Maud Sulter

Wer war Maud Sulter?

Maud Sulter (Glasgow 19.9.1960–27.7.2008 Dumfries) war eine ghanaisch-schottische bildende Künstlerin, Fotografin, Schriftstellerin, Pädagogin, Feministin, Kulturhistorikerin und Kuratorin (→ Zeitgenössische Kunst). Sulter begann ihre Karriere als Schriftstellerin und Dichterin und wurde wenig später bildende Künstlerin. Bis Ende 1985 hatte sie ihre Werke in drei Ausstellungen gezeigt, und ihr erster Gedichtband war veröffentlicht worden. Sulter war bekannt für ihre Zusammenarbeit mit anderen schwarzen feministischen Gelehrten und Aktivist:innen. Sie setzte sich für die afroamerikanische Bildhauerin Edmonia Lewis ein und war von der in Haiti geborenen französischen Performerin Jeanne Duval fasziniert.

Kindheit & Ausbildung

Maud Sulter wurde am 19. September 1960 in Glasgow, Schottland, als Tochter einer schottischen Mutter und eines ghanaischen Vaters geboren. Ihr Großvater mütterlicherseits war ein Amateurfotograf.

Im Alter von 17 Jahren verließ sie Glasgow, um am London College of Fashion zu studieren, und erwarb später einen Master-Abschluss in Fotostudien an der Universität von Derby.

Werke

Maud Sulter zählte in den 1980er Jahren zur Generation des Black British Arts Movement, dessen Selbstorganisation in einer rassistischen Gesellschaft und einem ausschließenden Kunstbetrieb auch die kritische Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte beinhaltete.

Sie begann ihre Karriere als Dichterin und veröffentlichte 1985 ihren ersten Band „As a Blackwoman“, der mit dem Vera Bell Prize ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr nahm sie als bildende Künstlerin an der von Lubaina Himid (*1954) kuratierten Ausstellung „The Thin Black Line“ teil, der ersten großen Ausstellung zeitgenössischer Künstlerinnen aus ethnischen Minderheiten in einer öffentlichen britischen Einrichtung, dem Institute of Contemporary Arts in London.

Ein weiterer wichtiger Schritt in ihrer Karriere erfolgte 1990 mit der Veröffentlichung von „Passion: Discourses on Blackwomen's Creativity“ bei Urban Fox Press, ihrem eigenen Verlag. Diese bahnbrechende Publikation war das Ergebnis des „Blackwomen's Creativity Project“, das sie zusammen mit der Fotografin Ingrid Pollard (*1953) in den 1980er Jahren ins Leben gerufen hatte. In den Jahren 1999/2000 eröffnete sie im Londoner Stadtteil Clerkenwell die Galerie Rich Women of Zurich, in der sie ihre eigenen Werke und die anderer Künstlerinnen aus ihrer Gemeinschaft ausstellte.

Ab Mitte der 1980er Jahre prangerte sie mit ihren Werken die Diskriminierung und Auslöschung der afrikanischen Diaspora an, die sich über die Codes der westlichen Kunst hinwegsetzte. Als Mitglied des British Black Arts Movement bemühte sich Maud Sulter, schwarze Frauen in den Mittelpunkt einer Kunstgeschichte zu stellen, die sie ausgeschlossen hatte. Sie nutzte eine Vielzahl von Medien für ihre Arbeit, darunter Schreiben, Performance-Kunst und Fotografie. In ihrer ersten Einzelausstellung Sphinx im Jahr 1987 zeigte sie eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien, die sie auf einer Insel vor der Küste Gambias aufgenommen hatte, wo Sklaven auf dem Weg nach Amerika festgehalten wurden. 1989 zeigte ihre Serie von Cibachrome-Porträts Zabat neben acht anderen schwarzen Künstlerinnen, die jeweils eine antike griechische Muse verkörpern sollten. Ihr fotografisches Werk brachte ihr breite Anerkennung und mehrere Auszeichnungen ein, darunter den British Telecom New Contemporaries Award und das MoMart Fellowship der Tate Liverpool im Jahr 1990.

Hysteria

„Hysteria“ (1991) ist ein frühes und signifikantes Beispiel für ein Kunstwerk, das die Bedeutung Schwarzer Künstler:innen der Vergangenheit für die Kämpfe Schwarzer Künstler:innen der Gegenwart aufzeigt. Auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und Bestrebungen als Schwarze Künstlerin in Großbritannien bezieht sich Sulter in „Hysteria“ auf das transkulturelle Leben und die Karriere der 1907 gestorbenen afroamerikanischen und Native American Bildhauerin Edmonia Lewis, die lange in Rom lebte und deren Werk der Abschaffung der Sklaverei und Schwarzen Befreiungspolitiken verpflichtet war.

Sulters mehrteilige Arbeit, deren Titel an die psychopathologischen Studien von Jean-Martin Charcot erinnert, die auch für Freuds Psychoanalyse einflussreich waren, besteht neben Marmorplaketten mit den Namen der Protagonist:innen aus großformatigen Fotografien, die wie ein Storyboard anmuten und sich im Stil an die Studiofotografie des 19. Jahrhunderts anlehnen. Die Serie von Schwarz-Weiß- und Farbfotografien umfasst acht Porträts, vier Paare von Stillleben, die jeweils die Jahreszeiten darstellen, und gravierte Marmortafeln, die zunächst um ein massives Marmorstück herum angeordnet sind. Die zentrale Figur, die von Sulter modelliert wurde, ist die Künstlerin Hysteria. Die Porträtfotografien stellen Personen aus Hysterias gesellschaftlichem und künstlerischem Umfeld dar. Zu den Porträtierten gehören Bernardine Evaristo, Lubaina Himid, Delta Streete und der Musiker Miles Ofuso-Danso.

Jeanne Duval: Ein Melodrama I-IV

Die Serie großformatiger Polaroid-Fotos gehört zu den bedeutenden Arbeiten der schottisch-ghanaischen Künstlerin und Dichterin. Der Titel bezieht sich auf das Gedicht „Die Juwelen“ aus dem Zyklus „Les Fleurs du Mal“ (1857) von Charles Baudelaire, in dem der französische Dichter seine aus Haiti stammende Geliebte Jeanne Duval als nur mit ihrem Schmuck bekleidet exotisierte.

Während Duval, die auch von Édouard Manet gemalt und von Nadar fotografiert wurde, in der westlichen Kulturgeschichte meist als „Muse“ der weißen Künstler gilt und wenig von ihrer eigenen Arbeit als Tänzerin und Schauspielerin die Rede ist, unternahm Maud Sulter über viele Jahre hinweg eine identifizierende Forschung zu den Handlungsspielräumen einer Schwarzen Frau im Milieu der künstlerischen Avantgarde ihrer Zeit:

„Meine anhaltende visuelle Faszination für Jeanne Duval begann 1988 mit einer intuitiven Reaktion auf ein Nadar-Foto mit dem Titel ‚Unknown Woman‘. Sie starrte mich an und wollte, dass ich ihr einen Namen, eine Identität, eine Stimme gebe. Seit mehr als einem Jahrzehnt mache ich also Bilder, die sie zum Thema haben.“1 (Maud Sulter)

Die fotografische Suche nach einer anderen Vorstellung von der Persönlichkeit der Vorläuferin schlägt sich in Sulters Selbstporträts als Jeanne Duval in einer Art Lexikon des gestischen und mimischen Ausdrucks nieder, der auf den Kampf gegen die Beschränkungen durch koloniale Geschlechterrollen verweist. Die verschiedenen Schmuckstücke, die Sulter hier einsetzt, sind aufgeladen mit Geschichten von Sklaverei und kolonialer Weltwirtschaft.

Sekhmet

Ihr letztes Projekt, „Sekhmet“ (2005), basiert auf der persönlichen Geschichte der Künstlerin. Darin greift sie auf Fotoarchive beider Seiten ihrer Familie - schottisch und ghanaisch - zurück, die sie zusammen mit Gedichten über die Realitäten des Lebens in der Diaspora zeigt.

  1. „My ongoing visual fascination with Jeanne Duval began in 1988 with a visceral response to a Nadar photograph captioned Unknown Woman. There she stared at me willing me to give her a name, an identity, a voice. So for over a decade, I have been image making with her in mind.“