Agnes Slott-Møller

Wer war Agnes Slott-Møller?

Agnes Slott-Møller (Nyboder 10.6.1862– 11.6.1937 Løgismose), war eine dänische Malerin des Symbolismus. Slott-Møllers Inspirationsquellen warwn die dänische Geschichte und mittelalterliche Kunst sowie die englischen Präraffaeliten und die italienische Malerei des 13. und 14. Jahrhunderts. Sie ist bekannt für Werke, die von dänischer Geschichte und Folklore inspiriert sind; sie reagierte auf den rasanten Fortschritt der Moderne, indem sie sich der Suche nach dem Spirituellen und Empfindsamen zuwandte. Ihr Ehemann war der Maler Harald Slott-Møller (1864–1937).

Kindheit

Agnes Slott-Møller wurde als Agnes Rambusch am 10. Juni 1862 in Nyboder geboren, wo sie auch aufwuchs. Ihr Vater war Jacob der Marineoffizier Heinrich Victor Rambusch (1825–1886), der zum Kommandanten befördert wurde. Ihr Vater hatte ausgeprägte Geschichtskenntnisse, und ihre Mutter hieß Constantine Juliane Hansen (1834–1891) brachte ihr Volkslieder bei, indem sie sie ihr zu Klavierbegleitung vorsang. 1

Die junge Agnes Slott-Møller entwickelte schon früh ein Interesse an Dänemark und der dänischen Kultur. Bücher über dänische Geschichte wurden zu ihrer Lieblingsliteratur. Als Kind war sie fasziniert von der „Illustreret Danmarkshistorie for Folket“ von Adam Fabricius, die mit Zeichnungen von Lorenz Frølich illustriert sind.2

Ausbildung

Ihre ersten Schuljahre verbrachte Agnes in einer kleinen Privatschule, die von den Töchtern Julie und Emilie des Malers C.W. Eckersberg geleitet wurde. Im Alter von 12/13 Jahren war Agnes Slott-Møller vom Zeichnen und Betrachten von Gemälden so begeistert, dass sie ihr Klassengeld für eine Abonnementkarte für Charlottenborg ausgab. Hier betrachtete sie insbesondere Historiengemälde von Otto Bache, Christen Dalsgaard und Kristian Zahrtmann.

Von 1878 bis 1885 besuchte sie die „Dänische Zeichen- und Kunstschule für Frauen“. Agnes Rambusch debütierte im Alter von 23 Jahren auf der Frühjahrsausstellung von 1885 in Charlottenborg. Danach nahm Agnes Unterricht drei Jahre lang bei Peder Severin Krøyer. In ihrer Ausbildung wurde Agnes an die Freilichtmalerei herangeführt (→ Impressionismus in Dänemark). Auch ihr späterer Ehemann, der Maler Harald Slott-Møller, unterrichtete die junge Malerin. Das Paar heiratete am 22. Mai 1888 und unternahm gemeinsam eine Italienreise.

Italienreise

Im Studienjahr 1888/89 reiste die 26-jährige Malerin Agnes Slott-Møller nach Italien, um die mittelalterlichen Kunstwerke, die sie bisher nur aus Vorlesungen zur Kunstgeschichte kannte, im Original zu studieren. Ihre Begegnung mit der italienischen mittelalterlichen Kunst war eine Offenbarung, die ihren Weg als Künstlerin entschieden prägte.

Die Rückreise führte über Paris, das den 100. Jahrestag der Französischen Revolution feierte, und hier trafen sie Freunde und Bekannte aus der dänischen Kunstszene, darunter das Malerpaar Michael Ancher und Anna Ancher, Emil Hannover, P. S. Krøyer und seine spätere Frau Marie, die eine langjährige Freundin wurde.

Familie

  • 22.5.1888: Harald Slott-Møller (1864–1937)
  • 1893: Geburt der ersten Tochter Lykke Marie.
  • 1901:  Agnes Slott-Møllers zweite Tochter Michala Benedetta starb im Säuglingsalter.

Werke

Agnes Slott-Møllers prägte als Malerin aber auch durch ihre Beiträge zur künstlerischen Debatte die dänische Kunstszene von den 1890ern bis in die 1930er Jahre wesentlich. Obwohl sie als Freilichtmalerin ausgebildet war, malte sie die Seelandschaft in einem sehr naturalistischen Stil. Mit ihrem Werk nahm sie Einfluss auf die Anfänge des Symbolismus und damit auf die Entwicklung der frühen Moderne in Dänemark. In dieser Zeit öffnete sich Dänemark für Impulse von außen und nahm von der französischen und englischen Kunst Impulse auf.

Was Slott-Møller in der italienischen mittelalterlichen Kunst fand, war vor allem eine romantische Vision des Mittelalters als goldenes Zeitalter edler Jugend, hoher Ideale und Schönheit. Sie übertrug dieses Narrativ auf dänische Volksballaden aus dem Mittelalter, die sie ihr Leben lang faszinierten. Diese hatte bereits im gesamten 19. Jahrhunderts dänische Dichter und Schriftsteller inspiriert. Slott-Møller war jedoch die erste Malerin, die die Balladen zu ihrem Hauptmotiv machte. Ebenso wie bei den Präraffaeliten ist bei Agnes Slott-Møller eine Sehnsucht nach einer Vergangenheit spürbar, in der die Kunst „das Wahre, Gute und Schöne“ ausdrücken sollte. Damit kann man Agnes Slott-Møllers Kunst als antimodernistische Gegenbewegung zu ihrer Zeit interpretieren.

 

Historienmalerei

Ihr erstes Historiengemälde, „Königin Margrethe und der jütländische Adel“ (1889–1890), wurde 1890 auf der Frühjahrsausstellung in Charlottenborg ausgestellt. In den 1880er Jahren waren Agnes Slott-Møllers Gemälde von Krøyers vom französischen Naturalismus inspirierter Licht- und Stimmungsdarstellung beeinflusst.

In den 1890er Jahren entwickelte sie jedoch die Idee, dass Kunst Patriotismus, Nationalgefühl und Geschichtsbewusstsein ausdrücken sollte, was insbesondere in Motiven aus dänischen Volksliedern zum Ausdruck kam. Für das  Gemälde „Niels Ebbesen“ (1893, SKM) setzte sie das Reitermotiv des italienischen Malers Simone Martini auf einem Jütlandpferd in einer dänischen Landschaft in dänische Nationalkunst um. Damit brach sie mit der vorherrschenden Tradition, der naturalistischen, nationalromantischen Historienmalerei und erntete dafür scharfe Kritik. Die Malerin fühlte sich falsch verstanden, denn vor Beginn der Arbeit an dem Bild hatte sie sorgfältige Studien mittelalterlicher Denkmäler gemacht. Agnes Slott-Møller veröffentlichte sogar mehrere Artikel, in denen sie sich mit der Beziehung zwischen Historienmalerei und Geschichtswissenschaft befasste.

Agnes Slott-Møller und Harald Slott-Møller halfen 1891 ihrem Freund Johan Rohde, die Künstlervereinigung „Den Frie Udstilling“ zu gründen, an deren Ausstellungen sie bis 1900 teilnahm. Wie ihr Freund Georg Brandes und ihr Ehemann Harald Slott-Møller beteiligte sie sich mit starken Meinungen an der öffentlichen Debatte.

Im Jahr 1894 gewann Agnes Slott-Møller einen Wettbewerb für Dekorationsarbeiten zur Gestaltung des Hauptportals des Kopenhagener Rathauses. Agnes Slott-Møller konnte mit einem polychromen Relief des ältesten Stadtrats überzeugen. Trotz ihres glühenden dänischen Nationalismus sollte dies ihr einziger offizieller Auftrag bleiben. Vielleicht gab die Malerin aufgrund ihres fehlendes Erfolgs die große Historienmalerei zugunsten der poetischeren Volksliedbilder auf, die den Großteil ihrer Produktion ausmachen.

 

Slott-Møller und die Kunst der Präraffaeliten

In den Folgejahren reiste sie mit ihrem Mann als Akademiestipendiatin nach Frankreich (1895) und nach Deutschland, Frankreich und England (1896), wo sie unter anderem die Kunst der Präraffaeliten kennenlernte (→ Präraffaeliten. Eine Avantgarde-Bewegung?).

„Ohne damals je von der modernen englischen Malerschule gehört zu haben, die sich in ihrer Vorliebe für die präraffaelitische italienische Kunst ‚Präraffaeliten‘ nannte, wurde ich direkt und unmittelbar zu einer dänischen ‚Präraffaelitin‘.“

In ihrem Buch „Folkevise Billeder“ (1923) behauptet sie, eine „dänische Präraffaelitin“ geworden zu sein, ohne die englische Bewegung zu kennen. Dies wird heute bestritten, da es mehrere Beispiele für ihre gründliche Kenntnis des Präraffaelitentums und der Arts-and-Crafts-Bewegung gibt: Agnes Slott-Møller kopierte Motive und Muster aus Zeitschriften und nutzte sie als Inspiration, insbesondere für dekorative Stuckarbeiten und ornamentale Rahmenmotive.

In den folgenden Jahren setzte sie sich mit aller Kraft dafür ein, Ausstellungsmöglichkeiten für beide in England zu schaffen, da sie glaubte, dort auf mehr Verständnis zu stoßen als in Dänemark. Sie knüpfte Kontakte zu gleichgesinnten englischen Künstlern und zu den Herausgebern der Zeitschriften „The Studio“ und „The Magazine of Art“, die 1900 einen Artikel über ihre Kunst veröffentlichten. 1897 gelang es ihr außerdem, ihr Gemälde „Agnete“ (1892) in die Ausstellung der Royal Academy in London aufzunehmen. Im Herbst 1899 ließen sie sich in London nieder, um eine gemeinsame Ausstellung zu organisieren. Doch im Winter reiste Harald Slott-Møller nach Italien, und kurz darauf folgte sie ihm auf der Anckerske Legat.

 

Bauernmalerstreit

Nach einigen Meinungsverschiedenheiten bei „Den Frie Udstilling“ nahm sie 1904 ihre Ausstellungen bei der Charlottenborger Frühlingsausstellung wieder auf. Offenbar zählte Agnes Slott-Møller zu den streitbaren Geistern der dänischen Kunstszene: 1907 führte eine Fehde mit den fünischen Malern, dem sogenannten „Bondemalerstriden [der Bauernmalerstreit]“, zur zunehmenden Isolation der Malerin und ihres Ehemannes Harald von der zeitgenössischen Kunstszene. Das Ehepaar hatte die impressionistische Malweise und die Motivwahl im Alltag entschieden abgelehnt (→ Impressionismus). Die Niederlage im „Bauernmalerstreit“ führte zur Verbitterung der Künstlerin, die zwar bis zu ihrem Tod von nationalistischen Kreisen gefeiert blieb.

 

Realismus, Poesie und Mythologie

Interessant sind die Konflikt zwischen Slott-Møllers mittelalterlichen Quellen und Themen (italienische mittelalterliche Kunst und mittelalterliche Balladen) und ihrem modernen naturalistischen Malstil. Widersprüche sind besonders in Gemälden mit Balladen übernatürlichen Inhalts deutlich, beispielsweise in zwei Gemälden (Sommer 1899/1914), die auf der Ballade „Tidemand og Blidelil [Tidemand und Blidelil]“ basieren. Slott-Møllers Darstellung von „Blidelil“ (Sommer 1899, Fuglsang Kunstmuseum, gemalt auf Fænø), die in einem Federkleid über einem tiefblauen Meer fliegt. Zum einen erinnert die fliegende Blidelil an Giotto di Bondones Engelsdarstellungen und zum anderen ist bekannt, dass die Malerin einen Reiherflügel vor sich hatte, als sie an diesem Bild arbeitete. Zudem ragt rechts unten ein Badesteg in die Komposition, der die Fiktion der fliegenden Frau deutlich herausfordert.3

Eineinhalb Jahrzehnte später widmete sich die Künstlerin dem Thema in einem 50 x 100 cm großen Triptychon erneut: „Tidemand und Blidelil“ (1914, Hotel Dagmar, Ribe). Zeigt den Flug der Blidelil nun in die andere Richtung, flankiert von zwei Szenen.

Agnes Slott-Møller schrieb auch Artikel und hielt Vorträge zur dänischen mittelalterlichen Geschichte und zu nationalistischen Themen. Im Jahr 1917 veröffentlichte sie „Nationale Værdier [Nationale Werte]“ und 1923 „Folkevise Billeder [Volksbilder]“.

Agnes Slott-Møllers Werke unterscheiden sich wesentlich von den Bildern des „Goldenen Zeitalters“ und der Nationalromantik. Im Gegensatz zu den Malern des goldenen Zeitalters, deren Werk darauf abzielte, durch geschichtliche Ereignisse nationalen Zusammenhalt zu schaffen, wollte Slott-Møller die herausragenden Persönlichkeiten der Geschichte direkt abbilden. Ihr wichtigstes künstlerisches Ziel bestand darin, Dänemarks Geschichte in der Kunst so darzustellen, dass diese wie eine Utopie wirkte. Die Vergangenheit sollte ein Spiegel für die Gegenwart sein, eine moralische Richtschnur in einer unmoralischen Zeit. Diese historische Lesart setzte voraus, dass Slott-Møller die Geschichte ausgehend von herausragenden Persönlichkeiten erzählte. Die Betrachter:innen sollten sich in den Taten der Helden spiegeln können.

Slott-Møllers kompromissloses Festhalten am einem sakralen Anliegen der Kunst und ihr Pendeln zwischen der Poetik des Volkslieds, beseelten mythologischen Erzählungen über starke Frauen und bedeutungsschweren historischen Motiven, die in der monumentalen Deutung des „großen Stils“ der Vergangenheit inszeniert werden, sind verglichen mit anderen Künstlern derselben Zeit nahezu einzigartig. Hierdurch wird Agnes Slott-Møller zu einer der interessantesten Künstlerinnen ihrer Zeit.

In den 1920er Jahren wandte sich Slott-Møller wieder der Historienmalerei zu. Sie malte sechs Bilder über die Geschichte von Valdemar Sejrs Historie (1927–1934), von denen vier im Schloss Nyborg hängen.

Auszeichnungen und Preise

  • 1906: Eckersberg-Medaille
  • 1928: Tagea-Brandt-Reisestipendium
  • 1932: Ingenio et arti-Medaille

Tod

Agnes Slott-Møller starb am 11. Juni 1937 in Løgismose, Gemeinde Assens.

Als Frau in einer fast ausschließlich von Männern dominierten Kunstwelt und als (vielleicht) einzige Präraffaelitin in der dänischen Kunst wurde Slott-Møller zu Lebzeiten weitgehend an den Rand gedrängt. Erst in jüngster Zeit wurde ihre Kunst in einigen Ausstellungen wiederentdeckt. Agnes Slott-Møller gilt zwar nicht als virtuose Malerin, aber sie hinterließ ein interessantes Werk.