Kunst um 1900 in Zentraleuropa entstand in einem regen Dialog zwischen Wien, dem Zentrum des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn, und den Hauptstädten der Kronländer. Der Kulturaustausch zwischen Wien und Zagreb war ausschlaggebend für die Stilentwicklung der kroatischen Kunst um die Jahrhundertwende, die vom Historismus zur stilistisch heterogenen Moderne führte. Im Belvedere wird im Herbst/Winter 2017/18 an die durchaus enge Verbindung der Avantgardisten erinnert, wobei die „Welthauptstadt“ Paris immer im Hintergrund mitschwingt.
Österreich / Wien: Belvedere, Orangerie
20.10.2017 – 4.2.2018
Gemälde von Gustav Klimt und Robert Auer, Vlaho Bukovac und Josef Engelhart, Oton Iveković und Carl Moll stellen in Bildpaaren ähnliche Zugangsweisen vor. Ein Reformkleid von Bela Csikos Sesia (1905) sowie Kunsthandwerk von Antonija Krasnik zeigen die Hinwendung kroatischer Künstlerinnen und Künstler zur Lebensreformbewegung und dem Gesamtkunstwerk. Plastiken von Ivan Meštrović, die im letzten Drittel die Schau dominieren, stellen symbolistische Themen in monumentalen Werken vor.
Durchgehender Tenor sind der um 1900 ausgeprägte Pluralismus der Stile und dass viele stilprägende Faktoren von Wien ihren Ausgang genommen haben, denn die erste Generation der modernen Künstler Zagrebs studierten in Wien an der Kunstakademie oder der Kunstgewerbeschule. Wieder nach Zagreb zurückgekehrt, gründeten sie am 7. September 1897 unter Führung von Vlaho Bukovac (1855–1922) den Kunstpavillon als neue Künstlervereinigung und Ausstellungshaus, der von 1897 bis heute als internationale Kunst- und Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst existiert. 1907 gründeten sie auch die erste Kunstakademie in Zagreb.
Zu den Unterschieden zählt Kuratorin Marina Bagarić, dass in Zagreb keine so starke Persönlichkeit wie Gustav Klimt zu finden ist. Vielleicht ist die Position des kritischen Vlaho Bukovac im Zentrum der Moderne mit jener Klimts (oder besser Carl Molls?) zu vergleichen. Er hielt sich 1902 bis 1903 in Wien auf, wo er im Kunst-Salon Eugen Artin eine sehr erfolgreiche Ausstellung hatte. Aus dieser Schau stammt das Gemälde „Hochsommer“ (1903), das sich heute in der Sammlung des Belvedere befindet.
Zu den Unterschieden zählt Kuratorin Marina Bagarić, dass in Zagreb keine so starke Persönlichkeit wie Gustav Klimt zu finden ist. Vielleicht ist die Position des kritischen Vlaho Bukovac im Zentrum der Moderne mit jener Klimts (oder besser Cal Molls?) zu vergleichen. Unter seiner Führung wurde 1897 die secessionistische Vereinigung kroatischer Künstler aus der Taufe gehoben, von der sich der bekannte Maler allerdings im Folgejahr wieder zurückzog. Gleichzeitig nahm er als einziger Kroate an der I. Ausstellung der Wiener Secession teil. Der in Paris an der École des Beaux-Arts von Alexandre Cabanel ausgebildete Maler und erfolgreiche Porträtist hielt sich 1902 bis 1903 in Wien auf, wo er im Kunst-Salon Eugen Artin eine sehr erfolgreiche Ausstellung hatte. Das die Ausstellung eröffnende Bild „Lang lebe der König!“ (1896, Kroatisches Institut für Geschichte, Zagreb) verbindet Historie und Genremalerei miteinander. Kaiser Franz Joseph I. Aus dieser Schau stammt das Gemälde „Hochsommer“ (1903), das sich heute in der Sammlung des Belvedere befindet. Während seines Wiener Intermezzos wurde Bukovac an die Akademie der bildenden Künste in Prag berufen, wo er bis zu seinem Tod 1922 blieb.
Allein die Biografie dieses Künstlers lässt die Mobilität der Künstlerschaft um 1900 erahnen. Mit dem im Vergleich permanent in Wien lebenden Klimt verbindet ihn daher zwar dessen Orientierung nach Paris. Beide nahmen beispielsweise an der Weltausstellung 1900 in Paris teil und wurden für ihre Werke mit Medaillen ausgezeichnet. Allerdings war der Porträtstil Bukovacs Kaiser Franz Joseph I. zugänglicher als der hochstilisierte von Gustav Klimt. Als Vertreter der kroatischen Künstlerschaft fertigte Vlaho Bukovac sowohl das oben erwähnte Erinnerungsbild an die Eröffnung des Zagreber Nationaltheaters durch den Herrscher wie auch 1896 zwei lebensgroße, repräsentative Porträts für die kroatischen und dalmatinischen Parlamentsgebäude. In vier Sitzungen zeichnete Bukovac eine Studie des kaiserlichen Kopfes, die er als Grundlage für die Auftragsporträts verwendete. Laut Erinnerungen des Malers zeigte sich der Herrscher „über die Geschwindigkeit und die Qualität seiner Arbeit erfreut“.1 Die Porträts von Gustav Klimt zeigen Damen der bürgerlichen Elite, Adel und Kaiserhaus war Klimts Kunst deutlich zu avantgardistisch.
Zu den außergewöhnlichen und international erfolgreichen kroatischen Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts zählt Ivan Meštrović (1883–1962). Der Bildhauer kam 1900 erstmals nach Wien, um zwischen 1907 und 1909 an der Akademie am Schillerplatz zu studieren. 1903 lud ihn die Secession zu seiner ersten Teilnahme an einer Gruppenausstellung ein, 1910 hatte er eine sehr erfolgreiche Einzelausstellung. Insgesamt war er in diesen sieben Jahren an zehn Ausstellungen der Secession beteiligt und der einzige kroatische Künstler, der zwischen 1906 und 1914 Mitglied der Künstlervereinigung war. Der Symbolist arbeitete vornehmlich über Themen wie Weiblichkeit, Eros, Alter, Krankheit und Tod. Seine Plastiken erinnern an Werke von Constantin Meunier wie an Auguste Rodin. Rodin hatte er 1904 erstmals getroffen, dessen existentialistisches Werk ihn in den folgenden Jahren maßgeblich prägte. Genauso dürften auch Gustav Klimts „Fakultätsbilder“ von großem Einfluss auf den kroatischen Bildhauer gewesen sein.
Meštrovićs monumentale „Brunnen des Lebens“ (1905) war ein Hauptwerk der XXVI. Ausstellung der Secession 1906 und wurde 1912 vor dem Kroatischen Nationaltheater aufgestellt. In Wien arbeitete Ivan Meštrović für Karl Wittgenstein, ein Porträt von dessen Ehefrau Leopoldine (1908) steht am Ende der Ausstellung. Der Einfluss der kroatischen Kunst in Wien lässt sich mit dem Werk von Ivan Meštrović am besten fassen. Er wurde zum „Star“ der Wiener Secession, der durchaus auch Einfluss auf Anton Hanak ausübte, wie die Kuratorin Petra Vugrinec betont.
Neben Vlaho Bukovac und Ivan Meštrović versammelt die Ausstellung eine Reihe von äußerst begabten, in Wien aber kaum ausgestellten Künstlerinnen und Künstlern: Robert Auer und seine Ehefrau Leopoldine Auer Schmidt, Menci Clement Crnčić, Adalbert (Bela) Csikos Sesia, Jozo Kljaković, Robert Frangeš Mihanović, Ivan Tišov, Slava Raškaj, Nasta Rojc um nur einige zu nennen. Wenn Künstlerinnen auch in Kroatien keine offizielle Ausbildung erhielten, so wurden sie doch zu Ausstellungsbeteiligungen eingeladen. Nasta Rojc wurde gar von der Wiener Landschaftsmalerin Tina Blau ausgebildet. Die Wienerin Leopoldine Schmidt traf Robert Auer an der Wiener Kunstgewerbeschule. Das Paar übersiedelte nach Zagreb und eröffnete dort eine private Malschule, bevor Robert Auer an die Akademie berufen wurde. Robert Auers frühes Gemälde „Festtag“ (1897 Privatbesitz, Zagreb), vergleichbar Bela Csikos Sesias „Penelope“ (1895 Sammlung Vugrinec, Varaždin), erinnert frappant an Lawrence Alma-Tadema und dessen Antikenphantasien. Mit „Die Rosenkönigin“ (1902, Privatbesitz) zeigt er sich als Anhänger eines süßlichen Jugendstils.
Die mit 130 Werken, meist Gemälde, Skulpturen und Kunstgewerbe, äußerst dich gehängte Ausstellung in der Orangerie des Belvedere macht den verdienstvollen Spagat zwischen Wiener Größen und kroatischen Talenten. Vor allem in der Landschaftsmalerei lassen sich hier verdienstvolle Positionen noch entdecken (z.B. Rojc, Mato Celestin Medović, Oton Iveković, Menci Clement Crnčić als Nachfolger von Claude Monet mehr denn Carl Moll) Die Architektur Zagrebs wird an den Trennwänden in Form von Fotografien und Plänen vorgestellt. Zweifellos das eigentümlichste Werk der Schau ist Vlaho Bukovacs schmales Hochformat „Fantasie/Köpfe der Familie“ (1906, Museen und Galerien von Konavle, Haus Bukovac, Cavtat). Handelt es sich hierbei um die Fantasie eines Psychopathen? Ist es ein schief gegangener Scherz? Immerhin positioniert der Maler seinen eigenen Kopf und die Köpfe seiner Frau sowie der gemeinsamen Kinder als Trophäen (oder als Faschingsmaske?) am Silbertablett bzw. als Wandschmuck.
Über allem droht das Ende: 1918 dominiert als riesige Zahl das Ende der Ausstellung und leuchtet den Besuchern quasi vom Eingang aus schon entgegen. Zwischen postimpressionistischer Auflösung, Jugendstil, gernehafte Repräsentationsbilder, lachenden Kindern und dem alten Kaiser läuft alles auf den Eros/Thanatos des Symbolismus zu. Als der König der Serben, Franz Joseph I. in Landestracht, 1895 Zagreb besuchte, jubelte ihn das Volk zu. So suggeriert es zumindest Valho Bokuvac in seinem Bild. Der Dualismus zwischen Österreich und Ungarn, letztere unterstützt durch kroatisch-slawonische Politiker, die sich 1905 zur Kroatisch-Serbischen Koalition zusammenschlossen, wird in den Werken nicht spürbar. Hier scheint das Freud’sche Konzept der Sublimierung Platz zu greifen, immerhin ist Sarajewo in Bosnien-Herzegowina nur knapp 400 Kilometer von der Hauptstadt Kroatiens entfernt.
Kuratiert von Petra Vugrinec, Marina Bagarić
Gustav Klimt, Koloman "Kolo" Moser, Carl Moll, Vlaho Bukovac, Antonija Krasnik, Ivan Mêstrović, Mato Celestin Medović, Robert Auer, Tomislav Krizman, Bela Csikos Sesia u.v.m.