Johann Heinrich Füssli (1741–1825), der in Zürich in eine Künstlerfamilie geborene, in Rom und London berühmt gewordene Maler war einer der einfallsreichsten und unkonventionellsten Erneuerer des ausgehenden 18. Jahrhunderts. An der Schwelle zwischen Klassizismus und Sturm und Drang bzw. Romantik ist seine Kunst beredtes Zeugnis widerstreitender künstlerischer Paradigmen im Nachklang der Aufklärung.
Schweiz | Basel:
Kunstmuseum Basel, Neubau
20.10.2018 – 10.2.2019
Schon früh schuf Johann Heinrich Füssli erstaunliche Zeichnungen, dennoch studierte er Theologie, was ihn in Kontakt mit Johann Jakob Bodmer, Joachim Winkelmann brachte. Bodmer verfolgte das Konzept, dass die Einbildungskraft, das Wunderbare und Erhabene über der herkömmlichen rationalistischen Regelästhetik stehe. Nicht die Klassiker mit ihrer feinen Sprache (v.a. Seneca und Racine), sondern die „Originalgenies“ wie Homer wurden als vorbildlich erachtet. Bodmer entdeckte das Nibelungenlied, verehrte Dante und protegierte Milton und Shakespeare: in ihren Dichtungen fand auch Johann Heinrich Füssli Inspiration und Themen für seine Gemälde. Spätestens seit seinem berühmten „Nachtmahr“ (1781) wurde er „painter ordinary tot he devil“ gerufen.
Zehn Jahre zuvor, 1770, reiste Johann Heinrich Füssli nach Rom, wo er in Auseinandersetzung mit den Werken Michelangelos und den Hochklassizisten (Jacques-Louis David) seine künstlerischen Mittel straffte und so den Eindruck von Klassizität und Emotionalität zu steigern vermochte. Auf seiner Rückreise nach London erhielt er in Zürich die Aufträge für das „Selbstbildnis mit Bodmer“ und den „Rütlischwur“, in dem er die Staatsgründung der Schweizer Republik, alte Freiheiten und Bürgertugenden feierte.
Drama und Theater – das beschreibt für die Ausstellung das Interesse an den von Füssli gewählten Themen aus Literatur und Bühnenwerken, aber auch seine spannungsvollen Kompositionen, Figurenkonstellationen und die oft „theatralischen“ Mittel der Inszenierung. Drama und Theater ist, wie Füsslis Kunst, alles andere als subtil. Nicht Naturnachahmung, sondern die wirkungsvolle Erfindung interssierte den schweizer-britischen Maler; nicht die ideale Schönheit eines Winckelmann oder Mengs, sondern die stärkeren Effekte des Sublimen oder Erhabenen. Das Übermächtige, das Schrecken erzeugt und den Menschen in den Grundfesten seines Daseins erschüttert, wird zum eigentlichen Bildgegenstand von Füsslis Kunst. In extremer Gestik, mit Pathos und mit ausladenden Bewegungen tragen Füsslis Protagonisten ihre Leiden und Freuden vor. Hierbei setzt er vor allem ausladende Arme und Beine ein, um die Körper im Bildgefüge dramatisch zu verspannen. Gleichzeitig bleiben die Bildräume eigentümlich leer und unerzählerisch. Die Modernität von Johann Heinrich Füssli lässt sich als Autonomie des Kunstwerks beschreiben, dass seine Bilder – anders gesprochen – flächig, konzeptuell, antinaturalistisch sind.
Unter der Perspektive von Drama und Theater erschließt die Ausstellung im Kunstmuseum Basel einen zentralen Komplex des künstlerischen Selbstverständnisses Füsslis jenseits seiner bereits vertrauten Positionierung als Maler (oder Vorläufer) der Schwarzen Romantik und des „Gothic Horror“: Der hochgebildete Künstler greift in fast allen seinen Werken Motive aus der Literatur auf, etwa aus der antiken Mythologie, aus John Miltons „Paradise Lost“ oder aus der kurz zuvor wiederentdeckten Nibelungensage auf. Nach seiner Rückkehr aus Rom nach London 1779 werden zudem Motive aus Shakespeares Dramen zu einem Schwerpunkt seiner Kunst, wie unter anderem seine Beteiligung an der von John Boydell initiierten Shakespeare Gallery zeigt.
Die sieben Gemälde Füsslis in den Beständen der Öffentlichen Kunstsammlung Basel werden mit der großzügigen Unterstützung aus dem Kunsthaus Zürich und aus weiteren internationalen Museen und Privatsammlungen ergänzt. Thom Luz, Regisseur am Basler Schauspielhaus, wird der Ausstellung eine Reflexionsebene im zeitgenössischen Theater hinzufügen und so auch im Ausstellungsraum die Welten von Literatur, Theater und Kunst zusammenbringen.
Kuratiert von Eva Reifert
Quelle: Kunstmuseum Basel