus der Ferne verschließen sich die Skulpturen noch mehr einer leichten Interpretierbarkeit. Sie sind, was sie sind: Körper im Raum.
Österreich / Wien: Secession
1.7. – 28.8.2016
Die 1966 in Kodaikanal (Indien) geborene Filmkünstlerin Manon de Boer präsentiert unter dem Titel Giving Time to Time sechs Filmarbeiten, in denen sie die Rahmenbedingungen für Kreativität und freies künstlerisches Schaffen reflektiert.
In ihren filmischen Arbeiten beschäftigt sich Manon de Boer mit Fragen rund um Rahmenbedingungen künstlerischen Schaffens, Kreativität und freies Arbeiten. Sie ist der Meinung, dass Ausgangspunkt für kreatives Schaffen die Erfahrung von Zeit ist - und zwar in großer Menge. Die britische Psychoanalytikerin Marion Milner (1900-1998) mit "An Experiment in Leisure" (1937) sowie die amerikanische Künstlerin Agnes Martin (1912-2004) mit "The Untroubled Mind" (1972) prägten de Boers Überzeugung.
In der Kreuzgalerie der Wiener Secession baute de Boer einen Vorführraum ein, dessen Wände in sanften Grün- und Rosétönen genau jene Ruhe ausstrahlen, die dem Kreativitätskonzept der Künstlerin entspricht. Abwechselnd laufen hier "Presto, Perfect Sound" (2006) und "Dissonant" (2010), abwechselnd proben der Violonist George van Dam und die Tänzerin Cynthia Loermij. Manon de Boer konzentriert sich bei beiden auf die Gesichter als Spiegel ihrer innersten Gefühle. Die Neupräsentation ist im hintersten Ausstellungsteil zu sehen, ein weicher Teppich lädt zum Verweilen und Rasten ein. "An Experiment in Leisure" zeigt Bilder einer Küstenlandschaft in Norwegen. Die Kameraführung ähnelt einem wandernden Blick, keine Totale und damit kein Überblick. Stimmen aus dem Off, die befreundeten Künstlerinnen und Künstlern gehören1, sprechen über ihre Quellen der Kreativität. Träumerei, Ruhe, Zeit, Rhythmus, Tempo, Verletzlichkeit sind nur einige der Stichworte, die fallen. Einige Bilder des weißen Himmels, der verschneiten Küste wirken wie abstrakte Gemälde von Agnes Martin.
Das Künstlerbuch "Trails and Traces" vervollständigt die Filmpräsentation. Hierin verband Manon de Boer Filmstills mit Auszügen aus Gesprächen über Marion Milner und ihre Theorien sowie ausgewählte Texte.
"Ich betrachte diese zwecklosen Momente, in denen man seinen Gedaken freien Lauf lassen, die Zeit vergessen und den Kopf frei machen kann, als wesentlichen Teil des kreativen Prozesses." (Manon de Broer)
Die erste österreichische Einzelausstellung des italienischen Zeichners und Malers Valerio Adami (* 1935 Bologna) stellt fünf Werke des Jahres 1963 vor. Auf den ersten Blick ist die enge Verbindung des Künstlers mit der Pop Art erkennbar: grelle Farben, Laut-Texte, sprechblasenähnliche Gebilde, Explosionskürzel aus dem Comicjargon, Körperteile. All das vermischt Valerio Adami zu surral-abstrakt anmutenden Kompositionen. Im Gegensatz zu den amerikanischen Kollegen - vor allem Roy Lichtenstein und Andy Warhol - setzte Adami jedoch auf die Geste des Strichs, die Persönlichkeit der Formgebung und nicht auf technoid anmutende Mal- oder Drucktechniken. Als malender Zeichner oder zeichnender Maler ließ Adami Körper und Objekte in den Gemälden aufeinanderprallen, ohne schlüssige Erzählung, wie abstrakte Malerei des Informel.