Gustav Klimt malte zwischen 1895 und 1898 zwei Supraportenbilder für das Musikzimmer des Palais Dumba: „Musik“ und „Schuber am Klavier“. Wenn auch die ausgeführten Werke 1945 verbrannten, so geben die beiden erhaltenen Entwürfe doch einen guten Einblick, wie sich der Maler vom Historismus zu einem pointillistischen Symbolismus entwickelte (→ Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus, Symbolismus).
Mit „Klimt und die Ringstraße“ öffnet das Untere Belvedere die Pforten der ehemaligen Herrenhäuser und öffentlichen Gebäude, um die Reste von einigen geschmackvollen Einrichtungen des Späthistorismus zu präsentieren: Hans Makart und Theophil von Hansen prägten als Ausstatter jenen Stil, gegen den die Avantgarde rund um Gustav Klimt opponierte. Bevor dieser allerdings zum Anführer der Modernen wurde, verwirklichte der Sohn eines Handwerkers selbst Aufträge der Ringstraßen-Ära: zu den wichtigsten Dekorationen im privaten und öffentlichen Raum zählen bis heute Klimts Dekorationsgemälde für das Palais Dumba, die Stiegenhäuser von Burgtheater und Kunsthistorischem Museum und die verlorenen Deckengemälde für die Aula der Universität Wien, die sogenannten Fakultätsbilder.
Österreich / Wien: Unteres Belvedere
3.7. - 11.10.2015
Die Leistungen der ersten Künstlergeneration, die an der Ausgestaltung der Ringstraße beteiligt war, bildeten die Basis von Klimts eigener Entwicklung. Dies kann gut an den Einrichtungen Makarts und Klimts für das Palais Dumba abgelesen werden: Nicolaus Dumba (auch: Nikolaus Dumba) beauftragte Hans Makart mit der Ausstattung seines Arbeitszimmers (1870/71–1873). Er wandte sich aber an Gustav Klimt für sein Musikzimmer (1895–1897) und an Franz Matsch für das Speisezimmer (1893).
Der liberale Industrielle Nicolaus Dumba (1830–1900) repräsentiert einen charakteristischen Wiener Großbürger des späten 19. Jahrhunderts. Der überbordende Prunk seines Ringstraßenpalais‘ und seine reiche Sammlung von Kunstwerken und Antiquitäten zeugen von einem selbstbewussten Großbürgertum, das sich am aristokratischen Lebensstil orientierte. Dumba entstammte einer aromunischen Familie aus Nordgriechenland und nutzt seinen Salon als Ort der Repräsentation und Kontemplation. Er machte ein Vermögen, indem er hochwertige Baumwolle aus Mazedonien und Lederwaren nach Wien importierte. Im Gegenzug lieferte er hauptsachlich Rübenzucker ins Osmanische Reich. Der kunstsinnige Nicolaus Dumba1 leitete ab 1857 die Geschäfte des Österreichischen Kunstvereins in Wien so erfolgreich, dass er 1862 zu dessen Ehrenmitglied ernannt wurde. Zwei Jahre später gehörte er zu den ersten Mitgliedern der Genossenschaft bildender Künstler Wiens, jenem sogenannten Künstlerhaus, gegen das die Secessionisten 1897 in den Kampf zogen.
Bereits für den Kunstkritiker Ludwig Hevesi stand die Ausstattung des Palais Dumba am Parkring Nr. 4 für den Wiener Geschmack des späten 19. Jahrhunderts – intensiv geprägt durch den sogenannten „Makartstil“. So beauftragte Dumba Hans Makart 1871 mit der Ausstattung seines Schreibzimmers (Ecke Parkring / Zedlitzgasse), wobei Hevesi folgenden Auftrag übermittelte:
„Gehen Sie nach Venedig und thun Sie dort nichts als schauen […] und dann machen Sie mir ein ganzes Zimmer.“2 (Dumba an Makart)
Das Ergebnis war ein farbenfroher, dicht gefüllter Raum im Neo-Renaissance-Stil. Makart entwarf für Wände und Decken allegorische Darstellungen, die auf Dumbas berufliche und persönliche Aktivitäten in Gewerbe, Landwirtschaft, Wissenschaft, bildender Kunst und Musik verwiesen. Die Ölgemälde wurden auf Leinwand ausgeführt und später in die Vertäfelung eingelassen. Dazu arrangierte er noch Exponate aus Dumbas Sammlungen: Musikinstrumente, Werkzeuge, Waffen, Vasen, Plastiken und Tierpräparate. Und weiter Hevesi:
„Das Makart-Zimmer – wer kennt es nicht? Jenes Eckzimmer im ersten Stock des Dumba’schen Hauses, zu dem sich abends, wenn es beleuchtet ist, das Auge jedes Vorüberschreitenden emporhebt. Fremde vollends bleiben überrascht stehen und schauen hinaus in jene himmelblaue Plafondluft, in der sich farbflimmernde Formen wiegen, und suchen rechts und links Zipfel der dazu gehörigen Wandgemälde zu erhaschen. Das ist eine der merkwürdigsten Häuserecken Wiens […] Dieses Studirzimmer [sic] eines Wiener Bürgers zaubert er in das Empfangszimmer eines Nobile um. […] In dem berühmten Makart-Zimmer tobt sich die ganze Mallust der Caterian Cornaro-Zeit aus. Dumba hatte Makart vorher eigens nach Venedig geschickte, um sich dort vollzusaugen. Das Ergebnis waren die Wände und Decke an denen Künste und Gewerbe ein Farbenfest von überquellender Sonnenfreude feiern. Das unbefangene, siegesbewusste Fleisch Paolo Veroneses ist hier ganz von Nerven durchzuckt und variiert sich in einem atlasnen Gegleiße und Geschimmer, das ohne Zweifel etwas anderes ist als was die alten Venezianer ausströmten. Diese drei Dumbazimmer sind an sich schon ein Museum der Wiener Kunst.“3
Auf sechs Friesstücken stellte Hans Makart Handel und Industrie, die Landwirtschaft, die Wissenschaften, die Chemie, die Bildhauerei und die Malerei dar. Familienmitglieder wurden porträthaft in die Allegorien eingebaut. Die eher dunkeltonigen Gemälde lassen gelegentlich Goldgrund durchscheinen und erinnern in ihrem Kolorit an die Werke von Jacopo Tintoretto oder Paolo Veronese für den Palazzo Ducale in der Lagunenstadt. Die Decke ist der Musik gewidmet. Der 1870/71 entstandene Entwurf zum Deckenbild, der sich im Niederösterreichischen Landesmuseum in St. Pölten befindet, zeigt weibliche Allegorien und Putti auf einer stark verkürzten Brüstung stehen. Über ihnen das Blau des Himmels und ein aufgespanntes Segel. Das ausgeführte Gemälde verbindet vier Allegorien der Musik: Geistliche Musik, Militär-, Jagd- und Tanzmusik (Chi Mei Museum, Tainan, Taiwan).
Nicolaus Dumba hatte seinen Erben aufgetragen, das Makart-Zimmer unverändert zu erhalten. Das Historische Museum der Stadt Wien (heute Wien Museum) lehnte allerdings die Schenkung aufgrund von Platzmangel ab. Die abgenommenen Gemälde wurden während des Zweiten Weltkriegs im Haus einer Verwandten versteckt. Adolf Hitler bot 600.000 Reichsmark für die Werke, die er im geplanten Führermuseum in Linz ausstellen wollte. Erst unter Druck verkaufte die Familie 1942 die Bilder für 12.000 Reichsmark. Nach dem Krieg gelangten sie zurück nach Österreich und in die Obhut des Bundesdenkmalamts (bis 1996). Dann wurde es im Rahmen einer Auktion von enteignetem jüdischen Eigentum durch Christie’s an das Chi Mei Museum in Taiwan verkauft.
Der Kunstmäzen beauftragte 1893 Gustav Klimt mit der Gestaltung des Musikzimmers und Franz Matsch mit der Ausstattung des Speisezimmers seines Palais an der Ringstraße. Das Speisezimmer Matschs ist nur noch in Fotografien, zweier Hermen (heute im Hotel Sacher), einem Springbrunnen (Privatbesitz) und Entwürfen für den Musenfries (Privatbesitz) nachvollziehbar. Die beiden Supraporten – Gemälde über Türen – von Gustav Klimt hingegen zählten bereits kurz nach ihrer Entstehung zu den beliebtesten Klimt-Bildern in Wien und sind in Entwürfen erhalten.
Klimt malte für Dumba „Die Musik“ und „Schubert am Klavier“ – beide Werke verbrannten 1945 in Schloss Immendorf. Daher sind nur die beiden Entwürfe erhalten. Die beiden Supraporten wurden erst 1899 montiert, was mit Matschs Arbeit am Achilleion für Kaiserin Elisabeth auf Korfu begründet wird.4 Der gleichzeitig an die Künstler herangetragene Auftrag zu den Fakultätsbildern könnte ein weitere Grund für die späte Fertigstellung sein.
Das 37 x 44,5 cm große Ölgemälde wird auf 1895 datiert. Es zeigt links eine Kithara-Spielerin mit goldenem Musikinstrument – so wie Klimt sie wenige Jahre später im Beethovenfries wiedereinsetzte. Das sich verbeugende Mädchen ist im Profil und als Halbfigur gegeben. Sie steht vor einer in Ocker gehaltenen Brüstung, an der zwei antike Skulpturen zu sehen sind. Darüber pflanzliche Strukturen und vegetabile Elemente, das Gustav Klimt der griechischen Vasenmalerei, genauer dem Themenkreis des Dionysos-Festes, entlehnte.
Klimts Schubert musiziert mit vier Mädchen am Klavier. Da Nicolaus Dumba Kompositionen von Schubert sammelte, die er der Wienbibliothek vermachte, lag die Wahl des Themas nahe. Das Ambiente wird dem Musikzimmer wie auch Dumbas Engagement für den Schubert-Männergesangsverein gerecht, findet der Singabend doch im kerzenbeschienen Innenraum statt. Hatte sich Gustav Klimt für die „Musik“ an antiken Werken und ihrer Symbolsprache bedient, so ließ er sich für „Schuber am Klavier“ vom Postimpressionismus inspirieren. Namentlich die Nabis und ihre Interieurs aber auch die Pointillisten mit ihrer Punkt-Technik sind in dem Werk miteinander verschmolzen. Weidinger datiert daher die Ölskizze auf das Jahr 1896.5
Die Ausführung der beiden Supraporten dürfte in die Jahre 1897/98 bzw. 1899 fallen, da „Die Musik“ auf der 1. Ausstellung der Wiener Secession präsentiert wurde. In der „Musik“ ist eine deutliche Klärung der Motive festzustellen. Die Kithara-Spielerin wendet sich nun aus dem Bild heraus. Sie stützt das Musikinstrument auf die niedrige Mauer, der ornamentale, pflanzliche Hintergrund nimmt nun die gesamte Fläche ein. Zunehmend treten die diffus gemalten, postimpressionistischen Elemente zurück, um flächig aufgefassten Partien Platz zu machen.
Auch im „Schubert am Klavier“ lässt sich diese Tendenz beobachten. Das Porträt des Komponisten wird in der verlorenen Ausführung von einer schwarzen Tür hinterfangen. Der Kerzenschein bringt zwar noch immer Reste von pointillistischer Malerei zur Geltung, doch begann Gustav Klimt im Rahmen dieser beiden Bilder, seinen Stil in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre radikal dem flächig organisierten Jugendstil zuzuwenden.
Die Ausstellung im Belvedere zeigt überraschend gut, wie die Wiener Moderne aus dem Historismus „entwächst“. Indem sich die Secessionisten ab 1897 einer radikalen Sprache bedienten und das Künstlerhaus als Hort der Tradition verunglimpften, wollten sich Klimt und Co. von den übermächtigen Salonmalern lossagen. Wieviel sie diesen aber auch verdankten, verdeutlichen die Aufträge von Nicolas Duma an Hans Makart und Gustav Klimt.