Grace Hartigan: US Malerin des Abstrakten Expressionismus & Figuration | AiW

Grace Hartigan

Wer war Grace Hartigan?

Grace Hartigan (Newark 28.3.1922–15.11.2008 Baltimore) war eine US-amerikanische Malerin des Abstrakten Expressionismus (→ Abstrakter Expressionismus | Informel) und ein bedeutendes Mitglied der New York School der 1950er und 1960er Jahre. Zu ihren künstlerischen Freund:innen und Weggenoss:innen gehörten Jackson Pollock, Larry Rivers, Helen Frankenthaler, Willem und Elaine de Kooning sowie Frank O'Hara. Als Direktorin der Hoffberger School of Painting des Maryland Institute College of Art beeinflusste Hartigan zahlreiche junge Künstler:innen.

„I have found my ‚subject,‘ it concerns that which is vulgar and vital in American modern life, and the possibilities of its transcendence into the beautiful. I do not wish to describe my subject matter; or reflect upon it – I want to destill it untill I have its essence. Then the rawness must be resolved into form and unity; without the ‚rage for order‘ how can there be art?“ (Grace Hartigan, in: Twelve Americans, 1956)

Kindheit

Grace Hartigan wurde am 28. März 1922 in Newark, New Jersey (USA), als ältestes von vier Kindern von Mathew A. Hartigan und Grace Orvis Hartigan geboren. Ihr Vater stammte von irischen Einwanderern ab und arbeitete als Buchhalter. Im Folgejahr übersiedelte die Familie nach Bayonne, New Jersey.

Im Alter von fünf/sechs Jahren musste Grace Hartigan für mehr als ein Jahr das Bett hüten, da sie an einer Lungenentzündung erkrankt war. In dieser Zeit lehrte sie sich selbst Schreiben und Zeichnen. Um ihre Fantasie anzuregen, sangen ihr Vater und ihre Großmutter oft Lieder und erzählten ihr Geschichten. Hartigans Mutter lehnte dies jedoch ab.

Ausbildung

Ab 1929 lebte Grace Hartigan in Millburn, New Jersey, wo sie 1940 den Abschluss an der Millburn High School machte. Ein Jahr später heiratete sie Robert Jachens. Ein geplanter Umzug nach Alaska nach dem Besuch des Films „Call oft he Wild“, wo das junge Paar als Pioniere leben wollte, endete in Kalifornien, wo Hartigan mit der Ermutigung ihres Mannes zu malen begann. In Los Angeles nahm Grace Hartigan erste Zeichenstunden und am 27. Februar 1942 kam dort auch ihr Sohn Jeffrey zur Welt.

Nachdem ihr Mann 1942 eingezogen worden war, kehrte Hartigan mit dem Baby nach New Jersey zurück, um am Newark College of Engineering Technisches Zeichnen zu studieren (Abendkurs).1 Sie arbeitete auch als Zeichnerin in einer Flugzeugfabrik, um sich und ihren Sohn zu ernähren. Als ein Arbeitskollege ihre in der Freizeit entstandenen Aquarelle sah, zeigte er ihr ein Buch über Henri Matisse – Hartigans erste Begegnung mit moderner Kunst. Daraufhin studierte sie Malerei bei Isaac Lane Muse. Durch ihn lernte sie Kimon Nicolaïdes „The Natural Way to Draw“ (1941) kennen, das ihre spätere Arbeit als Malerin beeinflusste.2 Gleichzeitig begann sich Grace Hartigan für Aquarellmalerei zu interessieren.

„Ich habe mich nicht für die Malerei entschieden. Es hat mich gewählt. Ich hatte kein Talent. Ich war einfach genial.“3 (Hartigan sagte über ihren Ausflug in die Malerei)

Hartigan und die New York School

Im Jahr 1945 zog Grace Hartigan mit ihrem Sohn und Muse nach New York City. Dort traf sie die Maler Milton Avery, Adolph Gottlieb und Mark Rothko beim Aktzeichnen, das Muse organisierte. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, pendelte Hartigan nach White Plains, New York, wo sie als Zeichnerin arbeitete. Vor allem Averys Zeichentechnik begeisterte die junge Künstlerin. Von seiner Art figurative Kunst mit einem modernen Stil zu verbinden, lernte Grace Hartigan in den frühen 1950er Jahren viel.

Ende Januar 1948 sah Grace Hartigan die Ausstellung von Jackson Pollocks monumentale Drip Paintings von 1947 bei Betty Parsons Gallery, New York. Die wichtigsten Werke der Schau waren: „Cathedral“ (Dallas Museum of Fine Arts), „Full Fathom Five“ (MoMA) und „Lucifer“ (Privat). Die junge Künstlerin war durch dieses Erlebnis tief beeindruckt. Da Muse das Werk von Pollock nicht schätzte und von ihr verlangte, nicht abstrakt zu malen, verließ ihn Hartigan und mietete sich ein kleines Atelier in der 13th Street in der Nähe des East River. Im Mai des Jahres verbrachte sie eine ganze Woche mit Pollock und dessen Ehefrau Lee Krasner in dessen Atelier in Spings auf Long Island. Auch wenn der schweigsame Maler nicht über seine Kunst reden wollte, so konnte Grace Hartigan doch die Gemälde in der Scheune lange betrachten. Sie erkannte:

„I knew the paintings and the person who painted them were one-and-the-same. Painting war nor an activity bis a total life. And you would do anything to keep painting, even if you starved. You were the paintings and the paintings were you.“4

Künstlerisch beeinflusste Pollock Hartigan in vielerlei Hinsicht. Sie übernahm für ein Jahrzehnt sein Arbeiten im Großformat, die All-over-Komposition, die projizierte Maloberfläche und den Willen, den kreativen Prozess zur Aussage des Bildes zu machen. Als sie Pollock fragte, wer seiner Meinung nach sonst noch gute Kunst machen würde, nannte er nur sich selbst und Willem de Kooning. Grace Hartigan traf de Kooning, mit dem sie eine lange Freundschaft verband. In dessen Atelier sah sie die schwarz-weißen Gemälde seiner ersten Ausstellung in der Egan Gallery, gefolgt von Studien zu „Attic“ und „Excavation“. Interessanterweise empfahl der der Malerin Alter Meister zu studieren, allen voran Peter Paul Rubens und Eugène Delacroix. Wie de Kooning sollte auch Hartigan eine Unterscheidung zwischen figurativer und abstrakter Malerei ablehnen.

Nachdem sie sich bereits 1947 von ihrem ersten Ehemann scheiden hat lassen, heiratete Grace Hartigan im März 1949 den Künstler Harry Jackson (Shapiro) im Haus von Pollock und Lee Krasner – diese Ehe wurde 1950 annulliert. Das Paar lebte in San Miguel de Allende, Mexiko. Sie interessierte sich für mexikanische Volkskunst und sah David Alfaro Siqueiros ein Wandgemälde ausführen. In Mexiko hatte Grace Hartigan erstmals die Möglichkeit, sich Vollzeit der Malerei zu widmen, weshalb ihre frühesten Werke aus diesem Jahr datieren. Sie erinnern an surrealistische Aquarelle von Mark Rothko, aber auch an biomorphe Formen in Werken von Arshile Gorky und Joan Miró.

Schaufenster und Auslagen sind ein wiederkehrendes Thema in Grace Hartigans Werk. Sie begann 1949 die Serie „Brides“, als sie ein Atelier in der 25 Essex St in Lower Manhattan mietete. Inspiriert von den Schaufenstern zahlreicher Brautmodengeschäfte in der Nähe der Grand Street, malte Hartigan Gruppen von Schaufensterpuppen in Brautkleidern. „Grand Street Brides“ von 1954 basiert auf Francisco de Goyas Gruppenporträt von „Karl IV. von Spanien und seiner Familie“ (1800). Mit dem Gemälde konnte Grace Hartigan die Aufmerksamkeit von Kritikern und Sammlern auf sich ziehen.

Mit ihre Künstlerkolleginnen und -kollegen Helen Frankenthaler, Franz KlineJoan Mitchell und dem Autor Frank O'Hara wurde Hartigan ein aktives Mitglied der New York School of Artists and Painters, die in den 1940er und 1950er Jahren in New York City entstand. Sie begann 1950 Bilder im Stil des Abstrakten Expressionismus zu malen und teilte sich ein Atelier mit Alfred Leslie an der Ecke Essex und Hester Street in New York. Die farbenfrohe Nachbarschaft in der Lower East Side bot Hartigan fand im folgenden Jahrzehnt Eingang in die Bildwelt Hartigans. Ihren Durchbruch feierte die Malerin 1950, als sie von Clement Greenberg und Meyer Schapiro zur Ausstellung „New Talent“ in der Koontz Gallery in New York eingeladen wurde.5 Ihre erste Einzelausstellung folgte ab 16. Januar 1951 in der Tibor de Nagy Gallery, organisiert von John Bernard Myers. Damit etablierte sich dieser Galerie als Ort der jüngeren Generation der Abstrakten Expressionist:innen. In der „Ninth Street Show“ im Frühjahr war Grace Hartigan genauso vertreten, wie sie im Winter des Jahres die Matisse Ausstellung im Museum of Modern Art besuchte. Auf ihrer zweiten Einzelausstellung in der Tobos de Nagy Gallery stellte Hartigan zum letzten Mal abstrakte Bilder aus (ab 25. März 1952).

Oranges

Nach ihrer zweiten Einzelausstellung in New York wandte sich Grace Hartigan freien Studien nach Werken der Alten Meister zu, was zum Bruch mit Clement Greenberg führte. Im April 1952 besuchte Hartigan die Ausstellung zu Paul Cézanne im Metropolitan Museum of Art. Ab November 1952 arbeitete sie mit ihrem engen Freund, dem Dichter Frank O'Hara, an einer Serie von zwölf Gemälden mit dem Titel „Oranges“, die auf O'Haras gleichnamiger Gedichtserie basiert. Die Gemälde integrieren einen Teil des Textes der Gedichte und wurden während ihrer dritten Einzelausstellung in der Galerie Tibor de Nagy ausgestellt (31. März 1953). Am 18. April 1953 erwarben Alfred H. Barr Jr. und Dorothy Miller – mit Hilfe eines Gönners – das Gemälde „The Persian Jacket“ (1952) für die Sammlung des Museum of Modern Art. Grace Hartigan war die erste Künstlerin der zweiten Generation Abstrakter Expressionist:innen, die ein Werk an ein Museum verkaufen konnte.

Im Februar 1954 hatte Grace Hartigan eine ausverkaufte Ausstellung in der Tibor de Nagy Gallery. Der Sammler Alexander Bing erwarb das Gemälde „River Bathers“ (1953) für 1.000 Dollar und schenkte es dem Museum of Modern Art. Das Whitney Museum erwarb „Greek Girl“. Der Erfolg der Malerin war überschattet vom Umzug ihres Sohnes nach Kalifornien, der sich entschlossen hatte, bei seinem wiederverheirateten Vater zu leben.
Im März 1954 malte Grace Hartigan eines ihrer bekanntesten Bilder: „Grand Street Brides“. Darin führte sie ihr Interesse an den Werken der Kunstgeschichte und der Popkultur zu einem Höhepunkt. Weiters thematisierte sie die Beziehung zwischen Abstrakter Kunst und figurativer Malerei. Die sich in dieser Phase verstärkende Freundschaft mit dem Schriftstellerpaar May und Harold Rosenberg sowie Walter Silber sollte in den folgenden Jahrzehnten der Malerin Zugang zu vielen Fotografien ermöglichen, die sie als Quellen ihrer Bilder nutzte. Das neu gewonnene Vertrauten zeigt sich im Sommer 1954, als Grace Hartigan ihren weiblichen Vornamen – anstelle des bis zu diesem Zeitpunkt verwendeten Namen „George“ – wählte. Ihre nunmehr gestiegene Bedeutung ist auch an ihrer Beteiligung an der Ausstellung „Paintings from the Museum Collection“ im Museum of Modern Art (Oktober) deutlich abzulesen gewesen. Auch der wirtschaftliche Erfolg konnte sich sehen lassen: Grace Hartigan erzielte 1954 mit ihren Werken 5.500 Dollar.6

Dorothy C. Miller, Kuratorin am MoMA, wählte Hartigans Gemälde für die Ausstellung „12 Americans“ aus; damit zollte das berühmte Museum der jüngeren Generation der New York School Anerkennung. Der ebenfalls in der Schau gezeigte Philip Guston wurde ein guter Freund der Malerin. Im Juni 1956 malte Grace Hartigan „City Life“, in dem sie auf die Energie und Schmutz des Stadtlebens verarbeitete. Ein Jahr später hielt sich Hartigan während des Sommers in Long Island auf. Inspiriert von Natur und Landschaft begann sie die „Place“-Serie. Anschließend wurde sie 1957 im „Life-Magazin“ und 1959 in „Newsweek“ vorgestellt. Das „Life Magazine“ bezeichnete Hartigan als „die berühmteste der jungen amerikanischen Malerinnen“.7

Die prestigeträchtige Gruppenausstellung „The New American Painting“ präsentierte auch Gemälde von Grace Hartigan. Die Schau tourte in den Jahren 1958 bis 1959 durch ganz Europa: Basel, Mailand, Madrid, Berlin, Amsterdam, Brüssel, Paris und London. Hartigan erhielt wohlwollende Berichterstattung in der Presse, auch da sie zu diesem Zeitpunkt eine der wenigen Malerinnen war. Im September 1958 reiste die Künstlerin zum ersten Mal nach Europa. Sie fühlte sich besonders Irland verbunden, woher ihr Vater stammte. Die Reise verarbeitete Grace Hartigan in ihren ersten „Euroean Place“-Gemälden. Im Winter heiratete Hartigan den Besitzer der Long Island Galerie Robert Keene (Scheidung 1960). Ihre Hochzeitsreise führte das Paar nach Saint Croix (1959). 1959 war sie Teilnehmerin der „documenta 2“ in Kassel in der Abteilung Malerei.

Baltimore

Am 24. Dezember 1960 heiratete Grace Hartigan Dr. Winston Price, der eine Forschungsprofessur an der Johns Hopkins University innehatte, und zog nach Roland Park, einen Vorort von Baltimore. Ihr Atelier lag in der Calvert Street zwischen verlassenen Gebäuden am Ufer. Das Straßenleben, das bisher ihr Werk beeinflusst hat, gibt es an diesem Ort nicht. Kurz assoziierte sich Hartigan mit der Gres Gallery in Washington D.C. Ihre Werke wurden international im Rahmen des Government’s Art Project in den Botschaften gezeigt. Die Künstlerin hatte allerdings zwei Jahre lang keine Einzelausstellung in New York.

Ab 1962 schuf Grace Hartigan Aquarell-Collagen. Hartigans Arbeit verlagerte sich in dieser Zeit auf transparentere Gemälde und Aquarellcollagen, darunter „Phoenix“, „William of Oranien“ und „Lily Pond“ (alle 1962). Die Künstlerin selbst erklärte diese Veränderung:

„Ich habe das Stöhnen und die Angst hinter mir gelassen. Der Schrei ist zu einem Lied geworden.“8

Die Martha Jackson Gallery in New York widmete Grace Hartigan eine Ausstellung mit lyrischen und expressiven Werken (ab 23.10.1962), darunter ein Porträt von Marilyn Monroe. Hartigan arbeitete anhand mehrerer Fotografien und fand, dass ihr fragmentiertes, halbabstraktes Bild Monroe ehrlicher darstellte als ihr glamouröses, öffentliches Image. Hartigans malerischer, expressiver Umgang mit dem Bildnis unterscheidet sich von der unpersönlichen Art der Pop Art-Künstlern wie Andy Warhol deutlich. Die Kritiker schätzten die neuen Arbeiten nicht – angesichts der sich ankündigenden Farbfeld-Malerei, dem Minimalismus (→ Minimal Art | Minimalismus) und der Pop Art ein herber Rückschlag für die Künstlerin. Die Pop Art lehnte Grace Hartigan vehement ab. Die weitere Verschiebung in ihrer Arbeit hin zu einer angsterfüllteren Bildsprache zeigt sich auch in „The Hunted“ (1963), „Human Fragment“ (1963) und „Mistral“ (1964). Für die Malerin Hartigan war

„die Welt […] unruhig. Sowohl sozial und moralisch als auch kulturell schien Amerika plötzlich ein beängstigender und fremder Ort zu sein.“9

Im Jahr 1965 kehrte Grace Hartigan zu Themen der Populärkultur zurück, darunter das Gemälde „Reisterstown Mall“ (1965) und „Modern Cycle“ (1967). In den Gemälden zeigt die Malerin eine humorvoll ironische Recherche zur Kultur der amerikanischen Vorstädte, weiterhin vorgetreten mit ihrer ausdrucksstarken Handschrift. So kehrte sie 1965 mit „Reisterstown Mall“ zu ihrer lebenslangen Faszination für Schaufenster zurück. Es markiert den Beginn einer stärker figurativen Malerei, wobei Hartigan die Objekte in einer abstrakten, lebhaften, kreisförmigen Komposition schweben ließ. In „Modern Cycle“ (1967) fing sie die amerikanische Faszination und Verehrung von Maschinen ein. Damit überzeugte sie einmal mehr Harold Rosenberg und Saul Bellow, die an der University of Chicago eine Einzelausstellung ausrichteten (April 1967).

Mit der Serie „Anatomy Lesson“ erforschte Hartigan die Parallelen zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung (nie ausgestellt). Ein Jahr später, 1969, erkrankte Hartigans Ehemann schwer. Viele Gemälde der folgenden Dekade sind Metaphern für ihre sich verändernde Beziehung. Die Malerin bezog in diesem Jahr auch ihr Atelier in Baltimore’s Fells Point, dessen Nachbarschaft an die Lower East Side von New York erinnert.
„When the Raven was White“ (1969), Hartigans erstes Erinnerungsbild seit Frank O’Hara (1966), war ein Vorbote zukünftiger Gemälde der 1970er Jahre. Die Arbeit der Künstlerin wurde ab 1970 autobiografisch, symbolisch und von Erinnerungen durchzogen. Das Gemälde repräsentierte die Hoffnung inmitten dunkler Zeiten, dass es eine Zeit gab, bevor „der Rabe schwarz wurde“. Im selben Jahr entdeckte Hartigan die Malbücher für Kinder von Bellerophon Books, die sie als Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Gemälden nutzte. Das erste Werk in diesem Kontext ist „Dragons and Other Animals“ 81970). Das Bild „Black Velvet“ (1972) ist eine Hommage an ihren verstorbenen Vater und in einer neuen Maltechnik (staining) ausgeführt. Ein Jahr später wandte sich die Künstlerin auch vergangenen Hochkulturen und ihrer Kunst zu, darunter „Coloring Book of Ancient Egypt“ (1973), gefolgt von „I Remember Lascaux“ (1978) und „Twilight of the Gods“ (1978). Gleichzeitig durchlebte Grace Hartigan eine traumatische Zeit – Alkoholismus (bis Anfang der 1980er), Selbstmordversuch (1978) und den geistigen und körperlichen Niedergang ihres Mannes. Während dieses Jahrzehnts wurde Philip Guston Hartigans engster Künstlerfreund.

Neue Figuration

In den 1980er Jahren kehrte Hartigan zu einer figurativen Bildsprache zurück. Ab 1980 arbeitete sie an der Serie „Paper Doll“. Die Malerin erfand eine neue Maltechnik, indem sie schleierartig Farbschichten übereinanderlegte. Heilige, Märtyrer, Opernsänger und Königinnen waren Motive einiger dieser Gemälde des folgenden Jahrzehnts. Ausstellungen im Baltimore Museum of Art (1980), im Fort Wayne Museum of Art (1981). Am 1. Mai 1981 starb Price, was Grace Hartigan in einem überarbeiteten „Doll“-Gemälde verarbeitete. Ein Jahr später begann sich die Künstlerin von ihrer Alkoholkrankheit zu erholen. Dies ließ sie das lebensbejahende Werk „Eastern Avenue Florist“ schaffen. Die Aquarelle im Heiligen und Märtyrern 1983 signalisieren die Rückkehr zur expressiven figurativen Malerei, die Hartigan Mitte der 1950er Jahre entwickelt hatte. Nach einem Besuch einer Ausstellung zu Edouard Manet im Metropolitan Museum of Art wandte sich Hartigan der Serie „Great Queens and Empresses“ zu, in der sie mächtige und gefährdete Frauen der Geschichte erforschte.

Um das Problem, wie ältere Kunst mit modernen Ideen verbunden werden könnten, zu lösen, studierte Grace Hartigan 1984 Renaissance-Gemälde. Diese Beschäftigung kulminierte in „Visions of Heaven and Hell“ (1985). Ihre Bedeutung für die New Yorker Kunstszene um 1960 wurde in der Gruppenausstellung „Action / Precision: The New Direction in New York. 1955–60“ im Newport Harbor Art Museum, Kalifornien, sichtbar (Sommer 1984). Als Hartigan im Frühjahr 1988 Georges Seurats Monumentalgemälde „Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte“ im Art Institute of Chicago sah (→ Georges Seurat, Erfinder des Pointillismus), inspirierte sie das Werk, ihre Serie zu „American Places“ – Hartigan arbeitete bereits seit 1986 daran – im pointillistischen Stil zu überarbeiten. Im folgenden Jahr ergänzte sie die Serie um „New York Autumn“ und plante eine weitere Serie zu New York City (1989).

Lehre

Im Jahr 1967 wurde Grace Hartigan zur Direktorin der Hoffberger School of Painting am Maryland Institute College of Art ernannt, einem Graduiertenprogramm für Malerei, an dem sie bis zu ihrem Tod unterrichtete.

Ausstellungen

Hartigan hatte zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen, national und international. In den USA wurde sie insbesondere von den renommierten Galerien Tibor de Nagy und Martha Jackson in New York vertreten. Ihre Werke sind in wichtigen Museen und Sammlungen enthalten, darunter im Metropolitan Museum und Whitney Museum of American Art.

Ehen

Grace Hartigan war mehrfach verheiratet.

  • Robert Jachens:1941–1947
  • Harry Jackson: 1949–1950, Künstler
  • Robert Keene: 1958–1960, Galerist in Long Island
  • Dr. Winston Price: 1960–1981, Grace Hartigan traf 1959 den Arzt und Forscher der Johns Hopkins University. Price starb 1981 nach einem jahrzehntelangen geistigen und körperlichen Verfall. Der Arzt hatte sich selbst einen experimentellen Impfstoff gegen Enzephalitis injizierte, wodurch er an einer spinalen Meningitis erkrankte.

Enge Freundschaft mit Frank O'Hara. Sie hatten einen Streit und sprachen sechs Jahre lang nicht miteinander, kamen aber schließlich wieder zusammen und waren bis zu O'Haras Tod im Jahr 1966 Freunde. Philip Guston war der Künstler, dem Hartigan in den 1970er Jahren am nächsten stand.

Tod

Grace Hartigan starb am 15. November 2008 im Alter von 86 Jahren in Baltimore, Maryland, an Leberversagen.

Literatur zu Grace Hartigan

  • Mary Gabriel, Ninth Street Women: Lee Krasner, Elaine de Kooning, Grace Hartigan, Joan Mitchell, and Helen Frankenthaler: five painters and the movement that changed modern art, New York 2018.
  • The Journals of Grace Hartigan, hg. v. LaMoy, William und Joseph McCaffrey, Syracuse 2009.
  • Sharon L. Hirsh, Grace Hartigan: Painting Art History. The Trout Gallery, Dickinson College 2003.
  • American Abstract Expressionism of the 1950s An Illustrated Survey, New York 2003.
  • New York School Abstract Expressionists Artists Choice by Artists, New York School Press 2000.
  • Robert Staltonstall Mattison, Grace Hartigan a painter’s world, New York 1990.
  • documenta 1959. Kunst nach 1945. Katalog: Band 1: Malerei; Band 2: Skulptur; Band 3: Druckgrafik; Textband, Kassel/Köln 1959.
  1. Delia Gaze, Grace Hartigan, in: Dictionary of Women Artists. Chicago 1997, S. 644.
  2. Robert Saltonstall Mattison, Grace Hartigan: a painter's world, New York 1990, S. 11.
  3. William Grimes, Grace Hartigan, 86, Abstract Painter, Dies, in: The New York Times (18.11.2008).
  4. Zit. n. Ebenda, S. 12.
  5. Grace Hartigan. The Frances Lehman Loeb Art Center.
  6. Im gleichen Jahr verdiente Willem de Kooning 7.000 Dollar.
  7. William Grimes, Grace Hartigan, 86, Abstract Painter, Dies, in: The New York Times (18.11.2008).
  8. Mattison, S. 68.