Insel im Attersee

„Insel im Attersee“ (1902) ist ein Gemälde des Wiener Künstlers Gustav Klimt (1862-1918).

Ein „Rahmen voller Seewasser“1, so beschrieb der Kunstkritiker Ludwig Hevesi 1906 die Attersee-Bilder Klimts. Der Wiener Maler verbrachte ab 1900 nahezu jedes Jahr in Oberösterreich, um dort die Sommerfrische zu verbringen. Bereits im ersten Sommer widmete sich Klimt dem türkisen Wasser am Nordufer des Attersees. Ein Jahr später begeisterte er sich noch immer für das Motiv, das er nun aus größerer Entfernung und mit einem gelb-grünen Kolorit in den Blick nahm.

Beschreibung

Das quadratische Bild zeigt den Blick von einem (heute nicht mehr existierenden Bootssteg) am nördlichen Seeufer nach Süden. Klimt setzte den Horizont sehr hoch an, sodass nahezu die gesamte Komposition die Wasseroberfläche wiedergibt. Die titelgebende, dunkle Insel liegt am oberen Bildrand rechts, ihre Vegetation ist zu einer dunkelgrünen Fläche zusammengefasst. Die Berge im Hintergrund schließen die Komposition in subtilen Violetttönen bildparallel ab.

Bildvorder- und -mittelgrund sind mit grünlich, türkisen Wellen gefüllt. Blaue, violette, gelbe und rosa Striche imitieren die Bewegung der Wasseroberfläche.  Reflektierende Oberfläche sieht sich vor allem im Mittelgrund. Dort finden sich auch zwei türkisgrüne Linien. Tiefenraum wird in diesem Gemälde einzig über die immer kürzer werdenden Striche vermittelt und die kleine Insel im Hintergrund.

Gustav Klimt gelingt es mit dieser höchst einfachen Komposition, die auf horizontale Strukturen aufbaut, eine beruhigte Darstellung seines Lieblingsortes am Attersee.

Entstehung

Gustav Klimt verbrachte 1900 zum ersten Mal die Sommerfrische am Attersee. Bis 1907 mietete sich der Maler im Brauhof Litzlberg in Seewalchen ein. Am Attersee und in seiner Umgebung fand Klimt Ruhe und Motive für seine Landschaftsgemälde.
In Seewalchen hatte die Familie Paulick eine Villa; sie war mit den Flöges verschwägert. Da Klimts jung verstorbener Bruder Ernst mit der älteren Schwester von Emilie Flöge verheiratet war, und Gustav der Erziehungsberechtigte seiner Nichte war, erstreckte sich die Einladung zum Familienurlaub auch auf ihn. Weiters der hielt sich mit dem Künstler befreundete Heinrich Böhler häufig am Attersee auf; 1916 kaufte der Industrielle das Seeschloss Litzlberg.

Klimt verbrachte nachweislich die Wochen zwischen dem 28. Juli und 4. September 1902 am Attersee. Kurz zuvor hatte der Wiener an der legendären „Beethoven“-Ausstellung der Wiener Secession teilgenommen (16.4.–27.6. → Gustav Klimts Gold für das Paradies). Am 7. Juni 1902 hielt sich Auguste Rodin in Wien auf, der den „Beethovenfries“ bewunderte und Klingers „Beethoven“ ignorierte. Zudem hatte Marie Zimmermann Klimts zweiten Sohn, Otto, zur Welt gebracht, der allerdings am 11. September verstarb (22.6.–11.9.).

Im Sommer 1902 schuf Gustav Klimt vier Landschaften:

  • Insel im Attersee, 1902 (Privatsammlung)
  • Buchenwald I, um 1902 (Privatsammlung)
  • Ein Sommertag, 1902 (unbekannt)
  • Die große Pappel II (Aufsteigendes Gewitter), 1902 (Leopold Museum, Wien)

In „Insel am Attersee“ nahm Klimt eine Bildlösung wieder auf, die er 1900 in „Am Attersee“ (Leopold Museum, Wien → Gustav Klimt: Am Attersee (1900)) bereits erprobt hatte. Aus einem Brief an seine Freundin Maria Ucicka (1880–1942) aus dem Jahr 1903 lernen wir, dass der Maler den ganzen Tag mit seinem „Sucher“, ein längsrechteckig zugeschnittener Karton mit quadratischem Fenster (vergleichbar einem Lesezeichen), auf der Suche nach Motiven für seine Landschaften sei.2 Er berichtete wenig später seiner Gefährtin, dass er um 6 Uhr morgens aufstünde, danach im nahen Wald spazieren ging (je nach Wetter) und um 8 Uhr frühstückte. Das Studieren von mitgebrachten Büchern, u.a. zur japanischen Kunst, sowie das Malen von Bildern in seinem Zimmer folgten. Damit wird argumentiert, dass Klimt keine impressionistische Plein air Malerei ausübte, auch wenn er seine Landschaften in impressionistischer und pointillistischer Malweise ausführte (→ Impressionismus | Postimpressionismus | Pointillismus | Divisionismus).

Auktion 2023

Jahrelang war „Insel im Attersee“ in der Neuen Galerie in New York ausgestellt. Es zählte dort zu den Höhepunkten der Präsentation der Wiener Moderne. Der Wiener Galerist Otto Nirenstein-Kallir hatte das Gemälde bei seiner Emigration in die USA mitgenommen und 1957 zum ersten Mal in einer Klimt-Ausstellung präsentiert.

„Insel im Attersee“ wird am 16. Mai 2023 von Sotheby’s in New York auktioniert. Das atemberaubende Ergebnis von „Buchenwald“ im Dezember 2022 könnte diesen Schritt ausgelöst haben. Wem „Insel im Attersee“ gehört, ist öffentlich nicht bekannt – zumindest hüllt sich Sotheby’s dazu in Schweigen.

Das Auktionshaus gibt sich bezüglich des Schätzwertes bescheiden und taxiert das Gemälde auf ca. USD 45 Millionen. Es bleibt abzuwarten, ob sich der letztjährige Auktionsrekord bestätigt!

  1. Ludwig Hevesi, Acht Jahre Secession, Wien 1906, S. 318.
  2. Gustav Klimt in einem Brief an Maria Ucicka, Anfang August 1903, Privatbesitz. Siehe: Sandra Tretter, Peter Weinhäupl, „Ich sehen mich hinaus, wie noch nie“. Klimts Sommerfrische am Attersee, Wien 2012, S. 39ff.