Gustav Klimt, Beethovenfries: Diesen Kuss der ganzen Welt, 1901-1902, Gesamtmaße 2,15 m x 34,14 m, Mischtechnik, Belvedere, Wien / Leihgabe in der Secession, Wien © BDA.
Zu den bekanntesten Werken aus Gustav Klimts (1862–1918) „Goldener Periode“ zählt zweifellos der Beethovenfries. Das Wandgemälde entstand als temporärer Dekorationsmalerei für die XIV. Ausstellung der Wiener Secession, die vom 15. April bis 27. Juni 1902 zu sehen war. Insgesamt 20 Secessionskünstler und eine Künstlerin gestalteten den Raum für die Beethovenstatue von Max Klinger.1 Nach dem Ende der Präsentation sollte der Fries wie auch alle anderen Werke abgerissen werden. Das wurde jedoch durch das positive Urteil von Klimts Kollegen verhindert. Sie entschlossen sich, das Werk noch bis zur geplanten Klimt-Retrospektive (November bis Dezember 1903; XVIII. Ausstellung) zu erhalten. Der Beethovenfries blieb daher auch während der folgenden drei Secessionsausstellung vorerst - vermutlich verdeckt - an seinem Platz. Der Sammler Carl Reininghaus (1857─1929) erwarb nach Beendigung der Klimt-Schau das Werk und versicherte sich, die bei der Abnahme entstandenen Schäden von Klimt persönlich wiederherstellen zu lassen. Am 6. Dezember 1907 bestätigte Gustav Klimt brieflich seine frühere mündliche Zusage: „… dass ich jederzeit bereit bin, bei endgiltiger Placierung des Werkes die Reparaturen, welche sich bei dessem heutigen Zustande als nötig heraus stellen, ohne Entgelt auszuführen.“2 Doch dazu sollte es nicht kommen, da Reininghaus das Werk 1913 an die Familie Lederer weiterverkaufte, ohne es zuvor verbaut zu haben.
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Gustav Klimt in Wien 2012
Im knapp über 34 Meter langen und 2,17 Meter hohen Wandgemälde schildert der Wiener Maler die Sehnsucht der Menschheit nach Glück. Ein von Mitleid und Ehrgeiz angetriebener Ritter in goldener Rüstung kämpft für eine arme und schwache Familie gegen „böse Mächte“. Doch kann sein Schwert wirklich etwas gegen Krankheit, Tod und Wahnsinn, die drei Gorgonen, das Ungeheuer Typhoeus, Wollust, Unkeuschheit, Unmäßigkeit und den nagenden Kummer ausrichten?3 Erst Poesie in Verbindung mit Musik stillt die Sehnsucht nach Glück. Die Künste führen die Menschheit in ein „ideales Reich“, in dem sie „reine Freude, reines Glück, reine Liebe“ findet.4
Der Beethovenfries zählt zu Klimts komplexesten Arbeiten, was den Materialeinsatz anlangt. Im begleitenden Ausstellungskatalog von 1902 vermerkte ein unbekannter Autor, Klimt habe mit den Materialien „Kaseinfarben, aufgetragener Stuck, Vergoldung“5 gearbeitet. Diese kurze Liste führt jedoch nicht alle Werkstoffe auf, mit denen Klimt auf die ebenfalls aus verschiedenen Materialien bestehende Beethoven-Statue von Max Klinger in der Ausstellung reagierte: Genauso wichtig sind die geschliffenen Opalglasknöpfe, in Metall gefassten, geschliffenen, transparenten Farbgläser, Spiegelplättchen, Perlmuttknöpfe und Messinghohlringe als Applikationen.6 Zusätzlich malte Klimt mit Kaseinfarben auf den trockenen Putz. Die Farben trocknen matt, was den Oberflächeneffekt, den Glanz von Gold und Silber verstärkt. Der „goldene“ Klimt bevorzugte eine möglichst flächige Wirkung des eingesetzten Edelmetalls in seiner Wandmalerei.
Das Arbeiten in Seccomalerei ist insofern ungewöhnlich, da während der Ringstraßen-Periode Decken- und Wandgestaltungen als Ölgemälde auf Leinwand ausgeführt und mit Marouflagetechnik an die Wände geklebt wurden.7
Gleichzeitig mit dem Beethovenfries führte Klimt beispielsweise seinen letzten öffentlichen Auftrag aus: die Fakultätsbilder „Philosophie“, „Medizin“ und „Jurisprudenz“ für die Wiener Universität aus (→ Gustav Klimt: Biografie). Alle drei Gemälde waren in Öl gemalt. In den Jahren 1900 und 1901 stellte Klimt die ersten beiden Werke der Öffentlichkeit vor. Vor allem in der „Medizin“ hatte er wichtige Partien wie die Schlange und das Gewand der Hygeia mit Vergoldung hervorgehoben. Da die Gemälde 1945 verbrannt sind, geben nur noch Fotografien einen Eindruck von der in diesen Jahren steigenden Bedeutung des Goldes in Klimts Werk. Einzig das noch erhaltene Gemälde der „Theologie“, ausgeführt von Klimts Kollegen Franz von Matsch, zeigt dass dieser nicht nur mit flächiger Goldmalerei arbeitete, sondern auch die dreidimensionale Wirkung der vergoldeten Stoffe haptisch steigerte, was auf eine Mordentvergoldung hinweist.
Im Gegensatz zu Matsch ging es Klimt aber hauptsächlich um eine flächige Wirkung des Goldes, weshalb er sich für eine Ölvergoldung entschied. Dafür isolierte er den Untergrund mit einer Grundierung, vermutlich aus mit Poliment-Rot eingefärbtem Schellack8. Für die dreidimensionale Wirkung nutzte er Stuckauflagen, d. h. einen Kreidegrund9, den er mit Pinsel (z. B. bei den Spiralen über dem Liebespaar) und Spachtel (z. B. die Bänder im Haarschmuck) auftrug.10 Auch die Applikationen klebte er mit Glutinleim verstärkten Kreidegrund auf.11 Das Anlegemittel für das Gold stellte Klimt aus Eigelb her.12 Für die Restaurierung in den frühen 1980er Jahren wurde der Grund aus einer Mischung aus Eigelb mit Wasser und ein paar Tropfen Glycerin, gemischt mit Sand hergestellt. Nach zweimaligem Auftragen des Anlegemittels und Trocknung wurde die Vergoldung aus Dukatendoppelgold angeschossen. Die zweimalige Vergoldung durch Klimt hatte wohl nur einen farbkonservatorischen Grund. Laut Analyse hatte das Originalgold einen Cu-Anteil von 5%, was im Handel nicht mehr erhältlich ist.13 Die Restauratoren firnisten neu vergoldete Flächen mit Mastix, das sie mit Umbra gebrannt und Veroneser Grüner Erde eintönten, um den Goldton an das Original anzupassen. Für das Schwert des Ritters verwendete Klimt interessanterweise Aluminiumfolie, was einen Silberton ohne die Gefahr von Oxidation ermöglichte.14 Zum Schluss überzeichnete der Maler die Vergoldungen mit Bleistift, bzw. lasierte sie farbig.
Der Beethovenfries gehört neben den Vorzeichnungen zum Stocletfries im MAK (Juli 1910─1914 → Gustav Klimt: Lebensbaum – Erwartung – Erfüllung – Ritter) hinsichtlich der Materialverwendung zu den am besten erforschten und dokumentierten Werken Gustav Klimts. Der Materialluxus Klimts ging im Stocletfries sogar so weit, dass er für Vorzeichnungen (!) echtes Blattplatin und Blattgold verwendete. Da Analysen belegen, dass unter der „Tänzerin“ Silber (vermutlich in Pulverform) liegt, änderte Klimt seine Materialvorstellung während des Arbeitsprozesses.15 Klimts experimenteller und differenzierter Zugang zur Verwendung von Blattmetallauflagen zeigt sich auch in seiner Unterscheidung zwischen Blattmetall und Metallfarben. Während die Figuren „Erwartung“, „Erfüllung“ und „Ritter“ mit Blattmetall belegt wurden, setzte Klimt an den ornamentalen Teilen im Hintergrund Metallfarben ein. Hierfür verwendete er Gold-, Bronze- und Silberpulver, das er mit Zinkweiß ausmischte.16 Durch unterschiedliche Mischverhältnisse von Metallpulver, Pigment und Bindemittel gelang es Klimt auch, verschiedene Glanzeffekte zu erzeugen.
Gustav Klimt ist demnach nicht nur ein Produzent von häufig kopierten Glanzstücken österreichischer Malerei, sondern auch ein höchst innovativer Künstler, was seine Materialverwendung betraf. Da technologische Untersuchungen zu einigen der Hauptwerke wie zum Beispiel „Der Kuss“ (→ Gustav Klimt: Der Kuss (1907/08)) oder „Adele Bloch-Bauer I“ (1907, Privatbesitz, Neue Galerie → Gustav Klimt: Adele Bloch-Bauer I und Adele Bloch-Bauer II) ausstehen, werden Erkenntnisse daraus das Bild des „goldenen Klimt“ vermutlich noch weiter bereichern.
Für die großzügige Unterstützung zu diesem Artikel danke ich dem Bundesdenkmalamt Wien, vor allem Fachdirektor Dr. Bernd Euler-Rolle und Mag. Markus Santner, Abteilung für Konservierung und Restaurierung.
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