Jacopo Tintoretto (1518-1594, eigentlich Jacopo Robusti), wird 2018 anlässlich seiner Geburt vor 500 Jahren besonders gewürdigt werden. Der venezianische Meister verstand es, die römisch-florentinische Stilistik mit dem in der Lagunenstadt gepflegten Kolorismus zu verknüpfen. In seinen Kompositionen inszenierte er Farben und Licht sowie Figuren und Raum mittels Übersteigerungen, die die Bilderzählung subtil dramatisieren.
Österreich / Wien: Kunsthistorisches Museum
Die „Susanna im Bade“ des Kunsthistorischen Museums überrascht durch ihre klassische Klarheit in der Formgebung. Das Gemälde gilt als eines der malerischen Hauptwerke des venezianischen Schnellmalers, ist in der kaiserlichen Sammlung allerdings erst seit 1824 nachweisbar. Zum ersten Mal wird er ausdrücklich 1646 in den „Meraviglie dell’Arte“ von Ridolfi erwähnt. Im 17. Jahrhundert befand es sich in der Sammlung des Malers Niccolò Renieri (um 1588–1667), der auch als Kunsthändler tätig war. Es wäre denkbar, dass Tintorettos „Susanna im Bade“ über den Duke of Hamilton und die in den Niederlanden angelegte Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm nach Wien kam.
Jacopo Tintoretto zeigt Susanna als Akt in der rechten Bildhälfte sitzend. Sie hat hinter dem Wasserbassin und vor einem Baum Platz genommen, ihr links Bein hängt ins Wasser. Die helle Haut der Susanna hebt sich effektvoll vor der dunklen Laubkulisse, darunter ein Holunderstrauch, ab. Sogar das weiße Tuch, mit dem sie sich vielleicht gerade ein Bein abtrocknet, ist dunkler, grauer als ihre schneeweiße Haut. Woher das Licht kommt, dass Susanna so strahlen lässt, bleibt offen. Rund um die wohlhabende Ehefrau platziert Tintoretto einen Kamm, eine Haarnadel, Ringe, Perlenkette, Salbgefäß, die gemeinsam mit den Armreifen und den Perlohrringen den sozialen Status von Susanna beschreiben und – neben der kunstvollen Frisur und dem spitzenbesetzten Tuch samt Goldfransen – dem Maler Möglichkeit geben, seine brillante Maltechnik zu präsentieren. Das kostbar bestickte, rote Kleid im Hintergrund passt farbig gut zu den roten Steinen an den Armreifen.
Susanna ist ganz vertieft in ihr Spiegelbild. Der Spiegel lehnt an einem Rosenspalier, das zwischen zwei Bäumen aufgestellt ist. Die Hecke teilt das Bildfeld und sticht steil in die Tiefe, ein Kunstgriff, der Tintorettos gewagte Kompositionen verdeutlicht. Links und rechts lugen die beiden alten Richter hervor, um einen Blick auf Susanna zu erhaschen. Der vordere im roten Kleid kriecht am Boden heran, dreht sich in extremer Verkürzung, so dass seine kahle Schädelkalotte, vom Licht beschienen, herausleuchtet. Der hintere Richter hat sich schon bereitgemacht, um sich zu erkennen zu geben und Susanna zu erpressen.
Jacopo Tintoretto verdeutlicht den Betrug und die Unschuld, indem er den Kontrast der bekleideten Männer zur nackten, hellhäutigen Susanna mittels Lichtregie hervorhob. In der Dunkelheit der Natur nähern sich die alten, verhüllten Gestalten dem Ort des Bades. Hingegen wird der Körper der jungen Frau delikat beleuchtet. Diese blickt versunken in die Richtung ihres Spiegelbildes, ohne die Bewegungen wahrzunehmen. Die sorgfältig gestaltete Gartenanlage ist von Tieren – einer für Verleumdung stehenden Elster über Susanna, einer „treuen“ Entenfamilie sowie Hirschen links – belebt und im linken oberen Bereich des Gemäldes ist eine kleine Vedute der Serenissima zu entdecken.
Die Details des Gemäldes Tintorettos bieten viele symbolische Anspielungen: Die Rosenhecke verweist auf Maria, ebenso wie der Garten an sich, der als hortus conclusus, als geschlossener Garten, gedeutet werden kann. Er ist mit Susannas paradiesischen Zustand der Unschuld zu vergleichen, wie auch die weißen Objekte, die sie umgeben für Unschuld stehen. Der Spiegel appelliert an die Vanitas, an die Vergänglichkeit der körperlichen Schönheit.
In dem großformatigen Gemälde „Susanna im Bade“ des Kunsthistorischen Museums, Wien, schilderte der Maler eine Begebenheit aus dem Buch Daniel. Sie handelt von der Ehefrau Jojakims, Susanna, die während des Bades in ihrem Garten von zwei Richtern oder Ältesten beobachtet und bedrängt wurde. Die junge Frau, von ihren Dienerinnen alleine gelassen, da diese Öl und Salbe holten, verteidigte standhaft ihre Ehre und wies die Männer zurück. Die in ihrem Stolz Verletzten klagten Susanna vor Gericht an und bezichtigten sie des Ehebruchs. Obwohl sich Susanna verteidigte, beharrten die beiden Alten auf ihrer Version der Vorfälle. In der folgenden Verhandlung wurde Susanne zum Tode verurteilt. Der junge Prophet Daniel zweifelte an den Aussagen der Männer und ließ sie getrennt das Geschehen schildern, wobei sie sich in Widersprüche verwickelten. So wurden ihre Falschaussagen nachgewiesen und sie zur Strafe gesteinigt – eine Strafe die auch Susanna hätte erleiden sollen. Die gottesfürchtige und schöne Susanna wurde durch ihr Verhalten zu einer Symbolfigur der tugendhaften Keuschheit und der beispielhaften Moral.
Der apokryphe Text über Susanna wurde nach dem Konzil von Trient 1564 dem Buch Daniel als Kapitel hinzugefügt. In der venezianischen Malerei der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Darstellung der Susanna sehr beliebt. Der weibliche Akt zitierte die Venus Skulpturen der Antike, die Szenerie des Badens erlaubte die Inszenierung von sinnlicher Nacktheit. Die Laszivität eignete sich auch, um die moralischen Inhalte der Gemälde zu unterstreichen: Das heimliche Eindringen der Männer in den privaten Bereich der jungen Frau, die Unwahrheiten und die Beschuldigungen sollte nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Derzeit ist in Köln eine Ausstellung zu Tintoretto zu sehen: Tintoretto – A star was born
2018/19 findet im Palazzo Ducale, Venedig, eine große Werkschau zu dem Hauptmeister des venezianischen Manierismus statt.