Sir Edward Burne-Jones (1833–1898) ist im Umfeld der Präraffaeliten einzuordnen (→ Präraffaeliten. Eine Avantgarde-Bewegung?), entwickelte sein Werk jedoch in Isolation. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde er auf der Pariser Weltausstellung von 1889 zur Schlüsselfigur des aufkommenden Symbolismus. Das ästhetische Ideal von Burne-Jones liegt jenseits der realen, modernen Welt. Der späte Romantiker träumte sich in mittelalterliche Epen voller Ritter, Helden und Jungfrauen. Viele seiner Bildfindungen basieren auf Mythen, Legenden und der Bibel. Da er sich nicht nur mit Ölfarben ausdrückte, sondern in einer Vielzahl an Medien – darunter Tapisserien, Glasfenster, Gemälde – ausdrückte, wurde er zu einem radikalen Multimedia-Künstler. Über allem stand der feste Glaube an die Erlöserkraft der Kunst!
Großbritannien / London: Tate Britain Exhibition
24.10.2018 – 24.2.2019
Auch heute noch zählt Burne-Jones mit seinen verträumten Mädchen und muskulösen Helden in melancholisch-romantischen Landschaften zu den beliebtesten Malern der britischen Kunst. Er beeinflusste Generationen von Künstlern, darunter Pablo Picasso. Anlässlich der 120. Wiederkehr seines Todestages zeigt die Tate Britain eine umfassende Schau und vereint erstmals die Zyklen zu Briar Rose und Perseus.
Die Tate Britain zeigt in der kommenden Ausstellung erstmals den Briar Rose- und den Perseus-Zyklus – zwei der populärsten Erfindungen Burne-Jones‘ – in zwei aufeinanderfolgenden Räumen. Obwohl Edward Burne-Jones seine Auftraggeber dazu animierte, einen Teil ihrer Häuser umzubauen, vollendete er den Perseus-Zyklus nie. Im Gegensatz zu den Malern des Impressionismus brauchte Burne-Jones Jahre, um seine Werke im Atelier auszuführen.
Der Briar Rose-Zyklus (1885–1890) umfasst vier Gemälde, jedes nahezu drei Meter lang: „The Briar Wood [Der Prinz betritt den Dornenwald]“, „The Council Chamber [Das Ratszimmer]“, „The Garden Court [Der schlafende Hofstaat]“ and „The Rose Bower [Das schlafende Dornröschen]“. Das erste Bild, „The Briar Wood“, zeigt den Prinzen, der den Dornenwald betritt und schlafende Soldaten entdeckt, gefolgt vom schlafenden König mit seinem Rat, schlafenden Weberinnen im Garten und dem schlafenden Schneewittchen mit seinem Gefolge. Zehn schmale Paneele verbinden die Gemälde in der Wandvertäfelung mit dem Salon. Edward Brune-Jones verwendete seine eigene Tochter Margaret als Modell für Schneewittchen. Noch heute befinden sich die monumentalen Werke in jenem Haus, für die sie Alexander Henderson, späterer Lord Faringdon, 1890 kaufte – Buscot Park in Oxfordshire.
Als der Briar Rose-Zyklus in der Agnews Gallery in London 1890 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, kamen Tausende um das Werk zu bestaunen. Übertroffen sogar noch als der Gemäldezyklus für freien Eintritt in der Toynbee Hall im East End gezeigt wurde. Edward Burne-Jones widmete sich einer fantastischen Welt und hatte damit großen Einfluss auf Literatur- und Filmgeschichte. So kann man J. R. R. Tolkien im „Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ als „reine Burne-Jones“ bezeichnen, wie es Kuratorin Alison Smith von der Tate Britain jüngst tat.
Der Perseus-Zyklus (1875–1898) basiert auf einer Reihe von griechischen Mythen und erzählt grosso modo die heroische Geschichte eines irrenden Ritters und des Triumphs von Gut über Böse. Perseus, der Sohn des Zeus, soll die Gorgo Medusa töten und die schöne Andromeda befreien. Schon seit der Renaissance wurde diese Geschichte von Tizian, Peter Paul Rubens und Eugène Delacroix als Bildmotiv umgesetzt. Burne-Jones bezog sich in seinen Bildern auf William Morris‘ Versepos „The Earthly Paradise. The Doom of King Acrisius”.
Der aus zehn Gemälden bestehende Zyklus war für den britischen Staatsmann und Kunstmäzen Arthur Balfour (1848–1930) bestimmt. Dieser musste für das Werk von Edward Brune-Jones im Gesellschaftszimmer seines Londoner Hauses in Carlton Gardens 4 Fenster farbig verglasen und Türen versetzen lassen, um den Raum für den Gemäldezyklus vorzubereiten. 1875/76 legte Burne-Jones drei farbige Entwürfe vor. Darin plante der Maler die sechs Gemälde mit vier Flachreliefs zu kombinieren. Im nächsten Schritt führte Burne-Jones zehn großformatige Farbstudien aus (1876–1885), die seit 1934 in der Southampton City Art Gallery verwahrt werden. Der Maler arbeitete zehn Jahre an der Serie ohne sie vor seinem Tod 1898 zu vollenden.
Zur Vorbereitung fertigte Burne-Jones ein 1:1-Modell des Monsters aus Wachs an, das sogar fotografiert wurde. Schlussendlich stellte Burne-Jones nur vier der zehn Bilder fertig. Die Kartons befinden sich in der Southampton City Art Gallery und die ausgeführten Bilder seit 1971 in der Staatsgalerie Stuttgart.
Viele Arbeiten der Schau entstanden für Edward Brune-Jones‘ engen Freund und Vertrauten William Morris, seines Zeichens Sozialreformer der ersten Stunde (→ Britische Aesthetic movement und Arts and Crafts-Bewegung). Morris erhielt Glasfenster und Tapisserien, während Familienmitglieder mit Porträts bedacht wurden und für Burne-Jones Modell stehen mussten. Die Porträts von Burne-Jones heben sich deutlich von den modischen Gesellschaftsporträts ihrer Zeit ab (vgl. John Singer Sargent). Die idealisierten Gesichter sind mit einer kargen Komposition und reduzierte Farbpalette in kontrastreiche Szene gesetzt.
Der Werdegang von Edward Burne-Jones war außergewöhnlich: Er entschied sich bewusst Künstler werden zu wollen, noch bevor er genau wusste, wie er einer werden sollte. Daraufhin brach er sein Theologiestudium an der Oxford Universität ab und wurde ein Lehrling des Präraffaeliten und Dichters Gabriel Rossetti. Die Anfänge von Edward Burne-Jones liegen in der Kirchenausstattung. Glasfenster aber auch Altargemälde in der Schau – „Der gute Hirte“ (1857–1861) und „Die Anbetung der Könige“ (1861) für die Kirche St. Paul in Brighton – dokumentieren die religiöse Kunst Burne-Jones‘. Dessen Auseinandersetzung mit der Kunst der frühen Renaissance in Italien ist besonders gut in den subtilen Zeichnungen des Avantgardisten zu sehen.
Wenn ihn auch anfangs die prestigeträchtige Society of Painters in Watercolour, der Aquarellistenclub, aufnahm, so wurde er wenig später aufgrund seiner Arbeit mit Gouache wieder hinauskomplimentiert. Im Jahr 1870 löste Edward Burne-Jones mit der Darstellung eines Männeraktes in „Phyllis und Demophon“ einen Skandal aus. Anstelle den Akt „respektabel” zu machen, indem er eine Draperie über dessen Geschlecht malte, verließ Burne-Jones die Society und schloss sich den Präraffaeliten und seinem Freund Morris näher an.
Im Umfeld von William Morris nahm Edward Burne-Jones eine wichtige Stellung im Kunstgewerbe ein. Die Schönheit der Entwürfe und die hochqualitativen Ausführungen sollte die Kunst der Sozialreformer einem breiteren Publikum zugänglich machen. Das Graham Klavier (1879/80) zeigt außen wie innen Szenen aus der Geschichte von Orpheus und Eurydice.