Blendend Weiß steht sie jetzt wieder da, die Wiener Secession. Das goldene „Krauthappl“ glitzert frisch veredelt im Sonnenlicht. Das Secessionsgrün wandelte sich von dunklem Resedagrün (vergleichbar mit Lorbeer) in ein pastelliges, zartes Grün. Die Restaurierung der Secession, die in den letzten zehn Monaten während der Öffnungszeit gestemmt wurde, ist endlich abgeschlossen. Im Herbst 2018 erstrahlt das Gebäude wie anlässlich des ersten Frühlings der Kunst in Wien.
Minister Gernot Blümel, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und Herwig Kempinger, Präsident der Secession, schließen heute die Sanierung offiziell ab. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 3,5 Millionen Euro, davon kamen je ein Drittel vom Bundesministerium, von privaten Spendern an die KünstlerInnenvereinigung Secession. Die Stadt Wien beteiligte sich ebenfalls mit 1,2 Millionen Euro an dem Projekt. Das Geld floss in die Instandsetzung von Kuppel, Fassade und Glasdach wie auch den Einbau eines Lifts, um den „Beethoven-Fries“ von Gustav Klimt barrierefrei zugänglich zu machen (→ Gustav Klimts Gold für das Paradies). Mit der Modernisierung der technischen Infrastruktur (Klima, Lüftung, WCs, LED-Leuchten) und dem Einbau eines Veranstaltungsraums im ersten Untergeschoss schließ die Secession an aktuelle Präsentations- und Vermittlungsnotwendigkeiten an. Die Firma Vitra richtete den neugestalteten Shop ein. Der noch unter ihren Vorgängen gestartete Sanierung streuen Blümel und Kaup-Hasler Blumen. Der Bundesminister zeigt sich erfreut über den Abschluss der Sanierung. Hierfür Verantwortung mitzutragen, wäre für ihn selbstverständlich gewesen:
„Es freut mich, dass wir zur erfolgreich abgeschlossenen Sanierung und Renovierung der Secession zusammenkommen. Jeder, der sich ein wenig mit Kunst und Kultur beschäftigt, kennt die Idee dahinter. Das streicht die eindeutig überregionale, internationale Bedeutung heraus, die die Secessionisten von damals aber auch heute hatten und haben. Daher war es klar, dass auch der Bund Verantwortung zu übernehmen hat. Die Renovierung ist ein Auftrag an die Secession selbst, die Erneuerung war eine Ursprungsidee der Gründung der Secession, nicht nur das Gebäude zu erneuern, sondern eine ständige Weiterentwicklung in diesem Geist, die Abkehr vom Traditionalismus, das Hinwenden zu einer neuen Strömung, das Offensein gegenüber dem Internationalen. Es ist schön, dass das mit dem Symbol der Fertigstellung der Renovierung gerade zum 100. Todestag vieler Gründer der Wiener Secession gelingen konnte. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit. Das ist nicht immer ganz leicht. Wir mussten auch noch Geld nachschießen, weil ein historisches Gebäude nicht so einfach zu sanieren ist. Ich bedanke mich bei der Stadt Wien, der Secession und auch bei der Erste Bank“, zeigt sich Bundesminister Gernot Blümel erfreut.
Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler setzte fort und betonte die gemeinsame Verantwortlichkeit für die Szene in diesem Land:
„Die wichtige Gründung der Secession war eine Markierung der Stadt und ihr Gebäude ist ein Wahrzeichen dieser Stadt. Wir haben beide gleichermaßen viel gezahlt und sind [an Bundesminister Blümel gerichtet] gut im Duett, wie ich feststelle. Es geht um gemeinsame Verantwortlichkeit für besondere Räume und Institutionen und für die große Szene an Künstlerinnen und Künstler in diesem Land. Die Secession ist ein Motor der Moderne und ist es seit jeher gewesen. Die Secession hat ein kuratierendes System, das sich den normalen Marktmechanismen entzieht. In einem demokratischen Ausrausch, mir ist ganz wichtig, dass das ein Ort ist, der von Künstlern geprägt ist, von einem Ringen darum, der Zeit ihre Kunst zu geben – und das in größter Freiheit. Nachzudenken, was sind die Themen, was sind die großen Setzungen in unserer Zeit, in unserem Raum. Dieser demokratische Raum muss geschützt werden in einer sonst sehr ökonomisierten Kunstwelt. Ich freue mich, dass das gelungen ist. Ich freue mich auch, dass die Erste Bank in einer unerschütterlichen Treue, der Secession schon seit 1998 die Stange hält, ohne inhaltlich Einfluss zu nehmen. Diesem Einsatz gilt es Danke zu sagen!“
Für Herwig Kempinger, Präsident der Secession, ist das Ausstellungshaus zwar schon unglaubliche 120 Jahre alt aber „still kicking“! Das von Künstlern geleitete Haus ist in dieser Form weltweit einzigartig. „Wir sind fertig! In der Früh hat das Stadtgartenamt noch den Rasen ausgerollt. Wir haben seit November letzten Jahres die Kuppel renoviert, die Fassade saniert, die Klimatechnik erneuert und einen Lift zum Beethoven-Fries gebaut. Der Shop ist völlig neu organisiert und eingerichtet. Im Untergeschoss wurden neue Räume für Veranstaltung aber auch für Ausstellungen geschaffen. Das Licht wurde im gesamten Gebäude mit LEDs neu gemacht. All das wurde bei laufendem Betrieb gemacht. Das soll uns mal jemand nachmachen. Da das alles viel Geld kostet, war ich im letzten Jahr viel mit Fundraising beschäftigt. Dabei habe ich viele Personen kennengelernt. Auch im neu renovierten Haus werden wir unserem Ruf als erstes Haus für Gegenwartskunst gerecht werden. In diesem Sinne darf ich Sie alle, nächsten Donnerstag zur Eröffnung des nächsten Ausstellungszyklus einladen mit anschließendem Sommerfest im Garten im Anschluss.“
Kempinger bedankte sich bei den 1.500 Blatt-Spendern, allen Sachsponsoren und Privatpersonen, die finanziell geholfen haben. Die Secession konnte so neue Freunde gewinnen, die bislang mit der Secession noch nichts zu tun hatten. Zwei besondere Freundinnen wurden eigens hervorgehoben: Sylvia Liska, Leiterin des Freundevereins, die 500.000.- Euro aufbringen konnte, und Laurence Yansouni, die 630.000.- Euro aufstellen konnte. Zu den Großsponsoren der Secession, die auch 70 Prozent der laufenden Kosten selbst erwirtschaften muss, zählt aber die Erste Bank. Boris Marte von der Erste Bank Group betonte deshalb im Anschluss noch einmal die Bedeutung der Wiener Secession für die Künstlerschaft. Der Abschluss der Sanierung ist ein wichtiges Signal, die Secession als Idee und als Zweck stärker leben zu können. Marte möchte der Institution als privates Unternehmen Möglichkeiten eröffnen und hob die gesellschaftliche Relevanz der Kunstschaffenden hervor: „Jedes neue Werk, ist ein Stück neu errungener Freiheit!“
1898: Historische Aufnahmen belegen das große Interesse, oder besser das Skandalon des Ausstellungspavillons. Von Joseph Maria Olbrich entworfen, erhebt er sich inmitten eines Gartens und blick in Richtung der Karlskirche. Seine halbkreisförmige Kuppel ist eine Reminiszenz an das bekannte barocke Bauwerk Fischer von Erlachs – und gleichzeitig eine Verwertung von Olbrichs Aufenthalt in Tunis. Die Fassade des revolutionären Bauwerks des Jugendstils ähnelt mit seinen kuppelüberwölbten Flachdächern und den bewusst undekorierten Seiten formal einem nordafrikanischen Gebäude. Das Weiß seiner Haut muss sich 1898 – genauso wie heute – ungewohnt von der sandsteinfarbenen Umgebung der Gründerzeithäuser abgehoben haben. Auf Dekoration wollte man zweifellos nicht verzichten, doch ist sie gleichsam sprechend gesetzt: Gorgonenhäupter, Lorbeerbäume, die Eulen der Pallas Athene, ein abstrakter Linienschwung und an der Rückseite der „Reigen der Kranzträgerinnen“. Ein kleines Stück dieses von Koloman Moser (1869–1918 → Koloman "Kolo" Moser) entworfenen Frieses, der das Gebäude einmal mehr mit der Antike verband, wurde vom Bundesdenkmalamt rekonstruiert.
1945 brannte die Ausstellungshalle nahezu ab. Einzig die Fassade und die Goldene Kuppel blieben original erhalten und sind auch heute noch authentisch. Die Hitze während des Brandes ließ die Metallkonstruktion der schmiedeeisernen Kuppel von einem Durchmesser von 8,5 Metern in Richtung des Glasdachs einbrechen. Die 2.500 Lorbeerblätter und 342 Beeren sind samt Zweigen mit 800 Nieten auf einer Tragekonstruktion befestigt. Die Secessionisten hatten jedenfalls nie gedacht, dass sich Besucherinnen und Besucher das dekorative Objekt einmal aus der Nähe ansehen wollten, und daher keinen Zugang gebaut. Als Architekturikone drückt die Secession dem Karlsplatz schon seit 120 Jahren ihren Stempel auf. Als Zentrum der Gegenwartskunst und streitbare Ausstellungsorganisatoren bringt die Secession bis heute einige der wichtigsten internationalen, jüngst vornehmlich amerikanische Künstlerinnen und Künstler nach Wien.