Zum 100. Todestag von Gustav Klimt (1862–1918) können Besucherinnen und Besucher im Kunsthistorischen Museum dessen Dekorationen, die in einer Höhe von 12 Metern über der Eingangshalle in die Säulen- und Arkadenarchitektur des Stiegenhauses eingebettet sind, aus nächster Nähe betrachten. Dazu wird – wie bereits im Jahr 2012 – eine gewaltige 4 Tonnen schwere Brücke über das Stiegenhaus gespannt, die den Aufstieg zu dem prächtigen Bilderzyklus ermöglicht.
Österreich / Wien: Kunsthistorisches Museum
13.2. – 2.9.2018
Der von Gustav Klimt gemeinsam mit seinem Bruder Ernst Klimt und Franz Matsch geschaffene Zyklus entstand im Auftrag Kaiser Franz Josephs I. und stellt die bedeutenden Stilepochen der Kunst in Form von Allegorien dar. Viele Frühwerke von Gustav Klimt sind in den Theaterbauten in Fiume, Karlsbad, Bukarest sowie dem Wiener Burgtheater und dem Kunsthistorischen Museum noch in situ erhalten. Auch in der ehemaligen Residenz des rumänischen Königs in Sinaia wie im Schlafzimmer der Hermesvilla wurden die Brüder Klimt und ihr Studienkollege Franz Matsch, mit dem sie 1883 gemeinsam die Künstler-Compagnie gründeten, tätig. Die in den letzten Kriegstagen 1945 verbrannten Fakultätsbilder, führten mit ihrem geheimnisvoll-symbolistischen Allegorien der Fakultäten bereits in die Moderne. Höhepunkt der Phase zwischen Historismus und beginnendem Jugendstil ist die Ausstattung des Stiegenhauses des Kunsthistorischen Museums 1890/91.
Im Jahr 1881 wurde dem aus Salzburg stammenden Hans Makart (1840–1884) die ehrenvolle Aufgabe überantwortet, das Stiegenhaus des k.k. Hofmuseums (heute: Kunsthistorisches Museum) auszustatten. Bereits 1884 verstarb der Maler im Alter von 44 Jahren in Wien. Er hatte noch eine Ölskizze für das zentrale Deckengemälde – den „Sieg des Lichtes über die Finsternis“ – entworfen und die Lünetten mit Porträts der berühmtesten Künstler ausgeführt. Von den insgesamt 40 Zwickelbildern hatte der renommierte Ringstraßenmaler erst 16 Lünetten und einen Entwurf für das Deckengemälde hinterlassen. Der frühe Tod Makarts machte die ehrenvolle Aufgabe der Ausstattung des Stiegenhauses im Kunsthistorischen Museum vakant.
Auf Wunsch von Fürstin Hohenlohe, wie Franz Matsch in seiner Autobiografie erinnerte, hätte Michael Munkácy den Auftrag zur Ausführung des großformatigen Leinwandbildes mit dem „Sieg des Lichtes über die Finsternis“ erhalten. Daher wurde die Künstler-Compagnie mit der Gestaltung der 40 weniger dankbaren Zwickel- und Interkolumnienbilder im untersten Bereich des „Kunsthimmels“ übertragen. Sie sollten darin die Exponate, Artefakte und bedeutenden Kunstwerke aus allen Epochen der Kunst- und Kulturgeschichte malerisch umsetzen. Das Programm wurde von Albert Ilg, Direktor der kunstgewerblichen Sammlungen, ausgearbeitet.
„Bei der Durchführung des Programms wurde nun aber nicht etwa ein gemalter Lehrgang der chronologischen Entwicklung […] angestrebt, sondern bloß auf ganz freie künstlerische Weise Einzelnes, hauptsächlich Bezeichnendes, hervorgehoben, wie es den Künstler in seiner Art zu bedeutenden Gebilde anregen kann, die sich zugleich aber zu einem glänzenden Schmucke eines so reich gezierten Raumes eignen.“ (Albert Ilg)
Jeder der drei Maler widmete sich einer ganzen Wand, die vierte teilten sie untereinander paritätisch auf. In der kurzen Zeit von nur fünf Monaten (!) sollten die drei unter 30-jährigen Maler bis Juli 1890 den Auftrag abgeschlossen haben. Da die Bilder erst im April 1891 montiert wurden, darf davon ausgegangen werden, dass diese Zeitspanne für die mit Kasein/Öl/farben auf Leinwand ausgeführten Gemälde zu knapp bemessen gewesen war.
Gustav Klimt war für dreizehn Darstellungen an der West- und der Nordseite des Treppenhauses verantwortlich. Die Bedeutung dieser Gemälde erschließt sich aus der Hinwendung des Künstlers zur Flächigkeit und zum Ornamentieren, das die ab 1899 einsetzende Goldene Phase charakterisiert. Zum einen orientierte sich Klimt an Exponaten internationaler Sammlungen, die er neben die Allegorien verschiedener Kunstepochen platzierte, zum anderen entschied er sich - vor allem in der Figur der Nechbet - für die Schönlingkeit des Jugendstils. Vor allem der Vergleich mit den deutlich malerischen Werken seiner beiden Kollaboranten zeigt, wie sehr sich Matsch und Ernst Klimt stilistisch beispielsweise am flämischen Barock des späten Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck orientierten.
Interessanterweise wählten Gustav Klimt und seine Mitstreiter der Wiener Secession die Darstellungen der venezianischen Renaissance und der „Ecclesia“ sowie der ganz rechts außen befindlichen „Heiligen mit Cherubim“ sowie „Engel mit Dantebüste“ 1898 aus und reproduzierten sie (ohne Säulen) auf der Doppelsete 14/15 im „VER SACRUM“. Dies wird gewertet als Bewusstsein Klimts für die Bedeutung dieser Dekorationsgemälde für die Entwicklung seines Stils von der akademischen Malerei des Historismus zur Flächigkeit des Jugendstils.
Gleichzeitig mit der Klimtbrücke wird im Kunsthistorischen Museum ein Hauptwerk Gustav Klimts ausgestellt: sein berühmtes Gemälde „Nuda Veritas“ (1899). Das Bild stammt aus dem Nachlass der Kritikers Hermann Bahr, eines engagierten publizistischen Begleiters der Wiener Secessionisten. Der programmatische Anspruch des Werks drückt sich in der groß im Bild zitierte Sentenz Friedrich Schillers aus: „KANNST DU NICHT ALLEN GEFALLEN DURCH DEINE THAT UND DEIN KUNSTWERK – MACH ES WENIGEN RECHT. VIELEN GEFALLEN IST SCHLIMM“. In ungeschützter Frontalität steht die weibliche Aktfigur für kompromisslose künstlerische Wahrhaftigkeit. Die erstmalige Präsentation des Werkes in der Antikensammlung, im Saal des Doryphoros des Polyklet, schafft einen neuartigen und spannungsgeladenen ästhetischen Erfahrungsraum. Wieviel Antike steckt im Werk von Klimt? Frontalität, Standmotiv, hängender linker Arm mit leicht geballter Faust, Flächigkeit - all diese formalen Kriterien lassen sich in der ägyptischen und klassisch-griechischen Statuarik ebenso finden. Der wichtigste Unterschied ist allerdings die weibliche Nacktheit, die weder im Alten Ägypten noch im Klassischen Griechenland mit einem Fraunekörper verbunden wurde. Die postimpressionistische Malweise und Farbigkeit tun ihres, um das Werk im Kunstdiskurs seiner Entstehugnszeit zu verorten.