Das Museum Ludwig widmet dem amerikanisch-japanischen Bildhauer Isamu Noguchi (1904–1988) nach über 20 Jahren die erste umfassende Retrospektive in Europa. Sie zeigt erstmalig mit 150 Arbeiten alle Schaffensphasen Isamu Noguchis und präsentiert ihn als experimentierfreudigen und politisch engagierten Künstler.
Deutschland | Köln: Museum Ludwig
26.3 – 31.7.2022
#IsamuNoguchi
Noguchi ist mit seinem Mid-Century Design von Couchtisch und Akari-Leuchten vor allem als Design-Ikone weltbekannt. Sein erweitertes Verständnis von Skulptur und die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Erde prägen sein Werk ebenso, wie seine Faszination für Material und Technik. Die Ausstellung zeigt den Künstler als großen Bildhauer des 20. Jahrhunderts.
Als Assistent von Constantin Brâncuși vertiefte Noguchi sein Gespür für das Wesen des Materials, für die Oberflächen von Holz und Stein, er unternahm Reisen nach Europa, Asien, Indien, Mexiko und Hawaii mit teilweise monatelangen Aufenthalten, studierte in China die Pinselzeichnung, in Japan Töpfertechniken, Ikebana (japanische Kunst des Blumenarrangements) und Gartenkunst. Aneignung und Erneuerung im Sinne einer globalen Perspektive – diese Impulse bestimmen sein künstlerisches Schaffen.
Noguchis Denken war in jeder Hinsicht grenzüberschreitend, transnational und radikal interdisziplinär. Von den 1920er Jahren bis in die 1980er Jahre fertigte er Denkmäler mit politischer Aussage, Lichtobjekte, Bühnenbilder, Spielplätze, Gärten – immer auf der Suche nach der Verbindung von Kunst und Alltag.
Die Retrospektive beginnt mit Porträts – Köpfe und Figuren, abstrakt und realistisch wie ein Panorama aus unterschiedlichsten Medien, sozialen Kontakten in aller Welt und künstlerischen Auffassungen: In der Mitte das Selbstporträt mit blauen Augen, begleitet von Martha Graham und R. Buckminster Fuller, beide künstlerische Partner über Jahrzehnte, ebenso wie von Brâncuși, Onkel Tagakai, der Schriftstellerin Tara Pandit, einer Radio Nurse, dem Tänzer Michio Ito, dem Maler José Clemente Orozco, der Musikerin Kyoko Kawamura und der Schauspielerin und Ehefrau Noguchis Yoshiko Yamaguchi.
Im Zentrum der Ausstellung stehen Noguchis surrealistische Skulpturen aus den 1940er Jahren. Die sogenannten „Interlocking Sculptures erinnern teilweise an menschliche Körper, deren Elemente wie schlaffe Glieder oder Knochen ineinandergreifen. Spielerische Komposition und schmerzhafte Fragmentierung verbinden sich in diesen Skulpturen.
Fundament seines Lebens und Werks ist die Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Fragen seiner Zeit. Gegenpositionen zu Rassismus und Gewalt, aber auch die Frage nach Identität und Zugehörigkeit spiegeln sich in vielen Kunstwerken Noguchis wider. In anderen werden die Erinnerungen an Schmerz und Unterdrückung fast unsichtbar. Wie hunderttausend andere Amerikaner japanischer Abstammung verbrachte Isamu Noguchi nach dem Angriff auf Pearl Harbour 1942 einige Zeit in einem Internierungslager. Seine Skulpturen aus dem roten Stein der Wüste Arizonas tragen noch Jahrzehnte später die Erinnerung an diese Diskriminierungserfahrung.
Zu den reichen Facetten des Werks zählen seine öffentlichen und politischen Kunstprojekte der 1930er Jahre, Tanzkollaborationen (unter anderem mit der bahnbrechenden Martha Graham Dance Company), Keramiken sowie öffentliche Arbeiten und Pläne für Jerusalem, Hiroshima oder Delhi.
Im letzten Raum wird der Entwurf zu „Memorial to Man/Sculpture to Be Seen from Mars“ gezeigt. Die Arbeit wurde 1947, zwei Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki konzipiert, jedoch nie realisiert. Seit seinen frühen Spielplatzentwürfen betrachtete Noguchi die Erde als künstlerisches Material. Bei „Memorial to Man“ entwirft er eine außerirdische Perspektive auf unseren Planeten Erde. Auf der Oberfläche des Planeten erscheint ein menschliches Gesicht, eine Erinnerung an die Menschheit, die die Erde mit Kultur geformt aber auch zerstört hat.
Fabienne Eggelhöfer, Rita Kersting und Florence Ostende (Hg.)
mit Beiträgen von Dakin Hart, Fabienne Eggelhöfer, Rita Kersting & Nana Tazuke-Steiniger, Florence Ostende und einem Gespräch zwischen Karen L. Ishizuka, Katy Siegel, Danh Vō und Devika Singh
deutsche und englische Ausgabe
304 S., ca. 350 Abb.
Prestel Verlag
Kuratiert von Rita Kersting.
Die Ausstellung wurde vom Barbican in London, dem Museum Ludwig in Köln und dem Zentrum Paul Klee in Bern, zusammen mit dem LaM – Lille Métropole organisiert und kuratiert.
Quelle: Museum Ludwig Köln