Giuliano da Sangallo
Wer war Giuliano da Sangallo?
Giuliano da Sangallo (Florenz um 1445–16.10.1516 Florenz) war ein italienischer Bildhauer, Architekt und Militäringenieur der italienischen Renaissance. Er war der Lieblingsarchitekt von Lorenzo de’ Medici und entwarf für ihn die Villa Medicea in Poggio a Caiano sowie ein Kloster für Augustiner und eine Kirche. Papst Julius II. und Papst Leo X. beauftragt Giuliano mit dem Bau mehrerer Bauwerke.
Giuliano gehörte bereits der zweiten Generation Florentiner Frührenaissance-Architekten an. Hauptthema seines Schaffens war der Zentralbau: Die Kirche Santa Maria delle Carceri in Prato Über erhebt sich kreuzförmigem Grundriss, die Sakristei von Santo Spirito ist als Oktogon angelegt. Mit dem Palazzo Strozzi und dem Palazzo Gondi (beide in Zusammenarbeit mit Simone Cronaca) prägte er den Florentiner Palastbau des späten 15. Jahrhunderts. Giuliano da Sangallo brillierte gleichermaßen als Militärbaumeister und „erfand“ einen neuen, polygonalen Festungstyp. Als Bauleiter von St. Peter in Rom überarbeitete Giuliano da Sangallo die Entwürfe Bramantes.
Leon Battista Alberti und Filippo Brunelleschi beeinflussten Sangallo stark, und dieser wiederum beeinflusste andere wichtige Persönlichkeiten der Renaissance wie Raffael, Leonardo da Vinci, seinen Bruder Antonio da Sangallo den Älteren und seine Söhne Antonio da Sangallo den Jüngeren und Francesco da Sangallo.
Kindheit
Giuliano da Sangallo, eigentlich Giuliano Giamberti, wurde um 1445 in Florenz geboren. Er war der Bruder von Antonio da Sangallo dem Älteren.
Werke
Giulio da Sanagallos wichtigste Werke:
- Klosterhof von Santa Maria Maddalena de’ Pazzi in Florenz, 1490–1494
- Palazzo Gondi, 1480–1485
- Villa Medicea in Poggio a Caiano für die Medici, ab 1485
- Santa Maria delle Carceri in Prato, 1484/1486–1495: Kuppelbau über einem griechischen Kreuz
- Palazzo Strozzi, ab 1489; zusammen mit S. Cronaca
- Befestigungen von Ostia
- Klosterhof von San Pietro in Vincoli
- Zitadelle von Pisa
- Fassade von Santa Maria dell’Anima, 1514
- Bauleiter des Petersdoms, 1514–1515
Villa Medici in Poggio a Caiano
Der Sieg in Kalabrien gab Lorenzo de' Medici das nötige Selbstvertrauen, um weiterhin mit Giuliano zusammenzuarbeiten. Nach einem Wettbewerb zur Ermittlung des besten Entwurfs beauftragte Lorenzo ihn mit dem Entwurf einer Villa in Poggio a Caiano. Der Bau der Villa begann 1485 und blieb Lorenzos Leben lang weitgehend unvollendet. Sein Sohn Giovanni überwachte die Fertigstellung, nachdem er als Papst Leo X. zum Papst gewählt worden war.
Die Medici-Villa in Poggia a Caiano ist eines der ältesten Beispiele für Landvillen im Renaissancestil und diente vielen späteren Architekten dieser Zeit als Inspiration. Giuliano da Sangallos Bau öffnet sich mit einem eleganter ionischen Portikus und einer geschwungenen Treppenanlage dem Besucher. Die Einbindung in den Garten, die symmetrische Anlage - hier in Form eines H - und die Tempelfront sollten bis ins 18. Jahrhundert zum Kennzeichen der Villa werden. Im Inneren waren die Villen meist um einen zentralen Saal gruppiert, der auf das offene, von Säulen umstandene Atrium des antiken Hauses zurückgeht, nun aber geschlossen wird. An ihn schließen sich kreuzweise die Gesellschaftsräume an, Fresken huldigen dem Hausherrn und thematisieren die heitere, ungezwungene Atmosphäre dieser irdischen Paradieses.
Santa Maria delle Carceri: unvollendete Fassade
Im Jahr 1484 behauptete ein Kind aus Prato, an der Seite des Gefängnisses ein Gemälde der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind zum Leben erweckt zu haben. Der Bau von Santa Maria delle Carceri wurde in Auftrag gegeben, nachdem die Stadtbewohner dies als Wunder bezeichnet und beschlossen hatten, am Ort der Vision eine Kirche zu errichten, um ihr zu gedenken.
Lorenzo de' Medici beauftragte für dieses Projekt erneut seinen Lieblingsarchitekten Giuliano. Seine Entwürfe stützten sich stark auf sein Studium der Werke Albertis und Brunelleschis. Sangallo verwendete insbesondere einen griechischen Kreuzgrundriss. Dieser klassische Grundriss mit vier gleich langen Armen, die von einem Mittelschiff ausgehen, war in der Renaissance bis dahin kaum verbreitet. Der Bau der Kirche begann 1486, doch die Fassade ist bis heute unvollendet.
Palazzo Strozzi
Der Palazzo Stozzi (ab 1489) verkörpert wie kein Zweiter den Anspruch und Ehrgeiz des Florentiner Großbürgertums. Das Vorbild des Palazzo Medici ist hier in noch monumentalere, erhabenere Formen gesteigert. Etliche Häuser mussten für den Neubau abgerissen, eine Straße begradigt werden. Vermutlich von Giuliano da Sangallo entworfen, lag die Ausführung des Palastes in den Händen von Benedetto da Maiano, Simone Cronaca und anderen.
Reggia in Neapel
Nachdem er die ersten Pläne für die Villa in Poggia a Caiano fertiggestellt hatte, beauftragte Lorenzo de' Medici Giuliano 1488 mit dem Bau eines Schlosses für Ferrante von Aragon, den König von Neapel. Der Bau des Schlosses war Teil eines größeren politischen Plans, den die Herrscher der verschiedenen Stadtstaaten der italienischen Renaissance verfolgten. Wenn die Stadtstaaten nicht gegeneinander kämpften, schickten sie einander diplomatische Geschenke sowie Maler, Bildhauer und Architekten als Zeichen ihres guten Willens. Darüber hinaus versuchte die Familie Medici durch die Entsendung Giulianos nach Neapel, die Florentiner Kultur und Architektur auf die italienische Halbinsel zu exportieren.
Giuliano da Sangallo wollte das Schloss in der Nähe des offenen Geländes bei Castel Nuovo errichten. Es sind zwar Planskizzen erhalten, jedoch wurde der Palastbau nie realisiert. Der Entwurf weist ähnliche Elemente auf wie Giulianos erster großer Auftrag, die Medici-Villa: eine erhöhte Plattform, auf der die Gebäude errichtet werden sollten, zwei Treppen, die zum Haupteingang führen, und ein Portikus zwischen den beiden Treppen. Darüber hinaus wurden beide Gebäude auf einer rechteckigen, symmetrischen Achse errichtet. Nachdem Giuliano seinen Dienst für den König beendet hatte, wurde er mit Geschenken wie Geld, Gemälden und Skulpturen nach Florenz zurückgeschickt. Viele dieser Geschenke überreichte Giuliano Lorenzo de' Medici als Zeichen seiner Dankbarkeit für seine Gönnerschaft.
Während Giuliano da Sangallo den Palast für den König von Neapel entwarf, schrieb der Sohn des Königs, der Herzog von Kalabrien, an Lorenzo de' Medici und bat ebenfalls um einen Palastentwurf. Als Antwort auf diesen Brief schickte Lorenzo Giuliano da Maiano, um dem Wunsch nachzukommen. Giorgio Vasari schrieb den Palast des Herzogs von Kalabrien deshalb fälschlicherweise Giuliano da Sangallo zu.
Vasari zufolge beauftragte der Bischof von Ostia, später Papst Julius II., Giuliano nach seiner Tätigkeit in Neapel mit der Wiederbefestigung seiner Burg in Ostia. Es stimmt, dass Sangallo an diesem Projekt mitwirkte, allerdings zusammen mit einem anderen Architekten, Baccio Pontelli. Inschriften im Schloss zufolge wurde die Renovierung 1484 abgeschlossen, bevor Giuliano seine Tätigkeit für den König von Neapel aufnahm.
Kirche San Gallo
Nach Giulianos Rückkehr aus Neapel beauftragte Lorenzo ihn mit dem Bau einer Kirche für einige Augustinermönchen. Dieser Auftrag sollte als Beispiel für die öffentliche Förderung der Familie Medici in Florenz dienen. Aufgrund von Korrespondenzen kann man schlussfolgern, dass der Bau der Kirche 1488 begonnen wurde. Die Chiesa di San Gallo war dem Heiligen Gallus von Irland aus dem 7. Jahrhundert gewidmet.
Giorgio Vasari zufolge gefiel Lorenzo der Entwurf so gut, dass er Giuliano nunmehr Giuliano da San Gallo nannte. Damit begründete der Architekt eine neue Familienlinie mit dem Namen Sangallo. Auch das der Kirche am nächsten gelegene Tor in der Stadtmauer von Florenz wurde als Porta San Gallo bekannt. Während der Belagerung von Florenz im Jahr 1529 zog sich die florentinische Armee innerhalb der Stadtmauern zurück. Da die Kirche außerhalb der Stadtmauern errichtet worden war, wurde sie zerstört.
Palazzo Gondi
Etwa zur gleichen Zeit, als Giuliano da Sangallo mit dem Bau der Kirche San Gallo beauftragt wurde, erhielt er auch den Auftrag des wohlhabenden Florentiner Kaufmanns Giuliano Gondi aus einer alten florentinischen Bankiersfamilie. Nachdem Gondi von Sangallos Arbeiten für die Medici und den König von Neapel gehört hatte, bat er ihn, einen neuen Palazzo Gondi in Florenz zu errichten.
Für dieses Projekt orientierte sich Giuliano an den Entwürfen anderer großer Paläste der Stadt, wie dem Palazzo Medici Riccardi und dem Palazzo Strozzi. Wie dieser blockhaft und ebenmäßig, erhielt auch er einen repräsentativen Innenhof mit umlaufenden Arkaden. An der Fassade wird einmal mehr die dekorative Begabung Sangallos deutlich: Die Rustika ist von unten nach oben sorgfältig zurückgenommen; effektvoll zugeschnittene Steine rahmen Fenster und Portale.
Wie im Florentiner Palastbau bereits üblich zeigt auch der Palazzo Gondi die Verwendung feinerer Steinschichten auf jeder aufsteigenden Ebene der Fassade aus. Leider wurde dieser Palast, wie viele seiner Aufträge, weder zu Giulianos Lebzeiten noch zu Lebzeiten seines Mäzens Giuliano Gondi fertiggestellt. Der Palast wurde fast zwei weitere Jahrhunderte lang renoviert und erweitert. Aufgrund dieser Umbauten ist Sangallos ursprüngliches Konzept nicht mehr eindeutig nachvollziehbar.
Palazzo della Rovere in Savona
Kurz nachdem Giuliano seine Arbeiten an Santa Maria delle Carceri abgeschlossen hatte, starb 1492 sein Mäzen und langjähriger Freund Lorenzo der Prächtigen. Nach dem Tod Lorenzos entstand ein Machtvakuum, das Frankreich 1494 die Möglichkeit bot, in Florenz einzumarschieren. Die französische Invasion zwang die Medici-Familie und ihre Anhänger, darunter Giuliano, aus Florenz ins Exil.
Zwei Jahre zuvor war der Bischof von Ostia, Giuliano della Rovere, aus Italien geflohen, nachdem sein kirchlicher Rivale Rodrigo Borgia 1492 als Alexander VI. zum Papst gewählt worden war. Das gemeinsame Exil und seine Vergangenheit als Architektur-Mäzen nutzte er, um Sangallo davon zu überzeugen, für ihn einen Palast in Savona zu entwerfen.
Der Entwurf des Palastes war stark von den anderen Anwesen des Bischofs beeinflusst, wie dem in Vincoli und der Festung in Ostia, die Sangallo mitgestaltete. Giuliano della Rovere trieb die Rivalität mit seinem Cousin Rafaelle della Rovere an, seinen Palast in Savona zum größten zu machen, den die Stadt je gesehen hatte. Della Rovere erreichte dies durch den Kauf der Grundstücke rund um das Familienanwesen. Wie Albertis Entwurf für den Palazzo Rucellai in Florenz glich Sangallo die Tatsache, dass der Palazzo aus mehreren Gebäuden bestand, durch die Schaffung einer einzigen großen, hoch aufragenden Fassade aus. Wie schon beim Palazzo Rucellai verwendete auch Sangallo das Konzept, die Größe jeder aufsteigenden Fassadenebene zu reduzieren, um sie von der Straße aus imposanter erscheinen zu lassen.
Arbeit in Rom und Entwurf für den Petersdom
Giuliano da Sangallos letzte Arbeit war die Mitwirkung bei der Planung und dem Bau des neuen Petersdoms. Sangallo wurde mit dem Entwurf der neuen Papstkirche beauftragt. Papst Julius II. engagierte jedoch stattdessen Donato Bramante, der 1506 mit dem Bau begann. Um 1506 rief Giuliano da Sangallo Jacopo Sansovino nach Rom, wo er ihn als Mitarbeiter an den Arbeiten am Belvedere des Vatikan.
Giuliano wurde von Julius II. nach Rom gerufen, um Michelangelo beim Entfernen des Schimmels von der Decke der Sixtinischen Kapelle zu helfen, nachdem der junge Künstler zu feuchten Putz aufgetragen hatte (→ Michelangelo und die Decke der Sixtinischen Kapelle).
Giuliano war nach Bramantes Beförderung am Boden zerstört und verließ Rom, um nach Florenz zu ziehen. Nach dem Tod Julius II. und der anschließenden Wahl Giovanni de' Medicis zum Papst Leo X. im Jahr 1513 sowie dem Tod Bramantes im Jahr 1514 wurde Giuliano von Florenz nach Rom zurückgerufen, um beim Wiederaufbau der Basilika mitzuhelfen. Zu diesem Zeitpunkt war Giuliano jedoch über 70 Jahre alt und nicht mehr gesund genug, um nach Rom zurückzukehren und ein Projekt dieser Größenordnung zu leiten. Daher beauftragte Papst Leo X. Raffael mit der Gestaltung der neuen Basilika.
Tod
Giuliano da Sangallo starb am 16. Oktober 1516 in Florenz.
Vermächtnis
Giuliano da Sangallos Vermächtnis unterscheidet sich von dem anderer Architekten seiner Zeit, da viele seiner größten Werke entweder unvollendet blieben oder gar nicht mehr existieren, wie beispielsweise Santa Maria delle Carceri, der Palazzo Gondi und die Kirche San Gallo. Stattdessen basiert sein Vermächtnis weitgehend auf abstrakteren Konzepten. Sangallos Erbe ist in seinem Sienesischen Skizzenbuch lebendig geblieben. Es bietet einen intimen Einblick in Sangallos Gedankenwelt und enthält Ideen für Konzepte, die von neuen Artillerieformen über Kathedralkuppeln bis hin zu Skulpturen reichen. Viele dieser Entwürfe wurden mit Maßangaben und technischen Details versehen. Darüber hinaus enthält das Skizzenbuch Zeichnungen von bereits bestehenden Bauwerken, die der Architekt auf seinen Reisen durch Italien und Europa gesehen hatte. Demnach interessierte sich Sangallo offenbar auch für das Studium mittelalterlicher und klassischer Architektur.
