Museum Barberini: Monet. Orte | ARTinWORDS
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Museum Barberini: Monet. Orte Monet in Potsdam: Wetter, Licht und Farbe in Serie

Claude Monet, Unter den Pappeln, Detail, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm, Wildenstein 1136 (Privatsammlung)

Claude Monet, Unter den Pappeln, Detail, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm, Wildenstein 1136 (Privatsammlung)

Für seine Landschaftsbilder suchte Claude Monet immer wieder die gleichen Orte auf oder fertigte an einer Stelle umfangreiche Serien an. So entstanden auf Reisen zahlreiche Gemälde an der Küste der Normandie und in Paris, im niederländischen Zaandam, in Südfrankreich oder in London und Venedig. Ihn interessierten nicht pittoreske Sehenswürdigkeiten, sondern Licht- und Wetterphänomene und ihre verschiedenen Auswirkungen auf diese Orte.

Monets Landschaftsmalerei steht prototypisch für den Zugang des Impressionismus zum Ort. Das Museum Barberini in Potsdam widmet sich erstmals der Frage, was Monet bewog, sich so intensiv mit einzelnen Landschaften und Orten auseinanderzusetzen (→ Claude Monet. Impression und Empfindung). Zweifellos war er am Licht interessiert, wie es von Jahres- und Tageszeiten aber auch vom Wetter abhängig die Landschaften veränderte. Das flüchtige Spiel der atmosphärischen Phänomene fing er in teils spontan, teils komponierten Ansichten ein. Dabei machte er es sich, wie Kuratorin Ortud Westheider betont, nicht einfach: Monet fand an speziellen Orten jene Topografien vor, die ihn motivisch reizten. „Monte. Orte“ ist eine Ausstellung, die das Schaffen des französischen Impressionisten anhand von dessen Wohnorten und Reisezielen aufschlüsselt. Dabei gelingt den Kuratoren eine veritable Überblicksschau, die dem Mythos des spontanen Malens eine strategische Auseinandersetzung mit der Umwelt entgegenhält.

Monets Orte

Erste Schritte als Maler machte Claude Monet in der Normandie, wo der 1840 in Paris Geborene von Eugène Boudin und später Johan Barthold Jongkind in die Malerei eingeführt wurde. Die nördlichste Region Frankreichs hatte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zum Zentrum des aufstrebenden Bädertourismus entwickelt (besonders hervorzuheben sind die Städte Trouville, Honfleur oder Étretat). Zudem war Le Havre, wo Monet aufwuchs, der zweitgrößte Hafen Frankreichs. Diese spezielle Situation führte zur Ausrichtung des jungen Malers auf Strand- und Hafenszenen sowie seine Begeisterung für Boote und Schiffe.

Bereits Boudin und Jongkind empfahlen dem jungen Künstler das plein-air-Studium, um realistische Wolken- und Wetterstimmungen einzufangen. Monets frühestes dokumentiertes Gemälde ist im Forêt de Montgeon am nordöstlichen Stadtrand von Le Havre entstanden. Monet hatte dort im Sommer 1858 gemeinsam mit Boudin gemalt und das Bild noch im gleichen Jahr in der „Exposition municipale de la Ville du Havre“ ausgestellt. Dass es sich hierbei nicht um das erste Gemälde von Monet handeln kann, zeigt der sichere Umgang mit Ölfarbe, mit dem er das Spiel von Licht und Schatten einfing. Im Museum Barberini hängt Bourdins „Landschaft in der Normandie“ (1857/58) neben Monets „Blick von Rouelles aus“ (1858), was die Nähe der beiden Künstler Ende der 1850er Jahre gut dokumentiert.

Sonnenflecken im Wald von Fontainebleau und am Meer

In den frühen 1860er Jahren wandte sich Monet der Pleinairmalerei in der Nachfolge der Schule von Barbizon im Wald von Fontainebleau zu. Dort hatten sich Camille Corot und Charles-François Daubigny bereits seit den 1830er Jahren der Landschaftsmalerei zugewandt und diese Bilder in der Folge am Salon durchgesetzt. Auch frühe Fotografen wie Gustave Le Gray und Eugène Cuvelier hielten wichtige Ansichten aus dem ehemaligen Jagdgebiet der französischen Könige fest. Bei einem Salon-Besuch 1859 konnte sich der aufstrebende Maler von den Leistungen seiner Vorgänger überzeugen. Monet gehörte damit bereits zur zweiten Generation französischer Landschaftsmaler, die in Auseinandersetzung mit berühmten Naturmotiven – wie etwa der Bodmer-Eiche im Wald von Fontainebleau – der Schönheit der heimischen Natur ein Denkmal setzten. Denn auch der Wald von Fontainebleau hatte sich zum Naherholungsgebiet der Pariser Bevölkerung entwickelt und war nicht mehr so unwegsam und wild wie noch vor der Jahrhundertmitte. Diese Veränderung führte wohl auch zu weniger urtümlich anmutenden Bildern Monets, da dieser deutlich häufiger den Eingriff des Menschen thematisierte.

Nachdem er erste Erfolge im Wald von Fontainebleau für sich verbuchen konnte, erfand er – neben Pierre-Auguste Renoir sitzend – 1869 den Impressionismus. Dem flüchtigen Moment kam der Maler mittels eines offenen Pinselstrichs und der Motivwahl nach: die Pariser Parks, der Strand von Trouville, das Kap von La Hève bei Ebbe.  „Am Strand von Trouville“ (1870) und vor allem „Der Hafen von Le Havre am Abend“ (1873) zeigen, wie Monet sich mit der Freizeitgesellschaft und dem geschäftigen Treiben im Hafen auseinandersetzte. Vor allem seine skizzenhaften Impressionen vom Hafenbecken mit Blick auf die Segler und blinkenden Lichter der Stadt begründete den Impressionismus und revolutionierte die Landschaftsmalerei.

Geschäftiges Treiben in der Großstadt

Baron Georges-Eugène Haussmann, der Präfekt des Departements Seine, machte Paris kurz vor 1870 zur mondänen Großstadt (und opferte dafür die mittelalterliche Struktur). Viele Künstler – unter ihnen auch Claude Monet – wandten ihren Blick daher auf die neu entstandene Metropole mit ihren breiten Boulevards und Alleen, den Parks, der historistischen Architektur, den Bars und Cafés. Vor allem in den Jahren zwischen 1867 und 1878 stellte Monet Paris dar, wobei er topografische Genauigkeit mit lockerem Pinselstrich verband.

Den französisch-deutschen Krieg von 1870/71 verlebte der Künstler in London, über das holländische Zaandam kehrte er nach Paris zurück. Dort fesselten ihn die nach dem Krieg mit moderner Ingenieurskunst wiederaufgebauten Seinebrücken, einmal mehr das geschäftige Treiben auf den Straßen („Der Boulevard des Capucines“, 1873/74) und in den Parks (Tuilerien, Park Monceau) sowie die Eisenbahn, repräsentiert durch den dampferfüllten „Bahnhof Saint-Lazare“ (1877). Der Technologieschub begünstigte die weitere Entwicklung Monets zum Landschaftsmaler, konnte er doch sein erstes Haus in Argenteuil an der Seine mieten und von dort mit der Bahn leicht nach Paris gelangen.

Ein Hauptwerk der Potsdamer Ausstellung ist „Der Boulevard des Capucines“ von 1873/74, das vermutlich auf der Ersten Impressionisten-Ausstellung 1874 ausgestellt war. Die strömende Masse am Boulevard besteht aus unscharfen Figuren. Im Kontrast dazu blicken zwei Zylinder tragende Männer von einem Balkon auf den Boulevard hinab. Sie führen den Blick auf die Straße hinunter und verkörpern gleichzeitig das Sehen und Gesehenwerden der Pariser Gesellschaft. Modisch gekleidete Bürgerinnen und Bürger bevölkern die Stadtansichten Monets – nicht das Proletariat oder das Kleinbürgertum. Zudem finden sich keine Hinweise auf die revolutionäre Politik der frühen 1870er Jahre (Pariser Kommune). Damit richtete Monet seine Kunst auf die ökonomisch abgesicherte Klasse aus, die das Leben in der Vorzeigestadt Paris wie eine einzige Flaniermeile erscheinen lässt.

London und Zaandam

Claude Monet floh vor der Einberufung in den Deutsch-Französischen Krieg 1870 nach London. Er verlebte dort acht Monate, in denen er nicht nur bedeutende Persönlichkeiten (wie seinen Galeristen) kennen lernte, sondern sich auch intensiv mit der englischen Landschaftsmalerei auseinandersetzte. In der National Gallery beschäftigte er sich u.a. mit Gemälden von William Turner.

In dieser Phase begann sich Claude Monet mit atmosphärischen Effekten auseinanderzusetzen. Dass dafür das häufig nebelige London den Anlass bot, erstaunt wenig. Der Aufenthalt von 1870/71 führt zu nur wenigen Kompositionen, von denen „Hyde Park“ (um 1871) im Museum Barberini zu sehen ist. Trotz der geringen Menge an Bildern prägte sich der Eindruck Londons so sehr ein, dass Monet rund 30 Jahre später nach England zurückkehrte, um die Stadt – vor allem die Themse, das Parlament und den farbigen Smog – zu einem zentralen Motiv seiner Malerei zu machen. Ab 1899 verbrachte Monet drei aufeinanderfolgende Winter in London, wo der inzwischen international bekannte Maler im Savoy, gelegen am Victoria Embankment, residierte. Anfangs stellte er seine Staffelei auf dem Balkon seiner Suite im sechsten (später dem fünften) Stock auf und schuf eine methodische Serie der London-Ansichten. Am Morgen widmete sich Monet Ansichten der stromabwärts im Osten gelegenen Waterloo Bridge, am Mittag der stromaufwärts gelegenen Charing Cross Bridge. 1890/91 malte er dann das neue Parlament vom Saint Thomas’ Hospital an der gegenüberliegenden Seite der Themse aus. Die skizzenhaft ausgeführten Leinwände nahm Monet nach Giverny mit, wo er sie weiterbearbeitete und die einzelnen Bilder der Serie aufeinander abstimmte. Naturbeobachtung und künstlerische Vision gegen in diesen Werken Hand in Hand. Insgesamt schuf Monet 90 Arbeiten, von denen er 1904 73 in der Ausstellung „Ansichten der Themse in London“ bei Durand-Ruel in Paris präsentierte. Potsdam konnte sechs London-Ansichten nach Deutschland holen. In einem Interview 1901 erklärte der Maler: „Das Interesse der Malerei ist es, die Objekte durch all diese Nebel hindurch zu sehen.“

Den Sommer 1871 verbrachte Claude Monet mit seiner Familie in Holland, genauer in Zaandam, das etwa acht Kilometer nordwestlich von Amsterdam liegt. Dort gab er sich in bester kunsthistorischer Tradition pittoresken Motiven wie Brücken, Windmühlen oder Kanal- und Hafenszenen hin. Während vier Monaten schuf er eine Gruppe von 24 Arbeiten, in denen Monet den Malstil des Impressionismus weiter erprobte. Er löste sich in diesem Sommer von der realistischen Wiedergabe der Landschaft wie sie etwa gleichzeitig von der Schule von Den Haag betrieben wurde. Stattdessen bediente er sich eines rohen Malduktus und nur weniger Details. Die Reflexionen am Wasser begeisterten den Maler dabei genauso wie das Schauspiel der Wolken am Himmel. Von den zwei weiteren Aufenthalten Monets in den Niederlanden – 1873/74 und im Mai 1886 – zeugt „Tulpenfeld bei Sassenheim in der Nähe von Haarlem“ von 1886. Der „rauen Manier“ ist Mitte der 1880er Jahre eine subtilere Malweise gefolgt, die auch den Buntwerten der Blumenfelder vor dem Bauernhaus, wie den blau-violetten Bäumen größeres Gewicht einräumt.

Argenteuil und Vétheuil

Von Ende 1871 bis 1878 in Argenteuil wohnhaft, „verarbeitete“ Monet die von den erholungssuchenden Pariserinnen und Parisern geschätzte Umgebung wie den Blick auf die Seine, die Eisenbahnbrücke, die Seine-Promenade. Für die malerische Entwicklung von Monet bedeutete der Aufenthalt in Argenteuil die Abkehr von der tonalen Farbigkeit hin zu einem leuchtenden Chromatismus, der ihn zum Haupt der französischen Landschaftsmalerei machte. Ab Sommer 1873 nutzte er auch ein umgebautes Atelierboot, mit dem er die Perspektive wechseln konnte: Anstatt vom Ufer auf den Fluss zu blicken, stellen Monets Bilder nun den „Gegenschuss“, das heißt, die Ansicht des Ufers vom Wasser aus betrachtet, dar: „Herbst an der Seine bei Argenteuil“ (1873) ist eines der ersten Werke in der Potsdamer Monet-Ausstellung, das diese neue Strategie zeigt, gefolgt von „Gänse auf dem Bach“ (1874), „Die Seineufer bei Petit-Gennevilliers“ (1874). Monet nutzte das Pariser Umland während der 1870er Jahre zu ersten Höhepunkten der impressionistischen Malerei wie „Der Hafen von Le Havre am Abend“ (1873). Promenierende Figuren, weiß im Sonnenlicht aufglänzende Segelboote in der Seine, gelegentlich ein Blick auf einen Schornstein bieten Ansichten von fröhlich-idyllischen Momenten. Da diese Werke von der Salon-Jury abgelehnt wurden, organisierten Monet, seine Freunde und Gleichgesinnte ab 1874 insgesamt acht Impressionisten. Dort konnte das Publikum erstmals die von repräsentativen oder symbolischen Bedeutungen befreiten Landschaften Monets bestaunen, in denen es „nur“ um Licht, Farbe, Wetterstimmung und Bildausschnitt ging.

Monets prekäre finanzielle Situation erforderte 1878 Jahre einen Umzug ins ländlichere Vétheuil. Auch dort standen die Seine, die Uferzonen, die Ortschaft Lavacourt am gegenüberliegenden Ufer und der Blick von der Insel Saint-Martin-la-Garenne zurück auf Vétheuil im Zentrum von Monets Schaffen. Wie schon zuvor in Argenteuil legte er sich einen Hausgarten an, den er liebevoll pflegte und malte. Aber auch die mittelalterliche Kirche im Zentrum Vétheuils weckte sein Interesse. Obschon die wirtschaftliche wie auch private Situation des Malers – seine Frau Camille starb im Herbst 1879 im Alter von nur 32 Jahren – äußerst schwierig war, gehört die Zeit in Vétheuil zu den produktivsten Phasen in Monets Schaffen. Bis 1881 schuf er nahezu 300 Werke, die zumeist die Umgebung der Stadt in den Blickpunkt nehmen. Vieles der 1890er Jahre ist vorweggenommen, wie die nahsichtige Wiedergabe der gotischen Kirche oder die zunehmende Konzentration auf die wilde Natur. Mit den 20 Gemälden des Eisbruchs erarbeitete er sich eine erste Serie. Im Gegensatz zu den Seine-Bildern aus Argenteuil sind die Landschaften aus Vétheuil ruhiger und menschenleer.

Normandie, Bordighera und Venedig

Die 1880er Jahre waren geprägt von ausgedehnten Reisen vor allem in die Normandie, in den Süden Frankreichs und später auch nach Venedig. Zu Monets Lieblingsorten gehörten Étretat, Pourville oder Varengeville, zudem verbrachte er auch drei Monate auf der abgelegenen Belle-Île-en-Mer (Herbst 1886), der größten Insel der Bretagne. Gründe für seine Reisetätigkeit waren sowohl die Suche nach neuen Motiven und Landstrichen mit unterschiedlichen Charakteren wie auch sein außereheliches Verhältnis mit Alice Hoschedé, mit der er in Giverny in wilder Ehe zusammenlebte. Monets Motivwahl folgte einmal mehr der Strategie, bereits touristisch, künstlerisch und fotografisch erschlossene Ansichten zu wählen. Zu den bekanntesten zählen die Porte d’Aval und die Aiguille, dramatische Kalksteinformationen

Diesen Bildern aus Nordfrankreich stellte er die wilde, von hohen, ikonischen Felsklippen geprägte Küste Nordfrankreichs und die im südlichen Licht „verfließende“ Natur Südfrankreichs (Bordighera, Antibes) und 1908 die Lagunenstadt Venedig gegenüber. Zum Jahreswechsel 1883/84 reiste er zum ersten Mal mit Renoir an die französische und italienische Riviera. Kurze Zeit später kehrte Monet allein nach Bordighera zurück, um sich dem, wie er es nannte, „magischen“ und „märchenhaften“ Ort malerisch anzunähern. Aus den veranschlagten drei Wochen wurden rasch fast drei Monate, wobei er auch das südfranzösische Menton besuchte. Auch der zweite Besuch an der Riviera 1888 inspirierte Monet zu einem fast vier monatigen Aufenthalt an der französischen Mittelmeerküste. Der Schriftsteller Guy de Maupassant empfahl ihm das Château de la Pinède in Antibes. Dort widmete sich Monet dem Malen des gleißenden Lichts und der Palmen. Das reine Rosa und Blau strahlten für ihn soviel Reinheit aus, dass er fürchtete, einen falschen Strich zu setzen.

Seine letzte Reise führte Claude Monet im Herbst 1908 gemeinsam mit seiner Frau Alice nach Venedig. Er ließ sich jeden Tag an die gleiche Stelle im Markusbecken hinausrudern und arbeitete dort an Ansichten des Palazzo Ducale. Nachmittags stellte er seine Staffelei im Palazzo Barbaro auf, wo er und Alice zu Beginn ihrer Reise wohnten, und nahm den am gegenüberliegenden Ufer des Canal Grande liegenden Palazzo Contarini in Angriff. Der „Studiencharakter“ der Bilder verleitete ihn sie in den folgenden vier Jahren in seinem Atelier zu überarbeiten. Die Erstpräsentation erfolgte er 1912 in Paris.

Monet in Giverny

„Je weiter ich gehe, desto mehr sehe ich ein, dass es notwendig ist, hart zu arbeiten, um das zu erreichen, wonach ich strebe: ‚Unmittelbarkeit‘, insbesondere eine bestimmte Atmosphäre, das gleiche Licht, das sich überall ausbreitet, und mehr denn je widern mich Dinge an, die allzu einfach zustande kommen.“1 (Monet in einem Brief an Gustave Geffroy, Oktober 1890)

Einige der berühmtesten Bilder von Claude Monet entstanden in seinem letzten Heim in Giverny. Seit 1883 dort ansässig, sollte Giverny für 43 Jahre das Domizil des inzwischen weltberühmten Malers werden und ist auch heute noch wie kein zweiter Ort mit seinem Namen verbunden. Zwar reiste Monet in den folgenden Jahren noch nach London und Venedig, doch wurde der Seerosenteich in Giverny zum wichtigsten Motiv von Monets Spätwerk.

Anfang der 1890er Jahre erkundete der Fünfzigjährige noch malend die Umgebung seines neuen Heims: die Getreideschober am Nachbarsfeld waren genauso interessant wie die Pappelallee an der Epte. Insgesamt 15 Gemälde der Getreideschober-Serie stellte er im Mai 1891 in der Pariser Galerie von Paul Durand-Ruel aus; drei kleinere Versionen sind aktuell in Potsdam ausgestellt - dazu noch das inzwischen berühmte, weil hochbezahlte Bild, das die Hasso-Plattner-Stiftung 2019 erwerben konnte (→ 2019: Auktions-Weltrekord für Monets „Getreideschober“). Die Bedeutung der Getreideschober changiert zwischen einem Symbolgehalt als bäuerliche Arbeit, der Dichotomie von Tod und Leben, den vergehenden Jahreszeiten – oder verschließt sich auch jeglicher Narration. Anstelle einer erzählerischen Komponente wird der formalästhetische Zugang des Malers auch hervorzuheben sein. Damit gelang Monet jener Effekt, der kurze Zeit später Wassily Kandinsky so fesselte, dass er Jahre später in der Lage war, den Schritt in die Abstraktion zu gehen.

In den Jahren 1896 und 1897 malte Monet von seinem Atelierboot aus 18 Bilder der Serie „Morgen an der Seine“, von denen zwei im Museum Barberini zu sehen sind. Die fast quadratischen Gemälde erinnerten schon Zeitgenossen an Kompositionen von Claude Debussy. Noch bevor Monet nach London reiste, um sich dort Nebel und Smog zuzuwenden, hatte er an einem Nebenfluss der Epte jene nahezu symbolistischen, kaum greifbaren Visionen gefunden. Was ist real, was gehört in die Welt des Traums? Das lässt sich angesichts dieser sich verflüssigenden Malerei kaum mehr zu entscheiden.

Seerosen für die Ewigkeit

Als der Seerosenteich in Giverny soweit gediehen war, dass Monet ihn und die japanische Brücke zu malen begann, nahm das Interesse des inzwischen Sechzigjährigen an der Welt außerhalb seiner Gartenmauern schlagartig ab. Für zweieinhalb Jahrzehnte malte Claude Monet Wasser, Seerosen, die Spiegelung des Himmels, Trauerweiden und Iris am Ufer. Die ab 1899 entstandenen Seerosenbilder gehören zu den ikonischen Bilderfindungen des Franzosen, in denen er den Blick auf die Wasseroberfläche mit einem wandernden Blick verband. Nahsichtige Blumen und rahmende Trauerweiden bevölkern die pantheistischen Naturausschnitte Monets. Der zunehmend expressive Strich wie in der Serie „Die japanische Brücke“ (1918–1924) zu sehen, geht aber bereits weit über den Impressionismus hinaus.

Das erklärte Ziel des Malers war es, die Balance zwischen vorgefundenen visuellen Fakten und größtmöglicher Abstraktion zu finden. Was heute das Publikum in Massen in Monet-Ausstellungen treibt, war für die Zeitgenossinnen und Zeitgenossen noch hart zu verdauen. Schlussendlich setzte sich Monet durch. Dass er zurecht heute zu den berühmtesten Malern der Kunstgeschichte gehört, wird in Potsdam einmal mehr bewiesen!

Monet in Potsdam

Ausgangspunkt für die Kuratoren der Monet-Ausstellung in Potsdam ist eine Reihe von Fragen zu den Entscheidungen, die Monet für sein Werk getroffen hat. Warum entschied er sich, Landschaftsmaler zu werden, nachdem er in den 1860ern bereits Erfolge als Maler der modernen Frau feierte? Warum besuchte er jene Orte, die - wie die Küsten der Normandie – schon von der Generation Courbets malerisch erkundet worden waren? Welche Auswirkungen hatte das wiederholte Aufsuchen von Orten in Hinsicht auf die Arbeit in Serien? Welche Auffassung von Modernität steht hinter einer solch konsequenten Auseinandersetzung mit dem Ort und wie unterscheidet sich Monets Werk von pittoresken Darstellungen der Ausflugsziele, wie sie für die Reiseliteratur entstanden? Welche Rolle spielten das Reisen, der Tourismus und die Eisenbahn für die Kunst am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Warum suchte Monet so unterschiedliche Landschaften aus und warum schuf er in Giverny mit seinem Wassergarten einen Ort, an dem in seinen letzten Lebensjahren eine neuartige malerische Freiheit entstand?

Kuratiert von Daniel Zamani.
Die Ausstellung wurde organisiert in Kooperation mit dem Denver Art Museum (20.10.2019–2.2.2020).

Monet. Orte: Ausstellungskatalog

Angelica Daneo, Christoph Heinrich Michael Philipp, Ortrud Westheider (Hg.)
Mit Beiträgen von Angelica Daneo, Christoph Heinrich, Marianne Mathieu, Alexander Penn, James H. Rubin, George T. M. Shackelford, Richard Thomson, Paul Hayes Tucker, Daniel Zamani
280 Seiten, 24 x 30 cm, 266 farbige Abb.
ISBN 978-3-7913-5869-7 (dt.)
Prestel

Museum Barberini. Monet. Orte: ausgestellte Bilder

  • Claude Monet, Ansicht von Rouelles, 1858, Öl/Lw (Marunuma Art Park, Asaka)
  • Claude Monet, Windmühlen bei Zaandam, 1871, Öl/Lw (Van Gogh Museum, Amsterdam)
  • Claude Monet, Die Tuilerien, 1876 (Musée Marmottan Monet, Paris. © Musée Marmottan Monet, Paris / Bridgeman Images)
  • Claude Monet, Gare Saint-Lazare, 1877 (National Gallery, London. © The National Gallery, London 2019)
  • Claude Monet, Parc Monceau, 1878, Öl/Lw (The Metropolitan Museum of Art)
  • Claude Monet, Landschaft auf der Insel Saint-Martin, 1881, Öl/Lw (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Villen in Bordighera, 1884, Öl/Lw (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Steilküste von Aval, 1885 (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Ortseingang von Giverny im Winter, 1885 (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Unter den Pappeln, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm (Wildenstein 1136, Privatsammlung)
  • Claude Monet, Unter den Pappeln, Detail, 1887, Öl/Lw, 73 x 92 cm (Wildenstein 1136, Privatsammlung)
  • Claude Monet, Getreideschober, Schnee, Sonnenlicht, 1891 (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Eisschollen in Bennecourt, 1893 (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Seerosen, 1903, Öl/Lw (The Dayton Art Institute, Dayton, Ohio)
  • Claude Monet, Charing Cross Bridge, Reflektionen auf der Themse, 1899–1904 (The Baltimore Museum of Art, The Helen and Abram Eisenberg Collection)
  • Claude Monet, Seerosen oder der Seerosenteich (Nymphéas), 1904 (Denver Art Museum)
  • Claude Monet, Der Palazzo Contarini, 1908 (Privatsammlung)
  • Claude Monet, Seerosen, 1914–1917 (Privatsammlung, Scan: RECOM ART)
  • Claude Monet, Der Seerosenteich, um 1918 (Privatsammlung)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.