Das Musée du Luxembourg widmet erstmals den dekorativen Werken der Nabis eine Ausstellung. Les Nabis (hebr. Propheten) – allen voran Pierre Bonnard, Maurice Denis, Edouard Vuillard und Félix Vallotton – widmeten sich in ihren Gemälden dem modernen Großstadtleben und bedienten sich einer anderen Formensprache als die vorhergehende Generation der Impressionisten (→ Impressionismus). Ihr Ziel war die Erneuerung der Kunst indem sie sich auf die bildnerischen Mittel Fläche und Farbe bezogen. Während die Malerei der Nabis durchaus bekannt ist (die Royal Academy in London widmet dem Schweizer Vallotton im Sommer eine Einzelaustellung), gab es bisher noch keine Schau zu den dekorativen Künsten der Pariser Künstler, obwohl die Überwindung der Trennung von bildender und angewandter Kunst im Zentrum ihrer Überlegungen stand. Seit Gründung der Gruppe Ende der 1880er Jahre sprachen sie von „Dekoration“ als grundlegendes Prinzip der Einheit ihrer Schöpfungen.
Frankreich / Paris: Musée du Luxembourg
13.3. – 30.6.2019
Der Ursprünge für diese Überzeugung liegen zum einen in der der Philosophie von William Morris, der gemeinsam mit John Ruskin im England in den 1860er Jahre die Arts & Crafts-Bewegung gründete (→ Britische Aesthetic movement und Arts and Crafts-Bewegung) – und zum anderen in der Rezeption japanischer Kunst (Japonismus → Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan).
Über die katalanische Moderne erreichte das Konzept der Einheit der Künste Spanien, Belgien mit Victor Horta, Van de Velde und Paul Hankar, schlussendlich in den frühen 1890ern auch Frankreich. Der Japonismus entwickelte sich ab den 1860er Jahre von einer Mode zum stilverändernden Einfluss. Dass in der japanischen Kultur die einfachsten Alltagsgegenstände von einer handwerklich gebildeten, formenden Hand gefertigt wurden, begeisterte die an der modernen Industrialisierung zweifelnden Europäer. Von Paris aus verfielen moderne Künstler in ganz Europa: In Österreich-Ungarn erhielt sie beispielsweise den Namen „Gesamtkunstwerk“, führte 1897 zur Gründung der Wiener Secession und 1903 der Wiener Werkstätte. Doch zurück nach Paris! Die Kunst der Nabis ist ein Aspekt einer Bewegung, die als L’Art Nouveau in die Geschichte einging und aufs engste mit dem Kunsthändler Siegfried Bing und dessen Jugendstilgalerie verbunden ist.
Das Interesse der Nabis am Ornament ist durchwegs bereits im Historismus vorgeprägt, nimmt jedoch einen deutlich wichtigeren Platz in ihrem Schaffen ein. Sie wandten ihre technischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Malerei auf die unterschiedlichsten Materialien an: auf Staffeleibilder, aber auch auf Wandschirme und Fächer, auf Druckgrafik, Tapisserien, Tapeten und Glasmalereien. Fasziniert von den japanischen Drucken, die sie 1890 in einer bedeutenden Ausstellung in der Ecole des Beaux-Arts in Paris entdecken, ließen sie sich von diesen neuartigen und ausdrucksstarken Bildern inspirieren, um ihren Gruppenstil zu entwickeln. Indem sie der illusionistischen Nachahmung entsagten und die Flächigkeit des Mediums akzeptierten, entwickelten die Nabis ihre Kunst: Vereinfachte Formen, flexible Linien und Muster ohne Modellierung sollten zeitgenössische Innenräume verschönern. Ihre Kompositionen zeichnen sich durch die Verwendung heller Farben, wellenförmiger Linien und Perspektiven ohne Tiefe aus. Die Motive werden durch eine dunkle Umrahmung betont, um sie besser vom Hintergrund zu lösen. Dabei bedienten sich die Nabis eines postimpressionistisch-pointillistischen Pinselstrichs oder auch einer flächigen Farbverwendung. Auf diese Weise wirken Figuren, Landschaften, Innenraumeinblicke wie Silhouetten und erinnern in ihrer Struktur frappant an Glasfenster.
Die Pioniere des modernen Dekors, Bonnard, Vuillard, Maurice Denis, Sérusier und Ranson, standen in der Tradition des Impressionismus und schätzten u.a. Edmond Duranty, der im Manifest „La Nouvelle Peinture“ (1876) forderte:
„Nehmen wir doch Abschied vom stilisierten menschlichen Körper, der wie eine Vase behandelt ist. Was wir brauchen, ist der charakteristische, der moderne Mensch in seiner Kleidung, inmitten seiner sozialen Umwelt, zu Hause oder auf der Straße.“1
Die Nabis wollten Kunst machen, die sich direkt auf das Leben bezieht, um Schönheit in den Alltag zu bringen. Dabei lehnten sie den französischen Historismus mit seiner Vorliebe für Neo-Rokoko-Formen (Zweites Rokoko) ab. Der Kunstkritiker Roger Marx erklärte:
„Unser Zeitalter hasst nichts anderes als Wiederholung, Rezepte, die aus der Vergangenheit geerbt wurden, es wird von einer Sehnsucht nach dem Verbotenen gequält, es begehrt den neuen Nervenkitzel; Um dem Gedränge der Erinnerung zu entfliehen, zu verbannen, was verlangt und gelehrt wird, so ist es sein Ehrgeiz, wenn nicht seine Herrschaft.“
Die Ausstellung im Musée du Luxembourg bringt erstmals dekorative Ensembles zusammen, die im Laufe der Zeit abgebaut und in alle Winde zerstreut wurden. Neben Gemälden beschäftigen sich die Nabis mit den Medien Tapisserie, Tapeten, Glasmalerei und Keramik. In vier Kapiteln werden Fragen zu wichtigen Merkmalen ihrer Kunst abgehandelt: die symbolistische Verbindung von Frau und Natur in den frühen Werken von Bonnard, Maurice Denis, Vuillard und Ker-Xavier Roussel sowie das Thema Interieur in den Werken von Vuillard. Darüber hinaus erörtern die Kuratoren Isabelle Cahn und Guy Cogeval den Beitrag der Nabis zu den von Siegfried Bing initiierten Neuerungen in dessen Galerie „L’Art Nouveau“. Die Ausstellung endet mit einer Präsentation von „sakralen“ Werken, die die Begeisterung einiger Nabis für das Esoterische und das Spirituelle zeigen, womit die Nabis auch einen eminenten Anteil an der Entwicklung des Symbolismus hatten.
Kuratiert von Isabelle Cahn, leitende Kuratorin für Malerei im Musée d'Orsay, und Guy Cogeval, Direktor des Zentrums für das Studium der Nabis und des Symbolismus
Diese Ausstellung wird von der Réunion des Musées Nationaux-Grand Palais, dem Musée d'Orsay sowie dem Musée de l’Orangerie in Paris organisiert.
Der gemeinsam von der Réunion des Musées Nationaux-Grand Palais und dem Musée d’Orsay und dem Musée de l’Orangerie herausgegebene Katalog umfasst:
192 Seiten, 250 Abbildungen, 27 x 31 cm