Letzte Woche erst entrüstete sich Gerhard Richter über den Film „Werk ohne Autor“ – heute teilt die Academy in Los Angeles dessen Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester ausländischer Film“ mit. Dass die Biografie des deutschen Malers in „Werk ohne Autor“ nicht dokumentarisch erzählt wird, macht diese Nominierung wohl erst möglich.
Der mit viel Pathos getränkte Film spitzt sich im Lauf von eineinhalb Stunden auf den Konflikt zwischen werdendem Malerstar Kurt Barnert und dessen despotischen Schwiegervater Professor Carl Seeband zu. Freie Kunstausübung an der Akademie in Düsseldorf – in welchem Stil möchtest du malen? – und Joseph Beuys als kritischer Mentor prallen auf einen technisch gut ausgebildeten aber offensichtlich überforderten Maler aus dem Osten Deutschlands. Der war zuvor zwar vor dem Sozialistischen Realismus und dem fachlich hervorragenden aber moralisch fragwürdigen NS-Arzt mit guten Verbindungen zur DDR-Führung geflohen, wird im Westen aber zuerst zum Putzmann. Dazwischen löst die tragische Geschichte von Richters vom NS-Schergenregime ermordeter Tante Gänsehaut aus. War der Schwiegervater wirklich für deren Einweisung in eine psychiatrische Klinik verantwortlich, an deren Ende die Euthanasie stand?
Der Anfang September 2018 in die Kinos gekommene Film löste heftige Kontroversen aus. War es nötig, die Bombardierung Dresdens mit der Ermordung von Richters Tante (Euthanasie) bildlich miteinander zu verketten? Gerhard Richter darf sich zurecht unverstanden fühlen, zu sehr setzte Henckel von Donnersmarck auf teils kitschige Bilder, glatte Charaktere, gewürzt mit Crime-and-Suspense. Die komplexe Verkettung von Schuld und Wegsehen, von versuchter Anpassung und Ausbruch in die vermeintliche Freiheit, das gegeneinander Ausspielen von West- und Ost-Deutschland lässt sich vermutlich an vielen Biografien nacherzählen. Doch nur Gerhard Richter ist weltberühmt und trägt den Film schon durch die Nennung seines Namens. Seine Bilder sind es, die dem Regisseur als Requisiten und Metaphern für den Kampf zwischen Erinnern und Vergessen dienen (→ Gerhard Richter. Bilder einer Epoche). Doch die unbewusste Aufarbeitung seiner Biografie ist nur ein Aspekt im deutlich größeren Universum des frühen Richter (→ Gerhard Richter: Biografie).
Einmal mehr spricht sich die Academy für eine filmische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit aus. Am 24. Februar wird sich zeigen, ob das „Werk ohne Autor“ – auf Englisch mit dem affirmativen Titel „Never Look Away“ (!) ausgestattet – genau für eine solche Veranstaltung gemacht ist.