Das Freiburger Münster ist einer der wichtigsten gotischen Kirchenbauten im oberrheinisch-elsässischen Raum (Baden Württemberg ), vergleichbar mit dem Straßburger Münster, dem Prager Veitsdom und dem Wiener Stephansdom. Im Jahr 1513 wurden Hochchor und Hauptaltar geweiht und die Kirche nach mehr als 300 Jahren Bauzeit vollendet. Ziel der Ausstellung „Baustelle Gotik“ ist, gemeinsam mit dem Münsterbauverein die Baugeschichte des Münsters anschaulich darzustellen. Wertvollste Leihgaben sind die Entwürfe für den Turm der Bischofskirche aus Berlin, Nürnberg, München, Wien und Fribourg (CH), die zu dieser Ausstellung vielleicht zum letzten Mal direkt verglichen werden können.
Die Wiederentdeckung der Gotik1 nach deren Diffamierung durch italienische Architekturtheoretiker im 15. Jahrhundert war neben dem Nationalstolz auch dem Respekt vor den Ingenieursleistungen und den jahrhundertelangen Bauarbeiten geschuldet. Das Augustinermuseum in Freiburg im Breisgau (D) stellt in seiner Winterausstellung die Frage nach der Funktionsweise einer mittelalterlichen Baustelle.
Deutschland / Freiburg i.Br.: Augustinermuseum
30.11.2013 - 25.5.2014
Auf den Vorgängerbau des Münsters Unserer Lieben Frau kann nur durch Grabungsbefunde geschlossen werden, schriftliche Überlieferungen fehlen. Der Neubau des Münsters hing mit der Grablege der Herzöge von Zähringen zusammen: Um 1200 veranlasste Bertold V. den Neubau, der v.a. durch die Einkünfte der Silberminen im Schwarzwald finanziert wurde. Aus dieser Bauphase stammen die Vierung und das Querhaus sowie ein (abgerissener) Chor, die von zwei Türmen im Osten flankiert werden. Am Außenbau ist dieser romanische Bauteil noch deutlich an den rundbogigen Schmuckelementen und den Fenstern der beiden Hahnentürme zu sehen, während im Inneren bereits spitzbogige Arkaden gebaut wurden.
Nach dem Tod des ersten Bauherren Bertold V. im Jahr 1218 wandten sich die Baumeister vom inzwischen veralteten Vorbild des Baseler Münsters ab und dem „Konkurrenzbau“ Straßburger Münster und damit der Gotik zu. Sowohl das Langhaus Jahre als auch der viereckige, d.h. untere Teil des Westturm sind im gotischen Stil in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fertiggestellt worden. Die dendrochronologische Untersuchung ergab für das Holz des Glockenstuhls das Jahr 1291. Die Skulpturen der Vorhalle des Turms datieren aus den Jahren 1280/85. In den späten 1280er Jahren bzw. um 1300 erfolgte eine Planänderung für den Westturm, um den Helm durch ein Einbau von „Spornpfeilern“ bis ca. 1320/1330 achteckig abschließen zu können. Im Zuge dieser neuen ästhetischen Lösung wurden auch die beiden Hahnentürme Mitte des 14. Jahrhunderts mit neuen Obergeschossen und durchbrochenen Turmpyramiden aufgestockt.
Um das Jahr 1300 hatten bereits die Bürger von Freiburg den Bau ihres Münsters von den Grafen weitgehend übernommen. Grundsteinlegung für den Neubau des Chores war am 24. März 1354. Der erste nachweisbare Baumeister wurde am 8. Januar 1359 verpflichtet und hieß Johannes von Gmünd, vielleicht ein Bruder des Prager Dombaumeisters Peter Parler. Obwohl der Werkmeister auf Lebenszeit bestellt worden war, wurde der Weiterbau am Chor jedoch 1370/80 eingestellt, nachdem man die untere Hälfte des Kapellenkranzes sowie das Schöpfungsportal (N) und das Marienportal (S), Süd- und Ostwand der Sakristei, dazu die Schwibbögen der Zwischendecke fertiggestellt hatte. Als Gründe für das Einstellen des Bauvorhabens vermutet die Forschung das Freikaufen der Freiburger von ihren gräflichen Stadtherren für die riesige Summe von 15.000 Pfund Silber, das Stellen eines Truppenkontingents gegen die Schweizer Eidgenossen für die neue Schutzmacht Habsburg2, die riesigen Verluste unter der Freiburger Oberschicht bei der Niederlage der kaiserlich-habsburgischen Armee bei Sempach und schlussendlich das Schisma (1378).
Die einzige erhaltene Entwurfszeichnung für den Münsterchor belegt, dass die Arbeiten nach 1400, wenn auch in bescheidenen Maßen wieder aufgenommen wurden. Ein unbekannter Baumeister zeichnete den Grundriss für den Chor, um die Hochchorpfeiler errichten zu können und ihre endgültige Gestalt durchzudenken.
Knapp einhundert Jahre nach dem Baustopp 1370/80, im Oktober 1471, wurde mit Hans Niesenberger (um 1415/20–1493)3 neuerlich ein Baumeister verpflichtet. Die Universität war 1464 zum „Münsterpfarrer“ geworden und erwirkte Ablässe von Kardinälen und Papst Sixtus IV. Diese ließen Freiburger Familien und auch Maximilian I. erneut als Stifter auftreten. Der in Graz geborene Steinmetzmeister leitete ab 1471 die Fertigstellung des Hochchors von Nord nach Süd aus Baumaterial des romanischen Chors (incl. romanischer Steinmetzzeichen), der 1482 einen Dachstuhl erhielt. In den Gewölbeformen des Chores folgte Niesenberger jenem der ehemaligen Sakristei im Grazer Dom. 1491 wurde Niesenberger wegen „Fehlern am Bau“, dokumentiert in der sog. „Urfehde“, entlassen.
Der unbekannte Nachfolger wölbte den Chor mit parallel laufenden Rippen, führte das Strebewerk am Außenbau von 1491 bis 1510 aus, ließ den Hochchor verglasen (1494 und 1512), sodass am 5. Dezember 1513 derselbe geweiht werden konnte. Von 1505 bis 1536 wurden erst die 13 Kapellen vom Kapellenkranz fertiggestellt, die nach ihren jeweiligen Stiftern benannt sind. Erst 1597 wurde der Schlussstein der Schatzkammer im Sakristei-Obergeschoss datiert. Diese Jahreszahl gilt als das Fertigstellungdatum des Kirchenbaus.
Nachdem die Baustoffe – im Fall des Freiburger Münsters v.a. Buntsandstein aus dem Schwarzwald – meist in der kalten Jahreszeit bei gefrorenen Böden an ihren Bestimmungsort gebracht worden waren, mussten sie bearbeitet und in luftige Höhen gehoben werden. Verschiedene Kranformen (Galgenkran, Haspel, Auslegerkran mit Laufrad) halfen, die Hebelwirkung bestmöglich auszunutzen. Für die Ausstellung in Freiburg wurde ein solcher Laufradkran nachgebaut und vor dem Augustinermuseum aufgestellt. Der Durchmesser des Tretrades von 4 Metern lässt erahnen, mit wieviel Geschicklichkeit sich der Windeknecht in ihm bewegen musste. Der Stein wurde mit einem Wolf oder einer Zange am Seil befestigt: Für den Wolf mussten die Steinmetze ein trapezförmiges Loch an der Oberseite des Seines schlagen, in das die beiden auseinanderführenden Zangen des Wolfes eingeführt wurden; für eine Zange waren zwei Löcher an den schmalen Seitenwänden nötig. In beiden Varianten wurden die Steine durch ihr Eigengewicht mit den Werkzeugen verbunden und konnten erst gelöst werden, wenn das Seil nicht mehr gespannt war.
Zu den schwierigsten Aufgaben der gotischen Baumeister gehörte das Einwölben der Bauteile mit Netzrippen. Dieser Bauabschnitt erfolgte bereits nachdem der Dachstuhl errichtet worden war, um die Außenwände zu stabilisieren und die Arbeiter vor der Witterung zu schützen. Für den Bau der Wölbung benötigte man ein Lehrgerüst und eine Lehrschalung, d.h. die Konstruktion des Gewölbes musste in Originalgröße aus Holz vor Ort ausgeführt werden, damit auf ihr die Steine versetzt, vermauert und mit Eisenstreben auch noch abgesichert werden konnten. Die Konstrukteure ließen zuerst den Schlussstein setzen, dann die Kreuzrippen und die Scheidbögen mauern. Zum Schluss erfolgte das Füllen der Gewölbekappen über einer kompletten Lehrschalung. Die kleinteiligen Gewölbe der Spätgotik – wie auch die des Chores und der Chorkapellen in Freiburg – konnten bereits freihändig ausgemauert werden, da jede Kappe eine leichte Krümmung bekam und sich so selbst trug.
Der einzige erhaltene, mittelalterliche Grundriss des Freiburger Münsters befindet sich heute in der Plansammlung der Wiener Dombauhütte. Er wurde auf die Rückseite eines Pergamentplans aus der Prager Dombauhütte gezeichnet, welche auf der Vorderseite einen Querschnitt durch den Prager Domchor (um 1370) und den Grundriss einer Westfassade zeigt. Da der erste namentlich bekannte Baumeister am Freiburger Münster, Johannes von Gmünd, aus der Familie Parler stammte, könnte dieser Querschnitt möglicherweise durch ihn nach Freiburg gelangt sein.
Die fünf Planzeichnungen zum Turm des Münsters zeigen ihn zu Gänze, wobei sie zum Teil beträchtlich vom gebauten Zustand abweichen: der doppelseitige Nürnberger Riss, um 1280, im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg; Erster Wiener Riss, um 1280, in der Akademie der bildenden Künste, Wien; Zweiter Wiener Riss, um 1490, in der Akademie der bildenden Künste, Wien; ein Fragment in Stuttgart; Rahnscher Riss, um 1290, im Staatsarchiv Fribourg/CH; Berliner Riss, 1507 datiert, in den Staatlichen Museen zu Berlin. Forscher rund um Johann Josef Böker haben sich jüngst anhand des Nürnberger Risses für eine Autorschaft von Erwin von Steinbach (1277–1318), dem Baumeister des Straßburger Münsters, ausgesprochen. Der Plan zeigt nämlich weitere zum Teil unausgeführte Projekte dieses berühmten Baumeister-Architekten. Der äußerst fein gezeichnete Erste Wiener Riss könnte im Original einen Zustand vor dem Nürnberger Riss dokumentieren, während der Riss aus Fribourg beiden nachfolgt. Der zweite Wiener Riss zeigt das gebaute Monument in seiner umgesetzten Form. Am Berliner Riss fehlen sämtliche Skulpturen, was darauf zurückzuführen ist, dass er wohl einen älteren Plan kopiert. Wenn auch unter dem gesamten erhaltenen Planmaterial wohl nur der Nürnberger Riss aus der Zeit stammen dürfte, so zeigen doch die späteren Kopien deutlich auf, mit welchen Problemen sich der Baumeister bei der Planänderung um 1291 herumzuschlagen hatte.
Zu den repräsentativsten Schmuckelementen der gotischen Kathedralen zählen die Glasmalereien. Die ersten Chorfenster im Freiburger Münster wurden 1494 angefertigt, nach 1510 wurden weitere Stiftungen ausgeführt. Kaiser Maximilian I. ließ zwölf Heilige aus seiner Sipp-, Mag- und Schwägerschaft nach der Genealogie von Jakob Mennel ausführen.
Einem weiteren wichtigen Freiburger wurden 1528 die Fenster der Stürzel-Kapelle gewidmet: dem wohlhabenden Rechtsgelehrten und Hofkanzler Konrad Stürzel von Buchheim (1437–1509). Niemand geringerer als Hans Baldung Grien wurde beauftragt, die Familie des bereits Verstorbenen in ewiger Anbetung vor der Epiphanie und begleitet vom hl. Nikolaus zu entwerfen. Der Glasmaler Hans von Ropstein setzte sie in Freiburg um, gemeinsam mit den anderen Scheiben aus dem Freiburger Chor gelten sie nach Rüdiger Becksmann als „unübertroffene Höhepunkte der monumentalen Glasmalerei dieser Zeit im deutschsprachigen Raum“4.
In der Spätgotik (15. Jahrhundert) wurden viele Schmuckformen entwickelt, die die streng geometrischen Formvorstellungen der früheren Jahrhunderte auf möglichst komplexe und dreidimensionale Weise sprengten. Eine solche ist die Kielbogenreihe am Strebepfeiler der Chorsüdseite (um 1480–1490), in der der „Eselsrücken“ zum Einsatz kam. Darunter versteht man einen Spitzbogen, der wie ein Eselsrücken, d.h. konkav-konvex, geformt ist. Zudem werden Naturmotive – Eichblatt, Laubwerk, Weinstöcke – in realistischer und abstrahierter Weise auf architektonische Elemente übertragen. Dämonen fungierten als Wasserspeier an den Dachkanten der Kathedralen, und sollten, einer alten Tradition entsprechend, nicht nur das Wasser von den Mauern fern, sondern auch jegliches Unheil vom Bau abhalten.
Dass eine Ausstellung wie diese nur in Kombination mit einer Kirchenführung konsumiert werden sollte, liegt auf der Hand und wird vom Museum auch angeboten. Auch die Münsterbauhütte öffnet für Aktionstage und Sonderführungen ihre Tore.
Tapisserien, Reliquiare, Altäre sind weitere wichtige Ausstattungsstücke des Münsters, von denen jedoch nur wenige gezeigt und im Katalog erklärt werden. Da der Katalog und die Ausstellung auf die technologischen, finanziellen und sozialen Bedingungen auf der Baustelle eingehen, lässt sich bei einem anschließenden Besuch der Dauerausstellung des Augustinermuseums noch durch die wichtige Kult- und Kunstwerke aus dem Münster ergänzen. Das Projekt führt schön vor Augen, welche kulturhistorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit dem 13. Jahrhundert herrschen mussten, um einen Bau wie das Freiburger Münster hervorzubringen. Welche und wie viele Arbeiten die Dombauhütte seit der Fertigstellung im späten 16. Jahrhundert permanent durchführt, wird ebenso nachvollziehbar dargestellt. In Summe eine gute Einführung v.a. in die Bautechnologie und das „Drumherum“, auf das beim Kunstgenuss gerne vergessen wird.
Peter Kalchthaler, Guido Linke, Mirja Straub (Hg.)
Michael Imhof Verlag 2013
Die Wiederentdeckung der Gotik5 nach deren Diffamierung durch italienische Architekturtheoretiker im 15. Jahrhundert war neben dem Nationalstolz auch dem Respekt vor den Ingenieursleistungen und den jahrhundertelangen Bauarbeiten geschuldet. Auch heute noch beeindrucken die gotischen Kathedralen durch die enorm hohen Räume, die feingliedrigen Stützelemente und ihre buntfarbigen Glasfenster. Mit Fragen nach der Technologie, mit Hilfe derer solche gewaltigen Leistungen über hunderte von Jahren umgesetzt werden konnten, beschäftigt sich die Ausstellung in Freiburg. Dazu kommen noch der internationale Ideenaustausch, die Organisationsstruktur einer Bauhütte, die Finanzierung des Baues und seine Funktion als Treffpunkt von Gläubigen und Angehörigen der Universität. Durch die mannigfaltigen Zugänge wird nicht nur das Münster von Freiburg als vielschichtiges Konstrukt unterschiedlichster Interessenten aufgeschlüsselt, sondern viel Allgemeines über Baukunst in der Gotik vermittelt.
Im didaktisch gut aufgebauten Katalog folgt auf die Baugeschichte des Freiburger Münsters, eine Einführung in mittelalterliche Bautechnologie. Hilfsmittel wie Technologien werden anhand von Zeichnungen und Abbildungen z.B. der mittelalterlichen Werkzeuge anschaulich dargestellt. Der Vergleich zwischen den Chorbauten von Prag, Freiburg und Wien, Skizzen- und Musterbücher von Baumeistern, ihre berühmten Schauzeichnungen führen weiter in stilgeschichtliche Fragestellungen nach künstlerischer Herkunft, überregionalen Einflüssen oder gar Neuprägungen. Die Finanzierung des Baues wird in der Folge genauso thematisiert wie seine Funktion als Grablege und Ort der Musik, als Universitätspfarrei und Bischofskirche. Renaissance, Barock und Neugotik des 19. Jahrhunderts haben zwar wenige Spuren am Freiburger Münster hinterlassen, werden jedoch genauso berücksichtigt. Einzig der Skulpturenschmuck am und im Münster hätte noch ausführlicher behandelt werden könne. Offensichtlich haben sich die Kuratoren hier zugunsten der Mannigfaltigkeit der Objekte und der Überschaubarkeit der Publikation zurückgehalten. In Summe handelt es sich bei diesem Ausstellungskatalog um eine Einführung in das mittelalterliche Baugeschäft, wobei die Baugeschichte des Münsters zentrales Vermittlungsanliegen ist, ergänzt durch soziale und funktionale Gesichtspunkte eines spätmittelalterlichen Kirchenbaus.