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Wien | Unteres Belvedere: Gustav Klimt. Pigment & Pixel Klimt digital | 2025

Gustav Klimt, Fakultätsbild „Die Jurisprudenz“, Detail, 1900-1907, Rekolorisierung nach historischer Aufnahme (2021) (Österreichische Galerie Belvedere, Wien / Image by Google)

Gustav Klimt, Fakultätsbild „Die Jurisprudenz“, Detail, 1900-1907, Rekolorisierung nach historischer Aufnahme (2021) (Österreichische Galerie Belvedere, Wien / Image by Google)

Gustav Klimt ist der bekannteste Künstler Österreichs, seine Werke begeistern weltweit Millionen von Menschen. Dennoch verbergen sich hinter seinen berühmten Bildweiten immer noch zahlreiche Geheimnisse: Wie hat Klimt gearbeitet? Welche Materialien hat er verwendet? Wie hat er einzelne Bilder konzipiert? Die Ausstellung in der Orangerie des Belvedere ermöglicht einen Blick unter die Oberfläche von Klimts Farbenwelt. Dank modernster Bildtechnologien wie lnfrarotreflektografie, Röntgenaufnahmen und Künstliche Intelligenz (KI) gelingt es, neue Erkenntnisse über Klimts Arbeitsmethode zu gewinnen. Gelegentlich werden auch überraschende Abweichungen zwischen Vorzeichnung und finaler Ausführung sichtbar.

Gustav Klimt. Pigment & Pixel 2025

Klimts verlorene Fakultätsbilder gehören zu den bedeutensten und gleichzeitig unbekanntesten Schöpfungen des Jugendstil-Malers. Dies könnte sich nun ändern. Das Belvedere zeigt eine hypothetische Rekonstruktion der Farbigkeit, das Ergebnis seiner mehrjährigen Kooperation mit Google Arts & Culture.

Bevor man allerdings mit der Farbrekonstruktion und der Hängung der Bilder im Großen Festsaal der Universität Wien konfrontiert wird, zeigt Kurator Franz Smola insgesamt acht Originale Klimts. Wenn auch „Der Kuss“ weiterhin im Oberen Belvedere bleiben muss, so präsentiert die Schau mit „Judith I“ und „Sonnenblume“ zwei der Hauptwerke Klimts aus der Sammlung bis zum Herbst 2025 in der Orangerie. Ergänzt wird die Auswahl um „Frauenbildnis“ (um 1893/94), „Nach dem Regen“ (1898), „Freundinnen (Wasserschlangen I)“ (1904), „Forsthaus in Weißenbach I (Landhaus am Attersee)“ (1914), „Amalie Zuckerkandl“ (1917/18, möglicherweise bereits 1913/14) und „Dame in Weiß“ (1917/18).

 

Klimts Maltechnik

Wenn die Fakultätsbilder zu den unbekanntesten Werken des Malers gehören, so ist sein Gemälde „Der Kuss“ (1908/09, Belvedere) eines der berühmtesten Bilder der Welt. Es ist End- und Höhepunkt der sog. „Goldenen Periode“, die etwa zwischen 1901 und 1909 anzusetzen ist. Auf welche Weise hat er das Gold auf die Leinwand aufgetragen? Mithilfe neuester technologischer Untersuchungsmöglichkeiten ist es der Belvedere-Restaurierung gelungen, umfassendere und genauere Antworten auf diese Fragen zu erhalten. Dass Klimt mit einer Ölvergoldung1 arbeitete, gehört zum gesicherten Wissen. Neu ist etwa die Erkenntnis, dass Klimt in manchen Bildern neben Gold auch Platin, rein oder silberhaltig, verwendete, was in der damaligen Zeit durchaus ungewöhnlich war.2

Doch nicht nur das: Für das freie Auge kaum sichtbar ist die subtile Vergoldungstechnik des Künstlers im Hintergrund des Liebespaares. gleich mehrere Schichten von Metallen
übereinandergelegt. Klimt trug zunächst dünn geschlagene Messingblättchen (sog. Schlagmetall) auf die gesamte Fläche auf. Im nächsten Schritt überzog er diese ebenfalls vollflächig mit einer dunkelbraunen Lasur oder Patina, bevor er dort unzählige kleine Gold- und Platinpartikel verteilte. Die spontane Verteilung, die an Sprühnebel oder japanische Lackmöbel (Goldlack) erinnert, nennt Stefanie Jahn treffend „Goldflocken“.3

Gustav Klimts dürfte aufgrund dieser aufwändigen Technik bereits seit 1907 an „Der Kuss“ zu arbeiten begonnen haben. Allerdings war das Bild erst im Juni 1909 vollendet. Dazwischen präsentierte der Künstler das Werk auf der „Kunstschau“ (Juni bis November 1908). Das k. u. k. Unterrichtsministerium kaufte das Gemälde für die Moderne Galerie um die damals außerordentlich hohe Summe von 25.000 Kronen  an – laut Historischem Währungsumrechner der Österreichischen Nationalbank entspricht das etwa € 188.000.-. Im folgenden halben Jahr veränderte Klimt noch einige Elemente der Komposition wie den linken Teil der Blumenwiese, er verlängerte die Unterschenkel der knienden Frau und bedeckte ihre Beine mit wesentlich mehr Schlingpflanzen. Außerdem nahm er zahlreiche Änderungen an den Ornamenten auf den Gewändern vor. Die Restaurierung konnte nachweisen, dass der Protagonist ursprünglich einen Vollbart trug, der heute nicht mehr zu sehen ist.

 

Fakultätsbilder in bunt

Die monumentalen Leinwandbilder mit den Allegorien der Philosophie, der Medizin und der Jurisprudenz waren ursprünglich für die Decke des Festsaals der Wiener Universität bestimmt, wohin sie jedoch aufgrund von massiver Kritik nie gelangten. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie in ein Kunstdepot auf Schloss Immendorf eingelagert, das in den letzten Kriegstagen jedoch in Brand gesetzt wurde, womit auch die Fakultätsbilder Gustav Klimts vernichtet wurden. Ihr Aussehen ist lediglich aufgrund von Schwarz-Weiß-Fotos bekannt. Mithilfe von KI ist es nun gelungen, ihnen eine Farbigkeit zu verleihen, die dem ursprünglichen Eindruck sehr nahekommen dürfte. Die Ausstellung liefert die Rekonstruktionen in den ursprünglichen Bildmaßen.

 

Verlorene Farbe der Fakultätsbilder

„Wenn in der Stimmung der ‚Philosophie‘ grüne u. blaue Töne eine kühlere Harmonie bildeten, so ist hier [‚Die Medizin‘] ergänzend ein wärmerer, von rosigen Tönen bis zu hell schmetterndem Purpur, angeschlagen.“4 (Ludwig Hevesi)

Beschreibungen wie diese vom Kunstkritiker Ludwig Hevesi haben schon immer die Phantasie von Forschenden entzündet, da die Fakultätsbilder im Mai 1945 verbrannt und nur durch Schwarz-Weiß-Fotografien bekannt sind. Ist es möglich, die Farbigkeit von Klimts Fakultätsgemälden zu rekonstruieren? Neueste Technologien können Hand in Hand mit Erkenntnissen aus der Restaurierung erhaltener Gemälde und Farbangaben in Textquellen eine Ahnung vom originalen Aussehen der Gemälde geben, zeigt sich Kurator Franz Smola überzeugt.

„Drei Rachegöttinnen von schauerlich schöner Bildung, mit goldenen Schlangen im Haar, umlagern ihn drohend. Schwarze Gewänder ziehen gleich unheimlichen Nebelschleiern ihre Arabesken um diese Gruppe. In der oberen, goldstrotzenden Sphäre erscheint die Gerechtigkeit mit ihrem Schwerte, zwischen dem Gesetz, auf deren Buch das Wort ‚Lex‘ steht, und der Wahrheit im goldgestickten Purpurmantel. Den Hintergrund bildet das Quaderwerk eines Justizpalastes.“5 (Ludwig Hevesi)

 

Ein Algorithmus für Klimt

Mit Hilfe einer KI, die eine statistische Analyse von Klimts erhaltenen Gemälden erstellen und lernen kann6, ist es möglich, Klimts charakteristischen Farbeinsaz nachzuahmen. Der KI-Experte Emil Wallner bezog in dieses System aber auch menschliche Expertise mit ein; bisher existierende Kolorierungsalgorithmen haben keine brauchbaren Ergebnisse erzielt. Deshalb musste Wallner für die Rekolorierung der Fakultätsbilder ein neues Machine-Learning-Modell schreiben, das anhand von 91.749 digitalen Abbildungen von Kunstwerken lernte, wie in Kunstwerken etwa Objektgrenzen und Strukturen beschaffen sind und welche Kompositionen und Motive in Gemälden besonders häufig vorkommen.7 Werke Klimts lehrten dem Algorithmus das charakteristische Kolorit des Wiener Malers. Ergänzt um spzeifische Angaben aus erhaltenen Gemälden und Bildbeschreibungen, konnte in den Prozess der Rekolorierung unmittelbar eingegriffen und die Farbgebung wesentlich nach den Vorstellungen von externen Expert:innen gelenkt werden.8

 

Gustav Klimt ‒ Pigment & Pixel. Mit Technologie Kunst neu entdecken: Ausstellungskatalog

Stella Rollig, Franz Smola (Hg.)
mit Beiträgen von Stefanie Jahn, Stella Rollig, Franz Smola, Barbara Steiner, Emil Wallner
176 Seiten, 31 x 24 cm
ISBN 978-3-7533-0808-1
Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König

  • Stefanie Jahn, Methoden zur systematischen Untersuchung der Gemälde von Gustav Klimt im Belvedere, S. 10–55.
  • Das Gold in Klimts Gemälden. Barbara Steiner im Gespräch mit Franz Smola, S. 56–64.
  • Franz Smola, Zur Rekonstruktion der Farbigkeit in Gustav Klimts Fakultätsbilder, S. 98–
  • Emil Wallner, Das Rätsel um Klimts Farben. Die Rekolorierung der verschwundenen Fakultätsbilder mithilfe künstlicher Intelligenz und menschlicher Expertise, S. 122
  • Franz Smola, Vom gründurchleuchteten Aquarium zum hell schmetternden Purpur. Beschreibungen der Farben von Gustav Klimts Fakultätsbildern in historischen Kunstkritiken und kunsthistorischen Texten, S. 137
  • Franz Smola, Gustav Klimt. Biografie, S. 146–155.

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Wie hat Klimt gearbeitet? Welche Materialien hat er - u.a. für seine goldenen Bilder - verwendet? Wie hat er einzelne Bilder konzipiert? Ein weiterer Höhepunkt der Schau ist das Ergebnis der mehrjährigen Kooperation des Belvedere mit Google Arts & Culture, die 2019 in Angriff genommene hypothetische Rekonstruktion der Farbigkeit von Klimts Fakultätsbildern.
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Gustav Klimt: Biografie Lebenslauf und wichtige Werke des Wiener Jugendstilmalers

Gustav Klimt (1962-1918) begann als Dekorationsmaler, durchlebte in den 1890ern eine Krise, gründete die Wiener Secession und wurde schlussendlich der berühmt-berüchtigte "Maler der Frauen".
  1. Dabei verwende Klimt einen ölhaltigen Grund als Klebemittel. Er strich auf die Leinwand eine Öllasur und trug auf diese das Blattgold auf. Wie auch sonst beim Vergolden üblich werden die Goldblätter mithilfe eines flachen Fehhaarpinsels (Eichkätzchenschweif) aufgetragen. Dieser Vorgang wird auch „Anschießen“ genannt, weil die hauchdünnen Goldblättchen vom Ölanstrich, der wie ein Klebemittel wirkt, wie magnetisch angezogen werden. Zitiert nach: Das Gold in Klimts Gemälden Barbara Steiner im Gespräch mit Franz Smola, in: Ebenda, S. 56–64, hier S. 58.
  2. Franz Smola, Klimt vergoldet. Neueste Erkenntnisse über Arbeitsmethode und Materialien, in: Ebenda, S. 54.
  3. Ebenda, S. 59.
  4. Ludwig Hevesi, „Neue Bilder von Klimt. Sezession“, in: Wiener Fremden-Blatt, 16.3.1901, zit. nach Ludwig Hevesi, Acht Jahre Sezession. März 1897 – Juni 1905. Kritik – Polemik – Chronik, Wien 1906, Nachdruck hg. von Otto Breicha, Klagenfurt 1984, S. 317f.
  5. Ludwig Hevesi, „Sezession. Die Klimt-Ausstellung“, in: Wiener Fremden-Blatt, 14.11.1903, zit. nach Hevesi 1906, S. 443.
  6. Ein Algorithmus benötigt ungefähr 5.000 Bilder, um für ein Objekt ausreichend trainiert zu werden. Emil Wallner musste eine Reihe von Algorithmen ausprobieren, um eine passende technische Formel zu finden. Die Lösung des Problems brachte schließlich ein Modell, das von Richard Zhang, Jun-Yan Zhu und weiteren Mitarbeiter:innen entwickelt und 2017 auf GitHub publiziert wurde. Richard Zhang / Jun Yan Zhu / Phillip Isola / Xinyang Geng / Angela S. Lin / Tianhe Yu / Alexei A. Efros, Real Time UserGuided Image Colorization with Learned Deep Priors: ACM Transactions on Graphics (TOG), 2017, Ebenda, S. 130, 132.
  7. Ebenda, S. 133.
  8. Ebenda, S. 136.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.
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