James Turrell (* 1943, Los Angeles) zählt zu den wichtigsten Künstlern unserer Zeit. Seit mehr als fünfzig Jahren widmet er sein gesamtes Schaffen der Auseinandersetzung mit der (Im-)Materialität und Wahrnehmung von Licht. Wie keinem anderen gelingt es ihm, Licht als künstlerisches Medium sinnlich und geistig erlebbar zu machen. Turrell selbst spricht von der Dinghaftigkeit („thingness“) des Lichts. Wenn man in den Lichtinstallationen steht (oder sitzt, oder liegt), ist man von farbiger Atmosphäre umflossen. Man muss nichts lesen, nichts wissen, keine Referenzen auflösen, sondern einfach nur sein. Turrell geht es, wie er nicht müde wird zu betonen, um Wahrnehmung, ein Arbeiten ohne Symbole und fokussierte Aufmerksamkeit:
Deutschland / Baden-Baden: Museum Frieder Burda
9.6. – 28.10.2018
ACHTUNG! Timeslots: Um Wartezeiten zu verkürzen, bietet das Museum Frieder Burda für den Besuch der James Turrell Ausstellung Online-Tickets mit Zeitfenstern an! Da die Lichtinstallationen nur wenige Menschen aufnehmen, ist der Erwerb dieser wirklich zu empfehlen.
„Zuerst einmal befasse ich mich nicht mit Objekten. Es geht mir allein um Wahrnehmung. Zweitens gibt es bei mir kein Bild, weil ich assoziative, symbolische Gedanken vermeiden möchte. Drittens setze ich keinen Fokus oder bestimmten Ort, auf den sich die Aufmerksamkeit richten soll. Worauf schaut man aber ohne Objekt, ohne Bild und ohne Fokus? Man schaut auf sich selbst, wie man schaut. Das geschieht als Antwort auf unser Sehen und den selbsterkennenden Vorgang des Sich-selbst-beim Sehen-Zuschauens. Durch Sehen kann man Fühlen zum Berühren steigern.“1 (James Turrell)
In großformatigen, atmosphärischen Ganzfeld-Installationen wird Licht scheinbar materialisiert und der Besucher in Grenzbereiche der Wahrnehmung geführt. James Turrell flutet begehbare Räume mit Licht, welches sich in sanfte Farbenmeere ergießt oder in intensiv glühenden, manchmal diffus sphärischen Lichtnebeln seine Materialisierung findet und den Betrachter an seine Wahrnehmungsgrenzen bringt. Die Möglichkeit, sich anhand eines Gegenstands oder Ecken visuell zu verorten, hebelt Turrell aus. Das erzeugt ein Gefühl der Unendlichkeit, aber auch des Umflossenwerdens von farbigem Licht. Ab wann wird Sehen körperlich? Trinkt der Körper Licht? Was ist wirklich vorhanden, und was ergänzt das Hirn? Wie verändern die sanft und subtil, selten abrupt oder gewaltsam sich ändernden Farbtöne die emotionale Verfasstheit des Einzelnen? Sehen alle das Gleiche, oder ist Wahrnehmung etwas höchst Subjektives? Steckt hinter den Farbzaubern eine Botschaft, auch wenn der Künstler immer verneint und nicht mit Symbolen arbeiten will? Im Gespräch eröffnet Turrell ostentativ, dass es ihm um das Wahrnehmen selbst geht. Der Blick soll sich „wie selbstverständlich auch nach innen, eröffnet die Möglichkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion, zum meditativen Beobachten des eigenen Sehens“, so das Museum in seiner Aussendung. Ist das in Zeiten von Termindruck und Selfiemanie noch möglich? Stellen die Farbenräume Turrells nicht auch wunderbare Spielwiesen für Selbstdarstellerinnen und Selbstdarsteller dar, die sich in unterschiedlichsten Farbkombinationen fotografieren können (und werden)?
Ein Werk von 2016 aus der wichtigen Reihe der „Wedgeworks“ zeigt, wie der Künstler mittels Licht illusionistische Raumsituationen gestaltet. Das „Ganzfeld“-Werk „Apani“, das bereits auf der Biennale von Venedig 2011 für viel Aufmerksamkeit sorgte, ermöglicht es den Besuchern zu erleben, wie sich jegliche räumliche Kontur vermeintlich ganz in Licht und Farbe auflöst.
Die Ausstellung im Museum Frieder Burda gewährt einen eindrücklichen Einblick in das Schaffen von James Turrell, der wie kaum ein anderer Künstler die Menschen weltweit bewegt und zeigt Arbeiten, die der Künstler speziell für das Museum Frieder Burda entwickelt hat.
Zudem wird James Turrells Langzeitprojekt „Roden Crater“ vorgestellt: Ein erloschener Vulkan in der Wüste Arizonas, den der Künstler seit den 1970er Jahren fortlaufend zu einer Art Himmelsobservatorium umbaut. Die Vision des Künstlers, die Erfahrung von Natur und Kunst an einem Ort konzentriert zu vereinen, hat das Projekt angetrieben. Die Wirtschaftskrise hatte es zwischenzeitlich fast zum Erliegen gebracht, da die Spendengelder dafür nicht mehr flossen, wie James Turrell zugeben musste. Doch seit einiger Zeit gibt es wieder eine Trendumkehr, sodass an die Fertigstellung der noch fehlenden Räume/Installationen gedacht werden kann.
Der an Astronomie, Psychologie, Naturwissenschaften, Lichttechnik interessierte Künstler betont stets, dass seine Kunst am besten als „Perceptual Art [Kunst der Wahrnehmung]“, zu bezeichnen sei. Da das Immaterielle ohnedies nicht mit Worte beschrieben werden kann, sollen einige Fotografien das Turrell-Erlebnis veranschaulichen. Doch auf eines muss hingewiesen werden, keine Kamera der Welt ist so gut wie das menschliche Auge! Die subtilen Effekte können so nicht dargestellt werden. Man muss es selbst erleben! In diesem Sinne – eine Empfehlung diese Ausstellung zu besuchen, die vom Herzen kommt!