Paris | Fondation Louis Vuitton: Gerhard Richter

Gerhard Richter, Abstraktes Bild (946-5), 2016, Öl auf Aluminium, 27 x 35,5 cm © Gerhard Richter 2017 (221116)
Im Herbst/Winter 2025/26 präsentiert die Fondation Louis Vuitton eine große Retrospektive mit Werken von Gerhard Richter, einem der einflussreichsten zeitgenössischen Künstler, der 1932 in Dresden geboren wurde. Er floh 1961 aus der DDR nach Düsseldorf, bevor er sich in Köln niederließ, wo er derzeit lebt und arbeitet (→ Gerhard Richter: Biografie). Die Fondation widmet alle ihre Galerien Gerhard Richter, der als einer der bedeutendsten und international hochgefeierten Künstler seiner Generation gilt.
Gerhard Richter
Frankreich | Paris:
Fondation Louis Vuitton
17.10.2025 – 2.3.2026
Gerhard Richter war bereits 2014 mit einer Werkgruppe aus der Sammlung in der Eröffnungspräsentation der Fondation Louis Vuitton vertreten. Nun würdigt die Fondation den Künstler mit einer außergewöhnlichen Retrospektive mit 270 Werken aus den Jahren 1962 bis 2024. Die Ausstellung umfasst Ölgemälde, Glas- und Stahlskulpturen, Bleistift- und Tuschezeichnungen, Aquarelle sowie übermalte Fotografien. Erstmals bietet eine Ausstellung einen umfassenden Überblick über 60 Jahre Schaffen Gerhard Richters – eines Künstlers, dessen größte Freude stets die Arbeit in seinem Atelier war. Nach Aussage der Fondation Louis Vuitton planen sie eine Retrospektive, die „unübertroffen in Umfang und chronologischer Breite“ ist. Man darf gespannt sein!
Gerhard Richter in Paris (2025/26)
Gerhard Richter fühlte sich schon immer sowohl zum Thema als auch zur Sprache der Malerei hingezogen – ein Experimentierfeld, dessen Grenzen er kontinuierlich erweitert und sich jeder eindeutigen Kategorisierung entzogen hat. Seine Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste Dresden brachte ihn dazu, sich mit traditionellen Genres wie Stillleben, Porträt, Landschafts- und Historienmalerei auseinanderzusetzen. Sein Wunsch, diese Genres aus einer zeitgenössischen Perspektive neu zu interpretieren, steht im Mittelpunkt dieser Ausstellung. Unabhängig vom Motiv malt Richter nie direkt nach der Natur oder der Szene vor ihm: Jedes Bild wird durch ein Zwischenmedium – eine Fotografie oder eine Zeichnung – gefiltert, aus dem er ein neues, autonomes Werk konstruiert. Im Laufe der Zeit hat er eine außergewöhnliche Bandbreite an Genres und Techniken der Malerei erforscht und verschiedene Methoden entwickelt, Farbe auf die Leinwand aufzutragen – sei es mit einem Pinsel, einem Spachtel oder einem Rakel.
Die Richter-Ausstellung in Paris vereint viele seiner bedeutendsten Werken von den frühen 1960er Jahren bis zu seiner Entscheidung im Jahr 2017, die Malerei aufzugeben, aber weiterhin zu zeichnen. In chronologischer Reihenfolge präsentiert, umfasst jeder Abschnitt etwa ein Jahrzehnt und zeichnet die Entwicklung einer einzigartigen Bildvision nach – geprägt von Brüchen und Kontinuitäten zugleich – von seinen frühen fotobasierten Gemälden bis zu seinen letzten abstrakten Werken.
Gerhard Richter 1962–1970 — Malen nach Fotografien: Fotografie als Bildquelle
Richters Motivwahl war von Anfang an vielschichtig: Einerseits scheinbar banale Zeitungsbilder, andererseits Familienporträts mit Verweisen auf seine eigene Vergangenheit (Onkel Rudi, Tante Marianne) sowie auf die Schatten der deutschen Geschichte (Bomber). Bereits Mitte der 1960er Jahre forderte Richter mit seiner Skulptur „Vier Glasscheiben“ und seinen ersten Farbtafeln die illusionistischen Konventionen der Malerei heraus. Mit den Stadtlandschaften erkundete er einen pseudoexpressionistischen Impasto-Stil; mit den Landschaften und Seestücken testete er klassische Genres gegen den Strich.
Gerhard Richter 1971–1975 — Untersuchung der Repräsentation
Die 48 Porträts, die für die Biennale von Venedig 1972 gemalt wurden und eine wahre Glanzleistung darstellen, markieren den Beginn eines neuen Kapitels, in dem Richter die Natur der Malerei auf vielfältige Weise hinterfragt: durch die Verwendung seiner charakteristischen Vermalungstechnik, das fortschreitende Kopieren und Auflösen einer Verkündigung von Tizian, die zufällige Verteilung der Farben in den großen Farbtafeln und die Ablehnung von Darstellung und Ausdruck in den Grauen Bildern.
Gerhard Richter 1976–1986 – Die Erforschung der Abstraktion
In diesem Jahrzehnt legte Richter den Grundstein für seinen unverwechselbaren Ansatz der Abstraktion: Er vergrößerte Aquarellstudien, untersuchte die gemalte Oberfläche und machte den Pinselstrich selbst zum Motiv eines Gemäldes (Strich). Gleichzeitig malte er die ersten Porträts seiner Tochter Betty und beschäftigte sich weiterhin mit traditionellen Themen wie Landschaften und Stillleben.
Gerhard Richter 1987–1995 – „Düstere Reflexionen“
Angetrieben von einer zutiefst skeptischen Sicht auf künstlerischen und gesellschaftlichen Wandel malte Richter die Serie „18. Oktober 1977“ – eine Leihgabe des MoMA – sein einziges Werk, das sich explizit auf die jüngere deutsche Geschichte bezieht. In dieser Zeit entstanden auch einige seiner eindrucksvollsten und düstersten abstrakten Werke. Richter griff das Thema seiner frühen Familienbilder auf und schuf die Serie „Sabine mit Kind“.
Gerhard Richter 1996–2009 – Neue Perspektiven in der Malerei: Zufall
In den späten 1990er Jahren begann für Richter eine äußerst produktive Phase, die kleine figurative und abstrakte Werke, die strenge Silikat-Serie, Experimente mit dem Zufall, die in „4900 Farben“ gipfelten, und die meditativen „Cage Paintings“, eine Hommage an den Komponisten John Cage, umfasste.
Gerhard Richter 2009–2023 – Letzte Gemälde
Richter überraschte das Publikum, indem er die Malerei für mehrere Jahre aufgab, um mit Glasarbeiten und digital generierten Streifenbildern zu experimentieren. Mit „Birkenau“, einer Werkgruppe, die von vier Fotografien aus einem nationalsozialistischen Vernichtungslager inspiriert ist, kehrte er zur Malerei zurück. Der letzte Raum präsentiert seine letzten meisterhaften abstrakten Leinwände.
Skulpturen und Arbeiten auf Papier
Skulpturen tauchen an zentralen Stellen der Ausstellung auf. Drei Räume sind Aquarellen, Zeichnungen und übermalten Fotografien gewidmet und bieten zwischendurch Abwechslung in den 1970er und 1990er Jahren. Gleichzeitig veranschaulichen sie die anhaltenden Anliegen des Künstlers, seit er 2017 mit der Malerei aufgehört hat.
Kuartiert von Dieter Schwarz und Nicholas Serota.
Quelle: Fondation Louis Vuitton, Paris
Bilder
- Gerhard Richter, Onkel Rudi, 1965, Öl auf Leinwand, 87 x 50 cm (Collection Lidice Memorial, Tschechische Republik)
- Gerhard Richter, Verkündigung nach Tizian, 1973, Öl auf Leinwand, 125 x 200 cm (Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Smithsonian Institution, Washington, DC, Joseph H. Hirshhorn Purchase Fund, 1994)
- Gerhard Richter, Kerze, 1982, Öl auf Leinwand, 90 x 95 cm (Collection de l'Institut d’art contemporain, Villeurbanne/Rhône-Alpes)
- Gerhard Richter, Apfelbäume, 1987, Öl auf Leinwand, 67 x 92 cm (Privatsammlung)
- Gerhard Richter, Gegenüberstellung 2, 1988, Öl auf Leinwand, 112 x 102 cm (The Museum of Modern Art, New York. The Sidney and Harriet Janis Collection, gift of Philip Johnson, and acquired through the Lillie P. Bliss Bequest (all by exchange); Enid A. Haupt Fund; Nina and Gordon Bunshaft Bequest Fund; and gift of Emily Rauh Pulitzer, 1995)
- Gerhard Richter, Lesende, 1994, Öl auf Leinwand, 72,4 x 101,9 cm (Collection SFMOMA. Purchase through the gifts of Mimi and Peter Haas and Helen and Charles Schwab, and the Accessions Committee Fund: Barbara and Gerson Bakar, Collectors Forum, Evelyn D. Haas, Elaine McKeon, Byron R. Meyer, Modern Art Council, Christine and Michael Murray, Nancy and Steven Oliver, Leanne B. Roberts, Madeleine H. Russell, Danielle and Brooks Walker, Jr., Phyllis C. Wattis, and Pat and Bill Wilson)
- Gerhard Richter, Cage (6), 2006, Öl auf Leinwand, 300 x 300 cm (Privatsammlung)
- Gerhard Richter, Birkenau, 2014, Öl auf Leinwand, je 260 x 200 cm (Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Leihgabe aus der Gerhard Richter Art Foundation)
