Zwischen 1876 und 1878 erfolgte die Planung und am 23. Mai 1889 Enthüllung des Grillparzer-Denkmals von Rudolf Weyr (Reliefs und architektonisches Konzept, 1847–1914), Carl Kundmann (Sitzfigur des Dichters, 1838–1919) und Carl Hasenauer (Durchführung der Architektur, 1833–1894).
Österreich / Wien: 1. Bezirk
Empfehlung:
Teil 1: Wiener Volksgarten. Anlage, Caféhaus und Theseustempel
Teil 2: Wiener Volksgarten. Brunnen und Café Meierei
Teil 4: Wiener Volksgarten. Kaiserin Elisabeth/Sisi-Denkmal
Im Jänner 1872 starb Franz Grillparzer, der von den Zeitgenossen bereits als „großer, vaterländischer Dichter“ gehandelt wurde. Grillparzer wurde auch an der Fassade des Wr. Burgtheaters dargestellt und zum österr. Volksdichter hochstilisiert. Unter Johann Adolf Fürst zu Schwarzenberg konstituierte sich ein Komitee zur Errichtung eines Denkmals, Alfred von Arneth wird Obmann, Nikolaus Dumba ist prominentes Mitglied. Als Protektor konnte Erzherzog Carl Ludwig, Bruder von Kaiser Franz Joseph I., gewonnen werden. Die Aufstellung im Volksgarten wurde lange diskutiert, handelt es sich doch um das erste Denkmal für einen Bürger auf hofarräischem Boden.
Anfang März 1876 bis 15. März 1877 fand eine freie Konkurrenz statt, an der alle in „Österreich-Ungarn geborene[n] oder daselbst ansässige[n]“ Künstler eingeladen wurden. 31 Einreichungen sind überliefert, die Modelle wurden in der Säulenhalle des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie ausgestellt. Der 1. Preis ging an Carl Kundmann, der 2. Preis wurde der Exedra-Anlage von Rudolf Weyr verliehen. Den 3. Preis errang Edmund Hellmers Patria. Keiner der drei prämierten Entwürfe wurde jedoch ausgeführt, sondern ein Kompromiss vom Februar 1878 vereinte die Entwürfe der ersten beiden Preisträger. Die Mithilfe des Architekten Carl von Hasenauer sollte garantieren, dass der Baukörper statisch korrekt ausgeführt wurde.
Weyr hatte zwei Jahre am Polytechnikum (heute: TU) Architektur studiert und sich in seinen Entwürfen hauptsächlich mit der Exedra beschäftigt, während die Skizzen zu den figurativen Darstellungen sehr kursorisch ausgeführt waren. Dass die Figur des Dichters von einer Exedra hinterfangen wird, ist in der Wiener Denkmalgeschichte neu! Walter Krause hat vermutet, dass die halbkreisförmige Ruhebank der Priesterbank im sakralen Bereich entspräche. Das lässt den Schluss zu, dass weniger die antike Exedra als die frühchristliche Kirchenapsis als Vorbild gemeint gewesen ein könnte. Die Nische mit dem erhöht thronenden Dichter ersetzt quasi die Bischofskathedra.
Zudem handelt es sich um ein sog. gerichtetes Denkmal, denn es ist in einer geradlinigen Bewegung entlang einer Mittelachse ausgerichtet. Dadurch entsteht keine Allsichtigkeit; es wurde kein zentraler Punkt am Platz (vgl. Maria Theresia-Denkmal zwischen den Hofmuseen) angestrebt. Das Monument schiebt sich an die Randzone und entwickelt sich in der Folge weiter zum Denkmalhain, wie wir es am Kaiserin Elisabeth-Denkmal sehen können.
Eine Neuerung gelang Weyr auch im Reliefstil, der auf Georg Raphael Donner und dessen Nachfolgern aufbaut: Die Komposition wird diagonal angelegt, der illusionistische Raum entwickelt sich von einem unbestimmt gehaltenen Hintergrund zu einer fast vollplastischen vorderen Ebene, auf der die Figuren agieren (vgl. Donners Andromeda-Brunnen im Alten Rathaus; Franz Zächerles Pygmalion-Relief im Belvedere).
Das Programm des Grillparzer-Denkmals stammt von Alfred von Arneth, dem Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Als wandfüllende Reliefs sind links drei Szenen aus den romantischen Dramen in Innenräumen und rechts drei aus den antiken Dramen des Dichters in Freiräumen dargestellt: Die Ahnfrau, Der Traum ein Leben und König Ottokars Glück und Ende (links) sowie Sappho, Medea und Des Meeres und der Liebe Wellen (rechts). Die in Bezug auf die aktuelle Nationalitätenfrage mehr als problematische Szene der Huldigung des böhmischen Königs Ottokar vor Rudolf von Habsburg (aus: König Ottokars Glück und Ende, 3. Akt) dürfte im Kontext des zu dieser Zeit forcierten Kultes um den Begründer der habsburgischen Dynastie ausgewählt worden sein, um in dieser Weise nationalistisch motivierten Separationsbewegungen entgegenzuwirken.
Dass sich das liberale Bürgertum mit dem Grillparzer-Denkmal erneut selbst ein sichtbares Zeichen seines Wertes aufstellte, belegt ein Artikel in der „Neuen Freien Presse“ vom 2. Februar 1872. Der Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Heinrich Jacques forderte ein Grillparzer-Denkmal und spendete dafür 500 Gulden mit den Worten: „…, dass die geistigen Führer des Volkes ebenbürtig seien jenen Fürsten und Schlachtenlenkern, welchen wie Statuen zu errichten gewohnt sind, und dass ein Volk sich selber ehrt, wenn es endlich das Werk derer zu würdigen weiß, denen es seine intellektuelle und künstlerische, seine sittliche Erhebung zu verdanken hat.“
Jochen Martz fand letztes Jahr einige Pläne Otto Wagners (u.a. im Haus-, Hof- und Staatsarchiv), die belegen, dass der Wiener Jugendstilarchitekt 1901/1902 einen Dichterhain für den Volksgarten geplant hatte.1 Er argumentierte die Aufstellung von „Büsten vaterländischer Dichter“ im Bereich des Grillparzer-Denkmals damit, hier einen ruhigen, abgeschlossenen Ort zu schaffen. Dem „hie und da zu Tage tretenden Sehnen des Großstädters nach Ruhe und Einsamkeit“ solle so Rechnung getragen werden. Wagner projektierte ein vertieft angeordnetes Bassin, eine niedrige, geschwungene Mauer links und rechts vor dem Grillparzer-Denkmal aus weißem Laaser Marmor, davor die Büsten. Das Obersthofmeisteramt lehnte den Vorschlag Wagners mit dem Hinweis auf die fehlende Ruhe (Straßenlärm) und der stilistischen Heterogenität zwischen den „Äußerungen extremster Moderne“ und den „gemäßigten Architecturformen der benachbarten Monumentalbauten und Gartenanlagen“. Martz führt eine stilistische Beeinflussung Wagners durch britische Vorbilder, wie Charles Rennie Mackintosh (siehe Ver Sacrum 4, 1901), an. Die Bedeutung des Fundes erschließt sich in seiner historischen Stellung: Es handelt sich hierbei um das einzige Gartenprojekt Wagners und stellte eine frühe secessionistische Überlegung im Bereich Gartenentwurf dar. Mit der Projektierung des Kaiserin Elisabeth-Denkmals sollte das Wagner-Projekt beiseitegelegt und vergessen werden.