Salesianerinnen-Kloster und Kirche in Wien: Barocke Residenz
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Salesianerinnen-Kloster in Wien Weibliches Wirken im Geheimen

Kuppelaufblick in die Salesianerinnenkriche, Foto: ARTinWORDS, Alexandra Matzner

Kuppelaufblick in die Salesianerinnenkriche, Foto: ARTinWORDS, Alexandra Matzner

Das Salesianerinnen-Kloster in Wien zählt zu den barocken Baujuwelen der Stadt. Stifterin und Bauherrin Kaiserin Amalia Wilhelmina (1673–1742) war die Witwe von Kaiser Joseph I., der 1705 zum Kaiser gewählt wurde und 1711 jung verstarb. Für mehr als dreißig Jahre lebte die verwitwete Kaiserin und Tante von Maria Theresia in dem von ihr gestifteten Kloster, mit dem sie armen adeligen Töchtern eine Ausbildungsstätte und für sich einen Freiraum zu schaffen hoffte. Am Festtag „Mariae Heimsuchung“ 1717 fand die feierliche Grundsteinlegung der Klosterkirche statt, in deren Gruft Kaiserin Amalia Wilhelmina 1742 ihre letzte Ruhestätte fand.

Ziel der Einrichtung war neben dem Klosterleben auch adeligen Fräulein, auch solchen aus nicht begüterten Familien, eine Vorbereitung auf ihre zukünftigen häuslichen und gesellschaftlichen Aufgaben zu ermöglichen. Dies erfüllten die Schwestern bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.

Salesianerinnenkirche

Als am 13. Mai 1717 der Grundstein zum Salesianerinnen-Kloster gelegt wurde, war die Karlskirche, die heute berühmteste Barockkirche Wiens, seit knapp einem Jahr in Bau (Grundsteinlegung am 4. Februar 1716 → Der Karlsplatz in Wien). Am gleichen Tag ist aber auch der Geburtstag von Maria Theresia, der späteren Regentin Österreichs. In unmittelbarer Nähe errichtete Prinz Eugen sein Gartenpalais, in dem sich heute das Belvedere befindet.

Von der Grundsteinlegung an dauerte es acht Jahre, bis der außergewöhnlich große Klosterkomplex soweit vollendet war, dass an die Fertigstellung der Kirche mit ovalem Grundriss gedacht werden konnte. Der italienische Architekt Donato Felice Allio (1677–1761), der Erbauer von Stift Klosterneuburg, gelang mit der Gesamtanlage ein bedeutender Sakralbau des Hochbarock in Wien. Das Kuppelgemälde der „Aufnahme Mariens im Himmel“ wurde von dem venezianischen Maler Giovanni Antonio Pellegrini (1675–1741) in Öl ausgeführt. Der Entwurf des Hauptaltars stammt von dem Bolognesen Antonio Beduzzi und das Hochaltarbild „Maria Heimsuchung“ von Antonio Bellucci. Die Altarblätter der Seitenaltäre stemmen ebenfalls von Pellegrini und Victor Honoré Janssens, sowie Deckengemälde vermutlich von Jakob van Schuppen.

Die hohe künstlerische Ausstattung der Stiftung belegt, wie sehr sich Kaiserin Amalia Wilhelmina, die die Anlage mit ihrem kaiserlichem Stiftungskapital finanzierte, mit dem aktuellen Kunstdiskurs in Wien auseinandergesetzt haben muss. Die Dominanz italienischstämmiger Künstler ist auch am Rennweg zu spüren. Darüber hinaus ist die Paramentensammlung der Wiener Salesianerinnen einzigartig. Die Textilien stammen vielfach aus adeligen Stiftungen, d.h. Hofdamen schenkten ihre kostbaren Roben den Salesianerinnen. Aus den Tages- und Festkleidern wurden gemeinsam Paramente für das Hochamt genäht und bestickt.

Wer war Johanna Franziska Frémyot de Chantal?

Die tiefe Freundschaft zwischen Franz von Sales und Johanna Franziska Frémyot de Chantal führte 1610 zur Gründung des „Ordens der Heimsuchung Mariens“ oder auch der Salesianerinnen.

Die am 23. Januar 1572 in Dijon geborene Tochter des burgundischen Parlamentspräsidenten heiratete 1592 in der Schlosskapelle der Chantals in Bourbilly Christoph Rabutin, Baron von Chantal (1563–1601). Johanna Franziska entwickelte sich aufgrund langer Aufenthalte ihres Mannes in Paris zu geschickten Verwalterin des wirtschaftlich angeschlagenen Anwesens ihres Gatten. Die Mutter von sechs Kindern, von denen zwei nach der Geburt starben, konnte er 1601 ihren Mann überzeugen, auf sein Schloss zurückzukehren. Allerdings wurde er kurz danach bei einem Jagdunfall so schwer verletzt, dass er daran verstarb. Die junge Mutter und Witwe verfiel in Depression, die durch Gebets- und Bußübungen noch verschlimmert wurden. Erst am 5. März 1604, als sie sich in Dijon erholen wollte, traf sie auf den Fürstbischof von Genf, Franz von Sales. Dessen Predigten, sein Beistand und seine Maxime „Alles aus Liebe tun und nichts aus Zwang!“ überzeugten sie. Am 6. Juni 1610 gründete Franziska von Chantal gemeinsam mit drei weiteren Frauen den Orden der Schwestern von der Heimsuchung Mariens. Nachdem am 28. Dezember 1622 Franz von Sales an einem Schlaganfall verstorben war, kümmerte sich Johann Franziska von Chantal um dessen geistiges Erbe und seine Seligsprechung 1632. Vor ihrem Tod am 13. Dezember 1641 gründete sie 87 Klöster. 1767 wurde sie heiliggesprochen.

Das Kloster der Kaiserin 300 Jahre Salesianerinnen in Wien: Buch

Das Wiener Salesianerinnenkloster feiert 2017 sein 300-jähriges Bestehen mit einem Buch, das erstmals Ordens- und Baugeschichte, Kirchenausstattung, Paramentesammlung, Thesenblätter, Archivmaterial etc. zugänglich macht! Die Abbildungen in diesem Beitrag verdankt ARTinWORDS dem IKM der Österreichischen Akademie der Wissenschaften!

Helga Penz (Hg.)
Das Kloster der Kaiserin. 300 Jahre Salesianerinnen in Wien
ISBN 978-3-7319-0339-0
Michael Imhof Verlag

Salesianerinnen-Kloster in Wien: Bilder

  • Giovanni Antonio Pellegrini, Dreifaltigkeit und Maria (Salesianerinnenkirche Wien)
  • Salesianerinnenkirche Wien, Hochaltar von Antonio Beduzzi (1726) mit Altarblatt Heimsuchung Mariens von Antonio Bellucci (1719)
  • Madonna mit Kind, Zustand nach der Konservierung in der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes, Wien 2017.
  • Übergabe der Ordensegel durch den hl. Franz von Sales an Johanna Franziska von Chantal, Umkreis Martino Altomonte (?), Seitenaltarbild (Salesianerinnenkirche Wien)
  • Trauerornat, Kasel, Rückseite (Salesianerinnenkloster Wien)
  • Ansicht des Oberen Belvedere vom Salesianerinnenkloster aus
  • Kuppeleinblick, Salesianerinnenkirche, Wien

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.